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Da hat man sich viel vorgenommen

Film | Im TV: ›TATORT‹ – Dicker als Wasser (WDR), 19. April

Dieser Fall führt uns tief in die Vergangenheit, auch ein Krimi hat seine Stereotypien, seine Schablonen, die ihm Struktur verleihen, als da wären der Actionfilm, der Psycho-Krimi, das Whodunnit-Muster, die Erpressung, die Beziehungstat usw. usf., die Welt ist bunt. Dieser ›TATORT‹ rückt vor allem die Vergangenheit gerade. Von WOLF SENFF

Foto: WDR / Uwe Stratmann
Foto: WDR / Uwe Stratmann
Ralf Trimborn ist eine vielschichtige Persönlichkeit, gerissen, mit allem Wassern gewaschen, bei Bedarf die Liebenswürdigkeit in Person. Wie sagen wir dazu, er ist falsch, von Grund auf falsch, sein Lachen ist falsch, seine Freundlichkeit ist falsch, und es ist schön und eine schauspielerische Leistung, eine solche Figur in Szene zu setzen, die immer mit dem Anspruch auftritt, seriös zu sein, nadelstreifengekleidet, und auf respektvolles Entgegenkommen pocht.

Ein ursprünglich zielstrebiges Konzept

Ballauf und Schenk hätten Trimborn das glatt abgenommen, wären sie nicht in den Akten auf dessen kriminelle Vorgeschichte gestoßen. Schon finden wir uns in der Vergangenheit, und da türmt sich plötzlich einiges auf, unaufgeklärt blieb auch der Tod seiner Ehefrau, es ranken sich nun diverse kriminelle Verwicklungen um die ›alte‹ Geschichte, eben auch der aktuelle Mord an Oliver Mohnsen, einen Freund von Trimborns Sohn Eric, er betrieb eine Diskothek. ›Dicker als Wasser‹ ist auch ein Film über Väter und Söhne.

Das Geschehen wird verwickelt, Olivers Vater reist aus Teneriffa an, er schuldet Ralf Trimborn – dessen Sohn mit Olivers zeitweiliger Freundin Laura liiert ist – eine beträchtliche Summe. Trimborn, dessen Haus zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben ist, bereitet einen Bankraub vor etc. pp., und man hat den Eindruck, dass dieser eigentlich zielstrebig angelegte Fall irreführend überladen wird.

Diesmal etwas angestrengt

Irritierend ausgebreitet werden ebenso die heftigen Komplikationen innerhalb des Ermittlerteams, Ballauf und Schenk tragen ihre fundamentalen Meinungsverschiedenheiten oder einfach Anfälle von Überdruss aus, wir wissen, dass es schwierig ist, da stets eine Balance zu halten, und außerdem muss der neue Assistent überzeugend integriert werden. Nein, mit diesem ›TATORT‹ hat man sich zu viel vorgenommen.

Wir erfahren auch noch, dass Eric Trimborn wiederholt denselben Traum hatte, was uns einen Einblick in dessen schwierige Sozialisation vermittelt – manchmal müssen wir wirklich nicht alles wissen, »in der Beschränkung zeigt sich erst der Meister«, sagte zu diesem Thema bereits vor Jahren eine unserer Geistesgrößen. Ein etwas anstrengender ›TATORT‹, den uns der WDR diesmal präsentiert.

| WOLF SENFF

Titelangaben
›TATORT‹ Dicker als Wasser (Westdeutscher Rundfunk)
Ermittler: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär
Regie: Kaspar Heidelbach
Sonntag, 19. April, 20:15 Uhr, ARD

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