Sauerei in Outer Space

Comic | Ralf König: Barry Hoden

Deutschlands Comic-Exportschlager Nummer Eins, Ralf König, bricht mit ›Barry Hoden‹ ins Weltall auf, wo er Hämeoritengürtel ausweicht, sich ständig unterhalb der Gürtellinie bewegt und allerlei schwarze Löcher stopft – und geradewegs eine Space Opera schafft, schwuler noch als Flash Gordon. Von CHRISTIAN NEUBERT

Barry HodenEin Unglück kommt selten allein: Erst gerät der unerschrockene Raumfahrer Barry Hoden mit seinem Schiff Libido XL in ein Schlurchloch, das ihn in eine weit entfernte Galaxie schleudert. Dann gerät er in die Fänge fremdartiger, wenig attraktiver Wesen, die ihn insofern unfreundlich begrüßen, als dass sie ihn zur Arbeit an der Kasse eines interstellaren Pornokinos nötigen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, beschließt die zuständige Jobvermittlung auch noch, ihn als haarig-plauschiges Lebend-Exponat eines Weltraumzoos einzusetzen. Erschreckend. Dabei fing alles ganz gut an – mit einem tiefgekehlten Blowjob, sachverständig ausgeführt am strammen Riemen seines Maschinisten Brick Hunter.

Was sich hier liest wie die Zusammenfassung einer Space Opera im Gay Kino, ist genau das – nur eben in Comicform. Präziser: Es handelt sich um die ersten Seiten von ›Barry Hoden – Im Weltall Hört Dich Keiner Grunzen‹, Ralf Königs Quasi-Fortsetzung von ›Konrad & Paul – Raumstation Sehnsucht‹. »Quasi« deswegen, weil sie die Story des Vorgängerbands nicht auf ein Ende hin weiterverfolgt. Vielmehr verfrachtet sie die angerissene, von Königs Lieblingsfiguren Konrad und Paul getragene Handlung endgültig ins Weltall. In ein Weltall aus Schnapfgacken und Schlammbratzen, aus Geschleim und Gewürm – und insofern in ein unzureichendes All. Es mangelt einfach an gestandenen Kerlen mit Brustwarzen, Haaren auf und um dieselben sowie prall gefüllten Hodensäcken.

Kaum Schweine im Weltall

Klar fühlt sich da ein Barry Hoden, der raumfahrende Vorzeigehomo der Gattung Homo Sapiens, recht fehlplatziert. Naja. Immerhin gerät er später, im Verlaufe einer höhepunktreichen Geschichte, an einen stattlichen Brant. Und der hat nicht nur eine ansehnliche Brustbehaarung, sondern auch einen wohlproportionierten Bolzen.

Ist ›Raumstadion Sehnsucht‹ noch bei Rowohlt erschienen, seit den Achtzigern eine von Königs favorisierten Verlagsheimaten, kam ›Barry Hoden‹ nun beim Männerschwarm Verlag heraus – dem Verlag, dem er seine deftigeren Zoten anvertraut. Kein Wunder, angesichts der gebotenen homoerotischen Drastik in Wort und Bild. Den Band auf diese zu reduzieren wäre allerdings falsch. Er ist tempo- und ideenreich, spielt mit Genre-Referenzen und Erzählebenen, will aber stets nur eines sein: ein mit Science Fiction spielender, durch und durch schwuler Herrenwitz – hintersinnig und mit Hintern im Sinn. Entsprechend ist er auch gerne mal platt, nie jedoch plump und billig.

A gay Space Odyssey

›Barry Hoden‹, allein schon der Name verrät es, ist Pulp, gay und fiction. König ist ein Meister, wenn es darum geht, derbe Zoten in den Mantel der Poesie mit nichts drunter zu hüllen und dabei gleichzeitig unschuldig und geil aus der Reizwäsche zu schauen. Fans von Konrad und Paul freut das, wie auch die außerirdischen Pendants anderer wohlbekannter Knollennasen. Neue Leser freuen sich, weil der Band keine Vorkenntnisse verlangt, um wie mit Vaseline geschmiert in den Königs-Kosmos zu gleiten. Was er allerdings verlangt ist Offenheit. Zartbesaiteten Messdienern dürfte er die Schamesröte ins Gesicht treiben, Homophobe werden sich in ihren schlimmsten Phantasien bestätigt fühlen – und lesen garantiert weiter. Raum-Mission erfüllt.

Titelangaben
Ralf König: Barry Hoden – Im Weltall Hört Dich keiner Grunzen
Hamburg: Männerschwarm Verlag 2014
224 Seiten, 22 Euro

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