/

Undercover bei der »Rhino Force«

Roman | Richard Crompton: Hell’s Gate

Mit seinem Roman Wenn der Mond stirbt hat der britische Ex-Journalist und ehemalige BBC-Produzent Richard Crompton im letzten Jahr nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht.Nun liegt mit Hell’s Gate das zweite Abenteuer seines Massai-Polizisten Mollel vor. Nicht ganz so spektakulär und blutrünstig wie sein Vorgänger, der während der von Gewalt und Stammesfehden geprägten kenianischen Präsidentschaftswahl im Dezember 2007 spielte, führt sein neuer Fall Mollel in die kenianische Provinz und konfrontiert ihn mit Korruption und latenter Gewalt. Von DIETMAR JACOBSEN

Hells gateZum zweiten Mal schickt der in Nairobi lebende Brite Richard Crompton seinen Massai-Ermittler Mollel in die Spur. Undercover operiert der in dem nahe dem Nationalpark Hell’s Gate gelegenen kleinen Ort Maili Ishirini am Naivasha-See. Hier regieren Korruption und Selbstjustiz. Als scheinbar degradierter und in der kenianischen Hauptstadt in Ungnade gefallener Polizist muss sich Mollel bei der hiesigen, sich »Rhino-Force« nennenden Polizeitruppe erst einmal hinten anstellen. Und sich des Misstrauens erwehren, dass ihm von den vier Kollegen vor Ort entgegenschlägt.

Tod einer Blumenpflückerin

Hell’s Gate spielt ein gutes Jahr nach den Unruhen von 2007. Auch in der Provinz hat es im Gefolge der kenianischen Präsidentschaftswahlen blutige Zusammenstöße zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Ethnien gegeben. Die Erinnerung an die Massaker ist noch frisch, auch wenn in der verschlafenen Gegend rund um den idyllisch gelegenen See inzwischen wieder Ruhe und Ordnung zu herrschen scheinen. Ein paar Touristen sind deshalb wieder aufgetaucht. Chinesische Geschäftsleute sondieren so eifrig wie skrupellos das Terrain. Ansonsten leben die meisten Einwohner des kleinen Städtchens von den großen Blumenfarmen, auf denen man Rosen für den Export nach Europa züchtet.

Dass es unter der friedlichen Oberfläche dennoch gärt, merkt Mollel vom ersten Tag seines Einsatzes an. Misstrauisch wird jeder seiner Schritte von den sich nicht gerade als zimperlich erweisenden neuen Kameraden beobachtet. Dass er mit Collins Kiunga seinen alten Partner aus Nairobi wiedertrifft, der die schöne Anwältin Justine Oberkampf vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag auf eine geheimnisvolle Mission in die Gegend begleitet, macht ihn zusätzlich verdächtig. Und als er sich noch fragen muss, ob er aus Unachtsamkeit nicht eine Mitschuld am gewaltsamen Tod einer jungen Blumenpflückerin trägt, ist er bereits längst in die Schusslinie von Kräften geraten, die mehr mit ihm, seinem Volk und seiner Vergangenheit zu tun haben, als er denkt.

Im Bann von Mythos und Magie

Mit Hell’s Gate entführt Richard Crompton seine Leser erneut in eine Welt, in der es Recht und Gesetz schwer haben. Die Polizisten, auf die Mollel angesetzt wurde, haben deshalb ihren eigenen Weg gefunden, um mit von korrupten Richtern und cleveren Anwälten geschützten Verbrechern fertig zu werden. Zunutze machen sie sich bei ihrer Art und Weise, Gerechtigkeit durchzusetzen, den Glauben des Volkes an Magie und mythische Kräfte. Mörder aber sind sie nicht.

Mit den Kapiteln, die in die Kindheit des Massai Mollel zurückblenden und damit in eine Zeit, die nicht nur längst vergangen sondern auch nicht zurückholbar ist, widmet sich der Autor diesmal vor allem dem Problem der Modernisierung der ursprünglichen afrikanischen Stammesgesellschaften. Dass deren Überführung in funktionierende Demokratien nach europäischem Vorbild nicht von heute auf morgen möglich ist, hat er schon im Vorgängerroman Wenn der Mond stirbt gezeigt, wo demokratische Wahlen blutige Gemetzel nach sich zogen. Aber welches ist der beste Weg, den eine Gesellschaft einschlagen soll, die nicht mehr ganz dem Gestern verhaftet, aber auch noch längst nicht im Morgen angekommen ist?

