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Jugendbuch | Tracy Holczer: Löffelglück

Trauer macht manchmal blind für neue Wege und Möglichkeiten, für angebotene Hilfestellung und Freundschaft. Das braucht es Geduld von allen Seiten, bis es wieder so etwas wie Glück geben kann. Von ANDREA WANNER

LoeffelglückGrace hat ihre Mutter durch einen tragischen Unfall verloren. Schrecklich für sie, dass es vorher einen der seltenen Streits zwischen Mutter und Tochter gab, die ein besonderes Verhältnis zueinander hatten. Sehr jung und schwanger war Grace’ Mutter von zu Hause weggeschickt worden, zu Verwandten. Grace Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Und die junge Frau begann mit ihrer in der Fremde geborenen kleinen Tochter eine rast- und ruhelose Reise quer durch Amerika. Die wenigen Habseligkeiten waren immer schnell zusammengepackt, kaum waren sie an einem Ort angekommen, hatten sich ein bisschen eingelebt, ging es bereits weiter. Nun soll es für Grace auch damit vorbei sein: sie soll bei ihrer Großmutter, jener Frau, die sie für all den Kummer verantwortlich macht, ein neues Zuhause finden.

Grandma ist auf den ersten Blick nicht das erwartete Monster. Freundlich und mit viel Rücksicht auf Grace versucht sie, erste Brücken zu bauen. Sie ist nicht die Einzige. Auch an der neuen Schule gibt es Offenheit und Angebote, in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Grace kann damit nicht umgehen. Sie will trauern und einzig den Zeichen folgen, die ihr ihre Mutter schickt: Kraniche, die diese aus Schrottteilen zusammensetzte und verkaufte. Im Inneren immer eine kleine Botschaft verborgen. Und Kraniche tauchen plötzlich und unerwartet an den unterschiedlichsten Orten auf. Grace ist sich sicher, mit ihrer Ablehnung und Weigerung auf dem richtigen Weg zu sein.

Tracy Holczer verarbeitet eine Menge Material in ihrem Debütroman. Viele Personen mit eigenen Schicksalen, viele Verknüpfungen und Verschränkungen, viele »magische« Zeichen und Dinge. Dass es nicht zu viele werden, liegt an dem roten Faden, der sich geschickt durch die Geschichte zieht: die Liebesgeschichte zwischen den Eltern von Grace, die wiederum eng mit der Lyrik des amerikanischen Dichters Robert Frost verbunden ist. Während sich das Leben von Grace in der neuen Umgebung langsam und zunächst fast unmerklich in eine hellere Zukunft bewegt, führen die Begegnungen mit Menschen, die ihre Eltern kannten, konsequent zurück in die Vergangenheit und zu Ereignissen, von denen ihre Mutter nie redete.

Vergangenheitsbewältigung, die andere nicht geleistet haben, wird die Aufgabe von Grace, um hinter den verworrenen Rätseln am Ende den eigenen Weg zu finden. Dabei spielt die Natur eine große Rolle, dazu braucht es den Mut, sich auf Menschen einzulassen, und Selbstvertrauen. All das findet sich zwischen den ausnehmend schön gestalteten Buchdeckeln, mit einer Gänseblümchenkette, in denen die gelbe Mitte tatsächlich aus schimmerndem Gold besteht.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Tracy Holczer: Löffelglück
(The Secret Hum of a Daisy, 2014), aus dem Englischen von Annika Ernst
Hamburg: Königskinder 2014
320 Seiten, 15,90 Euro
Ab 12 Jahren
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