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»Sex, drugs and Rock ‚n‘ Roll« oder: »The times they are a-changin‘«

Bühne | Badisches Staatstheater Karlsruhe: Dylan – The Times they are a-changin’

Er gilt als eine der schillerndsten Figuren der Rockgeschichte und einer der musikalischen Heroen des 20. Jahrhunderts, Robert Allen Zimmerman, besser bekannt als Bob Dylan. Genauso wie er an der Spitze vieler Protest- und Widerstandsbewegungen stand, genauso – musikalisch und in seiner Lebensfülle bewegend – abwechslungsreich verlief die Karriere des mittlerweile über 70jährigen bisher. Egal, ob er die Richtung seiner Songs – vom Folksong bis hin zur Protestballade, vom Rocksong bis hin zu fast schon missionarisch anmutenden Liedern änderte, stets hat er seine Fangemeinde begeistert und hält sie immer noch in Atem.
Von JENNIFER WARZECHA

DylanDas liegt zum einen an Dylans Neigung, rebellisch zu sein, zum Anderen daran, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen, wie es der Singer und Songwriter nach einer persönlichen und beruflichen Schaffenskrise und nach dem Abdriften in seltsam anmutende religiöse Kreise unter Beweis stellte, seinerzeit den Grammy gewann, weiterging und sogar schon für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde. Was aber verbirgt sich noch hinter solch einer Persönlichkeit, die weltweit so gefeiert wird, was ergründet sie tief im Innersten? Genau das fragt man sich nach einem drei Stunden (eine Pause) dauernden musikalischen Revue-Abend über Bob Dylans Werk, wie er unter der Regie und musikalischen Leitung von Heiner Kondschak, mit Bühnen und Kostümen von Nadia Fistarol und unter der Dramaturgie von Jan Linders, im Badischen Staatstheater veranstaltet wurde.

Und egal, wie sehr das Stück, das acht Jahre lang bis heute auf verschiedenen Bühnen wie in Heidelberg, Darmstadt, Karlsruhe und Berlin aufgeführt worden ist, medial gefeiert und dementsprechend befeuert worden ist: Inhaltlich beantwortet wird die Frage nicht.
Positiv fallen die Frauenstimmen von Monika Wiedemer (stimmgewaltig und gelungen in verschiedenen Rollen als Lowndes, Reporterin, Hillary Clinton, Krankenschwester, Reporterin, Dolmetscherin, Marlene Dietrich, Joan Baez, Polizistin oder Liz Taylor zu sehen) und Anna-Magdalena Beetz (sexy, grazil und authentisch in ihrer Frauenrolle und unter anderem als Monica Lewinsky zu sehen). Ihnen gelingt hervorragend der Spagat zwischen den Rollen als Sängerinnen und Musikerinnen sowie Schauspielerinnen. Leider kann man das gerade von der Hauptrolle, verkörpert vorrangig von Florian Hertweck nicht behaupten, wenn er auch im Nachgang von Generalintendant Peter Spuhler als Karlsruher Urgestein gefeiert wird. Und auch dessen Doppelbesetzung, Benjamin Berger, kann das nicht leisten.

Hertweck liefert zwar in der Rolle des Entertainers eine gute Show ab, die das Publikum auf oberflächlicher Basis zumindest begeistert. Von der Stimmgewalt her reicht er noch lange nicht an das Original, die Person Bob Dylans, heran. Und auch schauspielerisch wirkt er zwar buchstäblich gerade dann komisch, wenn er den Sänger in seiner schlimmsten Krise, von Alkohol zermürbt und buchstäblich zerstört, verkörpert. Dann, als er auf der Bühne herum torkelt, immer wieder auf den Bühnenboden fällt (vom Diskostil der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts her passend mit Glitterlook und entsprechender Bühne gestaltet, passend dazu auch die entsprechenden Kostüme: Nadia Fistarol) und von den Umstehenden immer wieder ans Mikro gestellt wird, an dem er schleppend die entsprechenden Songtexte formuliert.

