Digitales | Games: Tokyo Mirage Sessions #FE
So viel vorweg: ›Tokyo Mirage Sessions #FE‹ wurde für den japanischen Markt entwickelt. Das verrät schon einiges, oder? Zumindest erwarteten die Entwickler offensichtlich keinen allzu großen Umsatz in Europa, denn es wird ausschließlich ein englischer Bildschirmtext in japanischer Sprachausgabe geboten. Zudem ist der Name des Hauptcharakters »Itsuki Aoi «für den Standard-Europäer nicht ohne Grimassen auszusprechen. Wenn das alles nicht abschreckt: Macht euch bereit für eine bunte Mischung voller Kitsch und Absurdität! Liebe Anime-Fans, hier ist TMS. Von PHILIPP LINKE.
Erst mal von vorne. TMS beginnt mit einer wunderschön animierten Videosequenz, die den Grundstein der Geschichte legt. In einer Bühnenshow eines beliebten Künstler-Duetts tauchen plötzlich zwei Geister auf und entführen alle Anwesenden – bis auf Tsubasa, die kleine Schwester der Sängerin. Mehrere Jahre später ist eben diese auf dem besten Weg in die Fußstapfen ihrer verschollenen Schwester zu treten und bei einer Talentshow zum Popsternchen zu werden. Es kommt, wie es kommen muss: Die Geister, die schon Tsubasas Schwester entführt haben, ruinieren auch dieses Mal die Show und lassen alle Zuschauer verschwinden.
In der Rolle des eigentlichen Protagonisten Itsuki, der nicht allzu viel vom Showbusiness hält, stürmt ihr als Spieler in einem Anfall von Heldenmut hinterher und landet in einer seltsamen Parallelwelt. Hier trefft ihr auf den Geist von Chrom, einem Charakter aus dem ›Fire Emblem‹-Universum. Dieser hat leider keinerlei Erinnerungen mehr an seine Vergangenheit, erklärt aber, dass er – wie die anderen Geister – ein Mirage sei, eine Lebensform, die sich von der »Performa« der Menschen ernährt. Von Chrom erfährt Itsuki auch, dass es zudem den Menschen wohlgesinnte Mirages gibt, welche die Bösen bekämpfen. Letztlich können sogar Menschen, die besonders starke Performa besitzen mit den guten Mirages verschmelzen und sich im ›Sailor Moon‹-Stil in Krieger des Guten, sogenannte Mirage-Masters, verwandeln. Eine geheime Organisation engagiert die Mirage-Master, um Übergriffe der verfeindeten Seite zu verhindern und den Geschehnissen auf den Grund zu gehen. Ein Schulfreund von Itsuki, Touma, ist dieser Organisation bereits beigetreten und nur wenig später befinden sich die drei Hauptcharaktere, d.h. Itsuki, Touma und Tsubasa mitten im Geschehen – und auf der Suche nach der verschwundenen Schwester.
Bühne frei
Falls ihr euch nicht gerade in der Mirage-Parallelwelt befindet, lauft ihr quer durch Tokyo, meistens Shibuya, erledigt kleinere Missionen oder bereitet euch auf den nächsten Dungeon vor. Diese werden »Idolasphere« genannt, tauchen immer an Orten von Mirage-Aktivitäten auf und sind abstrakte Orte, die wie Alpträume wirken, aber immer Themen aus dem Entertainment-Bereich aufgreifen, wie zum Beispiel verrückte Verkleidungen. In diesen Sphären geht es hauptsächlich darum, Monster zu bekämpfen und einen Endgegner zu finden, der sich irgendwo im Labyrinth versteckt. Monster erscheinen zufällig in einheitlicher, geisterhafter Form in unterschiedlichen Farben, welche die Schwierigkeit des Kampfes anzeigt. Sobald sie euch sehen, laufen sie auf euch zu, wobei ihr mit einem gut getimten Schlag eurer Waffe einen kleinen Vorteil erkämpfen könnt. Die Kämpfe selbst sind als Bühnenshow inszeniert, bei der bis zu vier Monster und drei eurer Teammitglieder gegeneinander antreten. Das Ganze geschieht rundenbasiert, wobei auf einem Zeitstrahl angezeigt wird, wer als nächstes an der Reihe ist. Die Angriffstypen sind dabei ›Fire Emblem‹-typisch in Schwert, Speer, Axt und verschiedene Magietypen einzuordnen. Bei unbekannten Gegnern sind die Schwächen zunächst durch Ausprobieren herausfinden, danach werden sie euch aber automatisch angezeigt. Der besondere Clou des Kampfsystems sind die Kombos, genannt »Sessions«, bei welchen eure Helden nach einem effektiven Schlag direkt nacheinander Angreifen. Um das zu erreichen, müsst ihr eure Fähigkeiten geschickt ausbauen und auf die Gegnertypen des jeweiligen Dungeons anpassen.