Ein gewalttätiges Zurückdrehen der Uhr bringt jedenfalls weder Kenia noch dem ganzen Kontinent etwas. Mit dieser Erkenntnis ist Cromptons Held am Ende in der Lage, sich auf die richtige Seite im Kampf um die Zukunft seiner Heimat zu schlagen. Auch wenn er mit dieser Entscheidung in Widerspruch zu seiner Herkunft gerät.

| DIETMAR JACOBSEN

Titelangaben
Richard Crompton: Hell’s Gate
Deutsch von Christine Blum
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2015
300 Seiten. 14,90 Euro

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Augen auf!

Nächster Artikel

Portrait des Widerstands

Weitere Artikel der Kategorie »Krimi«

Die Regie drückt ein Auge zu

Film | Im TV: ›TATORT‹ Das Haus am Ende der Straße (HR), 22. Februar Durch einen Querschläger wird ein kleines Mädchen tödlich verletzt. Vor Gericht wird der Täter allerdings freigesprochen, weil der Anwalt die Aussage von Kommissar Steier, der in der Nacht vor dem Einsatz ausgiebig gezecht hatte, infrage stellt. Steier ist außer sich. Er quittiert den Dienst und verfolgt Nico Sauer, der die tödlichen Schüsse abgegeben hatte. Von WOLF SENFF

Verfolgung vom Feinsten

TV | Film: TATORT ›Verfolgt‹, 7. September Welch dramatische Eröffnung und das mit sparsamen Mitteln: Treibende Musik, Davonlaufen, bissel panisch umsehen nach dem Verfolger. Geht also. Fängt gut an. Und immer sind es die süßesten Hunde, die zu den grässlichen Untaten hinführen, ist das nicht schrecklich. Dann noch einmal Musik, nicht sensationell, aber passend. Von WOLF SENFF

Ein Psychopath kommt nach Miami

Roman | Charles Willeford: Miami Blues Auch Thriller haben erste Sätze, die in den Bann ziehen können. So wie der in Charles Willefords 1984 zuerst erschienenem Roman Miami Blues. »Frederick J. Frenger jun., ein unbekümmerter Psychopath aus Kalifornien, bat die Stewardeß in der ersten Klasse um ein weiteres Glas Champagner und Schreibzeug«, heißt es da in der deutschen Übersetzung, die der sich schon emsig um das Werk von Ross Thomas kümmernde Berliner Alexander Verlag soeben in erweiterter und neu durchgesehener Auflage herausgebracht hat. Von DIETMAR JACOBSEN

Detektive sind wieder in

Roman | Lisa Sandlin: Ein Job für Delpha 14 Jahre hat Delpha Wade im Gefängnis von Gatesville/Texas gesessen. Und während dieser Zeit die Beatles, die Beach-Boys, die Supremes und Gott weiß noch welche Superband der goldenen sechziger Musikjahre verpasst. Nun ist sie wieder draußen und sucht einen Job. Man schreibt das Jahr 1973 und mithilfe ihres eifrigen Bewährungshelfers kommt Delpha in einem eben gegründeten Detektivbüro unter. Klar, dass da die Probleme nicht lange auf sich warten lassen. Von DIETMAR JACOBSEN

Auf sein Gefühl vertrauen, kann manchmal tödlich sein

Roman | Candice Fox: 606

Aus dem fiktiven Hochsicherheitsgefängnis Pronghorn in der Wüste Nevadas entfliehen fast sämtliche Insassen, 606 teils schwerkriminelle Häftlinge. Captain Celine Osbourne, die Leiterin des Todestrakts der Anstalt, ist vor allem daran interessiert, einen der Flüchtigen schnell wieder einzufangen: John Kradle, vor fünf Jahren wegen dreifachen Mordes verurteilt. Der freilich will die unverhoffte Gelegenheit dazu nutzen, endlich seine Unschuld zu beweisen und den wahren Mörder seiner Frau, seines Sohnes und seiner Schwägerin zu finden. Allerdings heftet sich gleich als die Gefängnismauern hinter ihm liegen ein gefährlicher Psychopath an seine Fersen. Und auch U.S. Marshal Trinity Parker, nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel, setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um die entwichenen Schwerverbrecher schnellstmöglich wieder hinter Gitter zu bringen. Condice Fox 606 gelesen von DIETMAR JACOBSEN