Als Frauenheld und Sänger nicht überzeugend: Florian Hertweck

DYLAN38Gerade die Szenen vorher, in denen er am härteren Drogenkonsum laut Begleittext und Inszenierung schier zu zerbrechen droht, scheitert er. Er wirkt zu bleich und anti-rebellisch, auch vermeintlich masochistische Aussagen zu einer seiner zahlreichen Frauen und Affären formuliert er recht brav, wenn auch mit Augenzwinkern, das aber in den entsprechenden Szenen nicht durchsetzungsstark genug wirkt. Aber gerade diese Szenen, in denen oben genannte Damen in die verschiedenen Rollen der Ex-Ehefrau Dylans oder diverser Geliebter schlüpfen, wenn sie sich lasziv an ihn räkeln und den Geschlechtsakt mit ihm zusammen symbolisieren, sorgen, wenn auch in zu sehr übertriebener, geradezu lächerlich erscheinender Art und Weise dafür, dass der Hero des Rock auch als Frauenheld gefeiert wird. Das wiederum wirkt im Zeichen verschiedener anderer Singer und Songwriter wie Dylans Vorbild Frank Sinatra (1915-1998) schon wieder zu vorhersehbar und klischeemäßig. Bei aller Komik und allen Genusses des Publikums an 20 ausgewählten Bob Dylan-Hits wie ›Forever young‹, ›Blowin‘ in the wind‹, ›Lay, Lady, lay‹ oder ›The times they are a-changin‘‹ stellt sich die gesellschaftskritische Frage: Müssen wirklich alle Rockstars erst an »Sex, drugs and Rock ’n‘ Roll« aufblühen und am Ende genau daran zugrunde gehen? Bzw.: Muss solch ein Klischee mal wieder an einem musikalischen Abend, einer Revue über ein Lebenswerk eines bekannten Sängers, bedient werden?

Und trotz der einordnenden, das Schauspiel unterstützenden und in die Geschichte der Zeit einordnenden Kommentare von Hagen von der Lieth, samt ihrer historischen Angaben, wirkt die Inszenierung reichlich inhaltsleer, wenn man den Anspruch an eine entsprechende gehaltvolle schauspielerische Darstellung erhebt. Der Zuschauer, der Rockkonzerte liebt und am liebsten zu den Klängen des Rockpoeten im Sitz mitschwingt, kommt dank des Unterhaltungswerts eines Rock-Konzerts trotz gerade der nicht-überzeugenden Stimmgewalt der Sänger dennoch auf seine Kosten. Dieses ist es wohl auch, was zahlreiche junge Zuschauer in die Reihen des vollen Großen Hauses gebracht hat.

DYLAN45Sicherlich liegt die überbordende Begeisterung des Publikums aber auch an Heiner Kondschak, der einigen Karlsruher Theatergängern aus ›Kaspars kurzer Traum vom Glück‹ oder als Moderator des Spielzeitcocktails des letzten Theaterfestes bekannt sein dürfte. Er begeistert das Publikum in der Dylan unterstützenden Band mit kraftvollen Mundharmonika-Klängen und ausdrucksstarken Gitarrenriffen und beendet zusammen mit Band-, Schauspiel- und Gesangskollegen die letzte Vorstellung des musikalischen Revue-Abends, der eben über acht Jahre hinweg Zuschauer an Spielstätten unter anderem in Karlsruhe, Heidelberg, München, Darmstadt und Berlin hinweg begeisterte. Erst nach drei Zugaben entlässt der tosende Applaus der Zuschauer die Truppe. Und trotzdem bleibt die Frage offen: Wie genau wurde das Rock-Idol Bob Dylan eigentlich zu dem, was er heute ist – zum Rock-Idol eben?!

| JENNIFER WARZECHA
| Fotos: JOCHEN KLENK

Titelangaben
Badisches Staatstheater Karlsruhe: Dylan – The Times they are a-changin’
Regie: Heiner Kondschak
Bühne und Kostüme: Nadia Fistarol
Dramaturgie: Jan Linders

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