Unterhaltsam und abwechslungsreich

Film Spezial | JFFH 2016: ›Shout‹

Die fünf unterhaltsamen Episodenfilme von ›Shout‹ sind fünf verschiedenen japanisch eingefärbten Genres zuzuordnen, sie sind Studien verschiedener Kontexte, in denen der Schrei, ›Shout‹, eine wichtige Rolle spielt. Von WOLF SENFF

SHOUT_600pxIn »Summer Goodbye«, einer Liebesromanze, kehrt Haruka, die Jugendliebe von Natsuo, in die Kleinstadt am Meer zurück. Sie hat vor, zu heiraten. Natsuo lebt zwar mit einer Freundin zusammen, hat sich jedoch innerlich noch nicht von Haruka gelöst und begegnet ihr am Strand. Klar, Konflikt ist angesagt, er wird nicht über dramatische Auftritt nach außen getragen, sondern spielt sich über enttäuschte oder vorwurfsvolle Blicke ab, über reale, auch symbolische Gesten.

Eine Träne vergießen

Der zweite Film, »The Eve«, deutet verschiedene Wege nach einer Trennung an; wir sehen Szenen von Einsamkeit und Verzweiflung in der nächtlichen Stadt, stumme Hilflosigkeit, aber auch Eindrücke einer neu empfundenen Geborgenheit. So kann’s gehen.

Dieser Film kommt ähnlich zurückhaltend auf die Leinwand, ist aber mit seinen eher montierten als kausal verknüpften Szenen expressiv gestaltet, und es ist nicht falsch, zu sagen, dass der Zuschauer nicht der ›Kunde‹ oder ›Konsument‹ ist, der ›beliefert‹ wird, nein, nichts davon, er wird freundlich eingeladen, teilzunehmen, sich zurechtzufinden.

Vom Yeti und der Erderwärmung

»Chilly Lover« setzt ein, als bei einem Paar nach drei Jahren die Entscheidung, zu heiraten, ansteht; Haru ist stets nur Besucher bei Michiru, er lebt bei seiner Familie. Sehr hübsch, wie er nach der Frage, ob Michiru fertig gegessen habe, sich sogleich die Leckereien von ihrem Teller einverleibt – man weiß Bescheid, ohne dass große Worte gemacht wurden, und schätzt das Niveau des Films, der zudem von liebevollem Humor unterfüttert ist.

Haru wirkt hölzern, er läuft gern mit einem Fotoapparat umher, und Michiru ist schlecht aufgelegt, überhaupt auf zickig gestimmt – keine vielversprechenden Auspizien für eine Ehe. Dann taucht unversehens ein Yeti in der engen Wohnung auf, die Dinge nehmen ihren Lauf, es gibt richtigen Krach, einen Schrei, gibt Dramatik.

In der vierten Episode wird eine Studentin Zeuge, wie Bürokratie einer Liebe ein Ende setzt, und schließlich erleben wir in »Echoes« einen Wissenschaftler, der mit einem telekinetisch begabten Mädchen vor einer irren Sekte flieht, anders als in den ersten, ruhigen Filmen ist hier richtig etwas los, phantastische Handlung steht im Mittelpunkt, wir sehen Science Fiction mit japanischem Einschlag.

| WOLF SENFF

Titelangaben
›Shout‹, Episoden von Shunta Kezuka, Riko Sanjo, Aya Itabe, Yun Sekiguchi, Hisato Sakoda, 2015
107 Minuten, OmeU
Auf dem Japan-Filmfest Hamburg
Samstag, 30. Mai, 20 Uhr, 3001 Kino

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Nahöstliche Schrecken

Nächster Artikel

Wer die Frage nach dem Sinn der Existenz nicht stellt…

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

Ehrenpreis für Kati Outinen

Film | 66. Nordische Filmtage Lübeck

Das »größte europäische Festival für nordische und baltische Filme« startete in diesem Jahr mit der Deutschlandpremiere des Animationsabenteuers Flow (Straume), inszeniert vom lettischen Regisseur Gints Zilbalodis, der seinen Film selbst in Lübeck präsentierte. JOHANNES BROERMANN war dabei.

Kommunikative Basis Fehlanzeige

Film | Japan-Filmfest Hamburg: ›Tokyo/Lovers‹, Japan (2013) ›Tokyo/Lovers‹ ist ein Film, der überwiegend mit sehr ruhigen Szenen arbeitet, die Szenen aber gern unvermittelt nacheinander setzt; dieser Kontrast verleiht dem Film einen angenehm individuellen Effekt. Zeitliche Ebenen werden gelegentlich gegeneinander verschoben. Wir sehen eine zart eröffnende Brettspielszene zwischen einer Englischlehrerin und einem noch leicht an der Schulter verletzten Berufstänzer. Von WOLF SENFF

Radikales Konzept der Sexualität

Kulturbuch / Film | Georg Seeßlen: Lars von Trier goes Porno / Lars von Trier: Nymphomaniac II ›Nymphomaniac‹ ist ein viereinhalbstündiger Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier, der die Kinos in zwei annähernd gleich langen Teilen erreicht, sein Thema ist eine Entwicklung von Sexualität. Im Februar schon lief der erste Teil in Deutschland an, knapp zweistündig. Kaum jemand hat es bemerkt, dieser Tage folgt ›Nymphomaniac II‹, gut zweistündig, zur »Lebensbeichte einer Nymphomanin« aufgehübscht beim Deutschlandfunk. Er wäre – ein hardcore-Porno ist ehrlicher – kaum der Rede wert, wenn nicht der kluge Kulturkritiker Georg Seeßlen passend zum Filmstart einen Essay

Die Unbeugsamen

Film | Fimfestival Mannheim-Heidelberg. Marine Place: Souffler plus fort que la mer Er habe, so Michael Kötz, künstlerischer Direktor des Fimfestivals Mannheim-Heidelberg, in seiner Begrüßung zur Aufführung von Souffler plus fort que la mer, nicht damit gerechnet, daß der kapitalismuskritische Film überhaupt noch lebe. Doch hier sei der Beleg für dessen Existenz. Er habe sich zwar geändert, sei poetischer geworden. Aber er lebe. Von DIDIER CALME

Gesellschaft auf Dröhnung

Kino & TV | Side Effects – von Steven Soderbergh Wie bereits in seinem Klassiker Traffic (2000) verbindet Steven Soderbergh auch in seinem neuen Thriller Side Effects (2013) eine spannende Geschichte mit einer aktuellen gesellschaftskritischen Thematik. Beide Filme behandeln das Thema Drogen. In Traffic war es der Kokainkonsum, der in den USA bereits alle Gesellschaftsschichten erfasst und zum Aufblühen der lateinamerikanischen Drogenkartelle geführt hat. Side Effects behandelt den massiven Konsum ganz legaler Drogen, den Antidepressiva. Deren Verbreitung wird dem Film zufolge von einer skrupellosen Psychopharmaka-Industrie vorangetrieben, die selbst Therapeuten für ihre Zwecke kauft. Von GREGOR TORINUS