Kinderbuch | Annie Kelsey: Pippas Tagebuch. Eine Freundin muss her
Eine beste Freundin zu haben, ist wunderbar. Sie zu finden, nicht leicht. Wer ganz schnell und unbedingt eine haben will, greift manchmal zum falschen Mittel. Wie Pippa. Annie Kelsey durfte Pippas Tagebuch lesen. Von MAGALI HEISSLER
Pippa ist zehn und erlebt die größte Katastrophe ihres Daseins. Ihre beste Freundin zieht weit fort. Wie soll das Leben nur weitergehen?
Das Leben hat so seine Ideen. Eine davon ist es, dafür zu sorgen, dass Catie Pippas neue Banknachbarin wird. Catie ist zufällig das coolste Mädchen der Klasse. Pippa ist hingerissen. Als sich ergibt, dass die beiden sich ganz gut verstehen, weiß sie sofort, dass Catie ihre neue beste Freundin werden muss. Um das zu erreichen, behauptet sie kühn, dass sie beim Casting einer Fernseh-Talentshow nicht nur dabei, sondern auch recht erfolgreich war. Als Sängerin.
Der Haken an der Sache ist, dass Pippa keinen Ton singen kann. Das allerdings ahnt Catie nicht. Es ist nur normal, dass sie erwartet, dass Pippa beim Schulfest auftritt. Was soll Pippa nur tun? Die Wahrheit wäre das Ende der neuen Freundschaft.
Aber eine Freundschaft, die auf einer Lüge basiert, ist keine, das ist Pippa genauso klar. Die Wolken am Kinderhimmel werden immer dunkler.
Flott erzählt
Die Handlung ist recht einfach, sie wird auch schlicht erzählt. Herausforderungen an kleine Leserinnen gibt es nicht. Es geht vor allem um Spannung und Gefühle. Trotz des Problems mit der Lüge ist und bleibt die vorgestellte Welt heil.
Was die Langeweile verhindert, ist Pippas munterer Ton, wenn auch nur haarscharf. Als Figur im Kinderbuch ist sie einfach zu lieb angelegt. Das gilt auch für alle anderen, die hier auftreten.
Die Geschichte richtet sich an ein Publikum, das gewohnte Bahnen nicht verlassen will. Dafür wird es gründlich verwöhnt. Die Spontaneität einer Zehnjährigen, die Schwärmerei für einen Popstar, die Momente des Lebens nur im Superlativ, gleich, ob schön oder schlimm, der tagesaktuelle Jargon, sind sehr gut eingefangen und von Sophie Härtling schwungvoll übersetzt. Kleine Leserinnen werden sich rasch in einem vermeintlich vertrauten Alltag wiederfinden und der Auflösung entgegenfiebern.
Pippa plappert drauflos, ein sprudelnder Wasserfall. Sie ist nicht ohne Witz, vor allem aber ist sie auf dem Papier ehrlich. Dadurch entdeckt man auch Wesenszüge an ihr, die nicht ganz so oberflächlich sind, wie Pippa auf den ersten Blick zu sein scheint. Ihre Neugier auf andere, etwa, ihre Abenteuerlust, ihre Verletztheit wegen des Verlusts der Freundin, ihre Sehnsucht nach einer neuen Freundschaft, in der sie sich geborgen fühlen kann. Es ist eben diese übergroße Sehnsucht, die sie in Schwierigkeiten bringt.
Kelsey beschränkt sich nicht auf den Konflikt zwischen Kindern, sondern fügt einen eigentlichen Grund für Pippas Empfindlichkeit hinzu. Das Thema der getrennt lebenden Eltern wird aber genauso flott abgehandelt, echte Tiefe kommt nicht auf.
Witzige Illustrationen
Da in einem Tagebuch nicht nur geschrieben, sondern auch gekritzelt und gezeichnet wird, darf diese Zusatzausstattung nicht fehlen. Smileys, Porträts, Vignetten, Schnappschüsse begleiten das Erzählte. Dazu gibt es die beliebten Listen, etwa von den Dingen, die Pippa mag, von Leuten, die auf Pippa sauer sind, oder auch, wenn sie ihre Gedanken sammelt, weil sie eine Entscheidung treffen muss. Das wiederum ist wirklich klug von ihr.
Kritzeleien schmücken die Seitenränder. Und natürlich sind die Überschriften unterstrichen. Die Illustrationen sind ebenso witzig wie der Text, bleiben aber auch genauso an der Oberfläche. Es ist Wohlfühllektüre auf jeder Ebene. Dass Einband und Vorsatz pink sind, der Einband noch dazu goldverziert, hätte man jetzt nicht gesondert erwähnen müssen, oder?
Putzig, witzig, knuffig, süß, das fällt einer bei der Lektüre und beim Betrachten ein. Kleine Leserinnen, die gern Alltagsgeschichten lesen, sind gut bedient damit. Die Handlung ist für sie so spannend gemacht, dass sie sicher auch Kinder am Lesen hält, die mit längeren Geschichten am Stück noch Schwierigkeiten haben. Pippas Tagebuch ist also auch ein Stückchen Leseverführung.
Titelangaben
Annie Kelsey: Pippas Tagebuch. Eine Freundin muss her
(Pippa Morgan’s Diary, 2014) Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Härtling
Hamburg: Rowohlt Rotfuchs 2016
157 Seiten, 9,99 Euro
Kinderbuch ab 8 Jahren
Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Leseprobe