Während des Kampfes verwandelt sich der jeweilige verbündete Mirage in eine Waffe, welche neben eurem Charakter ebenfalls Erfahrungspunkte erhält und dadurch neue Fähigkeiten freischaltet, welche ihr dann im Hauptquartier aktivieren könnt. Auch neuartige Waffentypen und passive Skills lassen sich auf diese Weise herstellen. Die Materialien dafür sammelt ihr wie gewohnt von Monstern ein.
Ein Großteil der Story läuft über den Touchscreen des Gamepads ab, der ein Chatprogramm anzeigt, über das sich die Charaktere unterhalten. Da der Bildschirm des Gamepads wie gemacht für Smartphone-Anwendungen ist, funktioniert das sehr gut. Im Kampf könnt ihr außerdem Details zu euren Helden und den Monstern auf dem Gamepad sehen. Dafür kann man das Spiel leider nicht ohne Fernseher spielen, da das Pad praktisch immer benötigt wird.
Viele Menschen, aber keiner zum Reden
Abgesehen von den Kämpfen gibt es in den Dungeons leider nicht viel zu tun. Ab und zu lässt sich eine kleine Nebenmission oder ein besonders schwieriger Gegner finden. So wird es schnell langweilig, wenn man zum dritten oder vierten Mal in den gleichen Dungeon geschickt wird, um für Nebenmissionen bestimmte Monster zu jagen, die zudem nur zufällig erscheinen. Diese Zusatzmissionen sind zwar optional, allerdings macht das Kennenlernen der einzelnen Figuren einen großen Reiz des Spiels aus und obendrein winken Belohnungen wie neue Waffen oder Fähigkeiten.
In der realen Welt Tokyos werden die Menschenmassen durch stilvolle bunte Schatten dargestellt. Das spart natürlich ordentlich Grafikleistung, passt aber zum bunten Stil des Spiels. Ein paar Menschen lassen sich auch ansprechen, diese sind dann vollständig in 3D dargestellt und reden meistens darüber, wie toll sie eine bestimmte (fiktive) Sängerin finden oder wie sehr sie auf Videospiele stehen. Irgendwie vermisst man hier die gemütlichen Dörfer traditioneller JRPGs, auf denen jeder Einwohner seine eigene kleine Geschichte hat. Abgesehen von den Menschenmassen existieren auch Supermärkte, in denen ihr ganz normale Artikel erwerben könnt, die euch im Kampf helfen. So könnt ihr mit Curry einen gefallenen Kameraden wiederbeleben oder mit einem Softdrink die Gesundheit verbessern. Beim Juwelier lassen sich Ringe erwerben, die eure magischen Fähigkeiten verbessern. Kostüme schaltet ihr hingegen im Laufe der Story oder durch Nebenmissionen frei. Viel zu erkunden gibt es in Shibuya & Co leider nicht, da immer nur ein sehr kleiner Bereich der Stadt oder ein bestimmtes Gebäude betreten werden kann.
Fazit
Im Vergleich zur Playstation wird auf der WiiU bisher sehr wenig Rollenspielkost geboten. Mit TMS gibt es jetzt immerhin einen weiteren Kandidaten, der das Rampenlicht nicht scheut und mit einer knallbunten Story und dem Fokus auf japanischer Pop-Musik und -Kultur mehr als nur aus der Reihe tanzt. Dabei bleibt das Gameplay im Wesentlichen traditionell mit kleinen Abwandlungen. Die witzige Story mit teilweise sehr schmutzigem Humor hat sehr gut gefallen. Auch die Kämpfe waren unterhaltsam und abwechslungsreich und auf dem Schwierigkeitsgrad »Normal« ohne viel Training gut machbar. Technisch gesehen gewinnt das Spiel heutzutage keinen Preis mehr. Das liegt zum einen an der sehr einfach gehaltenen Grafik, aber auch an Kleinigkeiten wie zum Beispiel fehlenden automatischen Speicherpunkten. Da es schnell mal passiert, dass man in Dungeons einem zufällig erscheinenden, übermächtigen Monster begegnet, kann der Game-Over-Bildschirm schnell für Frustmomente sorgen. Immerhin kann man jederzeit manuell speichern und ist nicht auf Speicherpunkte angewiesen.
Zusammenfassend ist TMS einen Blick wert, wenn ihr auf traditionelle japanische Rollenspielkost steht, euch von dem quietschbunten Stil nicht abschrecken lasst und vor allem kein Problem mit englischen Untertiteln habt. Vorkenntnisse aus der Pop-Musik-Szene sind nicht vonnöten. Wer allerdings mehr ›Fire Emblem‹ erwartet, der ist hier an der falschen Adresse, da die Charaktere der Serie kaum eine Rolle spielen.
| PHILIPP LINKE
Titelangaben
Tokyo Mirage Sessions #FE
Nintendo
exklusiv erhältlich für die WiiU.
55,77 Euro UVP