Kampf der Superlative

Comic | Jodorowsky/Fructus: Showman Killer

Wenn ausgerechnet Incal-Autor Alejandro Jodorowsky, der inzwischen auch »Heilung durch Kunst« betreibt, die Geschichte des mächtigsten Killers des Universums erzählt, will BORIS KUNZ unbedingt dabei sein.

Showman KillerAus dem Sperma von Massenmördern geklont, im Leib einer komatösen Mutter herangewachsen, von Maschinen aufgezogen, alle menschlichen Gefühle im Kindesalter operativ entfernt, dafür mit einem Gerät versehen, das es ihm erlaubt, jegliche andere Gestalt (auch die eines Felsmassivs) anzunehmen – das ist der Showman Killer. Dieser unbesiegbare Söldner kennt nur eine Moral: Er tötet allein für den Meistbietenden.

Nachdem ein kurzer Prolog uns die Genese dieses eigentümlichen »Helden ohne Herz« beschrieben hat, gerät der Showman-Killer auch schon in ein größeres politisches Komplott, das, wie bei Jodorowsky üblich, von allerhand düsteren Ikonen weltlicher und religiöser Macht bevölkert ist. Die Mönchsoldaten der Suprahierophantin (eine bösartige, schwebende Mumie) wollen den Thronerben des Omnimonarchen (ein erstaunlich menschlich geratener Imperator) vernichten und die Schuld dafür der Rebellengruppe der »Nihilos« in die Schuhe schieben, auf die wiederum der Showman Killer angesetzt worden ist.

Jodorowsky im Zitatekarussel

Wer mit den Werken von Jodorowsky halbwegs vertraut ist, der findet im Showman Killer wenig Neues. Bis hin zu so eigentümlichen Wortschöpfungen wie »Paläohündin« bleibt der Autor seinen Themen ebenso treu wie seinem Erzählton: Die Machtkämpfe voller Superlative, der überhöhte Mystizismus der Bilder, die Jodorowsky heraufbeschwört, werden durch einen leisen Humor ausgeglichen, der immer wieder durchschimmert und uns zeigt, dass diese Geschichte nicht so sehr als ätzende Gesellschaftsparabel gemeint sein könnte, sondern einfach nur dazu da ist, Spaß zu machen.

Ein klein wenig parodiert Jodorowsky dabei auch sich selbst – aber nicht allein sich selbst: Nicht nur die Meta-Barone lassen im Aussehen des glatzköpfigen Showman Killers grüßen, die Entstehungsgeschichte dieses Monsters erinnert auch gewaltig an den Superschurken Doomsday, dem es in einer der spektakulärsten Superheldenepen der Neunziger vergönnt war, Superman zu töten. Die Aquarelltechnik des Illustrators Nicolas Fructus und teilweise auch das Design seiner archaischen Zukunftswelten wecken Assoziationen an El Mercenario oder Storm, und die Attitüde, es immer gleich mit den übelsten, größten und gewaltigsten Herrschern und Schurken zu tun zu haben, dieses elegante Spiel mit der Großkotzigkeit also, hat man auch schon in den Authority-Comics von Warren Ellis zu spüren bekommen.

Welche dieser Anspielungen tatsächlich als solche gemeint sind, ist schwer zu sagen und letztlich auch nicht relevant. Man kann zumindest viele hineinlesen, weil Jodorowsky und Fructus nichts anderes tun, als ein gewaltiges Bildfeuerwerk abzubrennen, das nicht so sehr durch die geniale Komposition einzelner Kaskaden als eher durch seine bunte Gesamtheit gefällt. Die Geschichte ist rasant erzählt und wird von Fructus durchaus imposant illustriert.

Doch auch den Zeichnungen gelingt es immer wieder, die grotesken und humoresken Elemente nicht zu kurz kommen zu lassen – vor allem in den ausschweifenden Metzeleien, die der ultimative Killer unter seinen Gegnern anrichtet. Man kann ja auch nicht die Geschichte einer perfekten Tötungsmaschine erzählen, ohne dabei gehörig Blut zu vergießen.

Alles in allem eine gute Lektüre für Jodorowsky-Fans, die zwar wenig Neues bietet, aber auch nicht langweilt.

| BORIS KUNZ

Titelangaben
Alejandro Jodorowsky (Text) / Nicolas Fructus (Zeichnungen): Showman Killer Band 1: Ein Held ohne Herz (Showman Killer, Tome 1).
Aus dem Französischen von Uwe Löhmann.
Köln, Ehapa Verlag 2011. 56 Seiten, 13,99 Euro

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Nicht einmal mehr Bienen sind noch das, was sie waren

Nächster Artikel

Wenn man mit der Mafia seinen Doktor macht

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Katchunka!

Comic | MADs große Meister: Don Martin 13 Jahre nach seinem Tod steht der Zeichner Don Martin noch immer für den Stil des Satiremagazins MAD. Jetzt beginnt die Veröffentlichung aller Comics, die er dort publiziert hat. ANDREAS ALT hat den ersten Band unter die Lupe genommen.

Ein schweres Erbe

Comic | Marc Lizano, Ulf K.: Neue Geschichten von Vater und Sohn Mit dem Band ›Neue Geschichten von Vater und Sohn‹ versuchen die Comickünstler Marc Lizano und Ulf K. fast 80 Jahre nach dem Ende der legendären Bildergeschichten ›Vater und Sohn‹ von Erich Ohser einen Klassiker der deutschen Comicgeschichte wieder aufleben zu lassen. Damit haben sie ein schweres Erbe angetreten, findet BORIS KUNZ.

Die Magie des »Schema F«

Comic | Fletcher Hanks‘ Bizarre Comic Kunst Fletcher Hanks war von 1939 bis 1941 Tagelöhner der US Comic-Industrie. Mit limitierten Mitteln schuf er bizarre Preziosen, die auf wenigen Seiten viel surreales Potenzial ausschöpfen. Dank eines Sammelbands des BSV-Verlags kann man Hanks nun neu entdecken. Was eine Zeitreise darstellt, die CHRISTIAN NEUBERT gerne unternommen hat.

Last Spaceman standing

Comic | Ivan Brandon (Autor), Nic Klein (Artwork): Drifter Band 1: Crash Ein Fremder ohne Erinnerung in einem Wüstenkaff, in dem das Recht meistens dem gehört, der am schnellsten schießt. Davon handelt die Comicreihe ›Drifter‹ von Autor Ivan Brandon und Zeichner Nic Klein. Das Besondere an diesem Western: Er spielt in einer fernen Zukunft auf dem Planeten Ouro. BORIS KUNZ hat sich auf den Trip eingelassen.

»Bei den Schlümpfen sind die Werte einfach mit drin«

Comics | Interview mit Uwe Zimmermann ›Die Schlümpfe‹ sind eine sehr gute klassische frankobelgische Comicserie. Und nach Überzeugung von Designer und Mediengestalter Uwe Zimmermann hat sie mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick meint: In einem Vortrag beim Internationalen Comic Salon Erlangen zeigte er am Beispiel des Albums ›Schlumpfissimus‹, dass hier gezielt mythologische Symbole eingesetzt werden. ANDREAS ALT hat sich nach der Veranstaltung mit Zimmermann unterhalten.