Digitales | Games: Halo Wars 2
Echtzeitstrategie auf einer Spielekonsole? Mit Controller? Dazu noch als Ausschlachtung einer bekannten Videospielreihe? »Das wird nichts!«, dachten da viele, als 2009 ebendies mit ›Halo Wars‹ erschien. Schnell wurden sie eines Besseren belehrt, das Spiel machte sich unverhofft einen Namen. Nun, gut 8 Jahre später, erscheint der Nachfolger – in einer Zeit, in der den Echtzeitstrategiespielen der Rang abgelaufen worden zu ein scheint. FLORIAN RUSTEBERG schaut mal nach.
Waren sie früher noch das beherrschende Subgenre der Strategiespiele, so dominierten zuletzt rundenbasierte Konzepte wie in ›Civilization VI‹, ›XCOM 2‹ und ›Banner Saga‹ den Markt. Der Aspekt der schnellen, situationsbedingten Entscheidung wird hingegen durch MOBAs wie ›League of Legends‹ abgedeckt. Titel wie ›Dune‹, ›Command & Conquer‹ und ›Company of Heroes‹ waren die Pioniere und Größen der Echtzeitstrategiespiele. Aktuellen Spielen mangelt es jedoch nicht an Qualität, sondern an Bekanntheitsgrad und Reichweite, siehe ›Homeworld: Deserts of Kharak‹ aus dem Jahr 2016. Es ist also an der Zeit, den Massenmarkt für die Echtzeitstrategie zurückzuerobern, dachte man sich bei Microsoft. Dafür wurde das Studio Creative Assembly engagiert, das für die erfolgreichen ›Total War‹ Spiele verantwortlich ist. Beste Voraussetzungen also, auf die Grundsteine des ersten ›Halo Wars‹ und eine weit verwurzelte Hintergrundgeschichte zurückzugreifen.
Die Handlung setzt 28 Jahre nach dem Ende des Vorgängers an. Die Besatzung der »Spirit of Fire« opfert damals ihren Antriebsreaktor und driftet seither im friedlichen Gefrierschlaf durch den Weltraum. Das ändert sich aber schnell, als es sie an einen aus der ›Halo‹-Handlung wichtigen Ort verschlägt, die Arche. Auf dieser uralten, künstlichen Installation fand das Ende von ›Halo 3‹ statt und das Leben in unserer heimischen Galaxis wurde vor der Vernichtung gerettet. Einem Notsignal folgend wird den frisch Aufgetauten um »Captain Cutter« schnell klar, in welchem Schlamassel sie sich befinden. Die geborgene künstliche Intelligenz »Isabel« klärt auf, wie der Kontakt ihres Forschungsteams mit der Erde verloren ging und daraufhin von den Verbannten ausgelöscht wurde. Diese Abtrünnigen der ehemaligen Nemesis der Menschheit, der Allianz, werden von »Atriox« angeführt, einem genauso körperlich beeindruckenden, wie auch intelligentem »Brute«. Für die Einzelspieler-Kampagne ist es nun die Aufgabe des Spielers, die Marines im Kampf gegen die überlegende Macht zu steuern und einen Weg nach Hause zu finden.
Genau wie im ersten Abenteuer der »Spirit of Fire« findet dabei ein klassisches »Stein-Schere-Papier«-System zur Verwendung. Fahrzeuge schlagen Infanterie, Fahrzeuge haben eine Schwäche gegen fliegende Feinde und diese werden wiederum besonders fix durch die Infanterie vom Himmel geputzt. Ausnahmefälle bestätigen auch hier die Regel und so fallen bei ›Halo Wars 2‹ einige Einheiten, wie Fußsoldaten mit geringer Reichweite, aus dem Rahmen. Das ist gut, denn ohne solche Auflockerungen käme sonst früh Langeweile auf. Bei den gut sieben Stunden Kampagne bleibt Langeweile generell ein Fremdwort. Abseits der Missionen treiben gut gemachte Filmsequenzen die Handlung voran, die Ohren werden in gewohnt epochaler ›Halo‹-Manier verwöhnt. Schwach bleibt die Charakterentwicklung, wenn nicht schon die Vorgeschichte bekannt ist.
Vorwissen für die Mehrspielerpartien ist hingegen kaum nötig. Die Aufbauelemente sind spartanisch gehalten und Gebäude können nur auf dafür vorgesehenen Bauplätzen platziert werden. Um die zentrale Basis können sich Gebäude zur jeweiligen Gewinnung der beiden Ressourcen Nachschub und Strom, zur Rekrutierung der Einheitentypen und weiteren Forschung gruppieren. Eine wichtige Entscheidung fällt schon vor dem Beginn: die Wahl zwischen den beiden Konfliktparteien und ihrer Anführer. Sie bringen spezielle Fähigkeiten und Einheiten in den Kampf ein. Im Laufe der ersten Wochen ist die Anzahl der zur Wahl stehenden Anführer durch Erweiterungen von sechs auf acht angestiegen.
Messen können sich dir Spieler in Gefechten online gegen andere oder lokal gegen den Computer. Neben dem klassischen Ziel – der simplen Vernichtung des Gegners – sind zwei Modi dabei, in denen Gebiete gehalten werden müssen, die wiederum Punkte bringen. Bis zu sechs Spieler tummeln sich auf einem Schlachtfeld und entfesseln ein Fest der Zerstörung, das von pinkfarbenen Plasmaexplosionen im typischen ›Halo‹-Stil untermalt wird. Viel zu mäkeln gibt es hier nicht; alles funktioniert, wie es soll. Das Prinzip ist bewährt und die Spielmechanik ist ausbalanciert. Klingt alles zu langweilig und altbacken?
Etwas Neues und ganz Frisches ist auch dabei. Bei dem Spielmodus »Blitz«, der auch in der englischsprachigen Version so heißt, geht es schneller zur Sache. Der Basenbau entfällt, das Spielfeld ist kleiner und die Truppen werden, wie es der aktuelle Trend bei Videospielen ist, per Spielkarten auf das Feld gebracht. Diese Mechanik ist dem »großen« Bruder ›Halo 5: Guardians‹ entlehnt und zieht auch Inspiration von aktuell beliebten Kartenspielen wie ›Hearthstone‹ oder dem ›Witcher‹ Ableger ›Gwent‹. In Abhängigkeit vom Anführer können Kartendecks zusammengestellt werden, aus denen in der Partie Handkarten gezogen und mit Rohstoffkosten ausgespielt werden. Glück und Geschick bei schnellen Entscheidungen sind die Grundpfeiler von »Blitz«. Belohnt werden sie mit großen Materialschlachten, die sich schnell entwickeln und kurzweilig erscheinen. Auch wenn das das für Strategen nicht ganz perfekt klingt, wird hier ein Erlebnis geboten, das einfachen Spaß für zwischendurch ohne Anlaufzeit umsetzt.
Bei der Kontrolle der Einheiten hat sich zwar wenig getan, dafür aber zum Besseren. Die Steuerung per Controller geht nach wie vor gut von der Hand und bietet jetzt auch neue Komfortfunktionen, die im Echtzeitstrategiesegment schon längst etabliert sind. Nach kurzer Eingewöhnungszeit gehen alle Aktionen flott und auch auf dem Windows PC ist die angebotene Maus- und Tastatur-Alternative nicht zwingend die bessere Wahl.
Fazit
Die spirituelle Wiedergeburt der Echtzeitstrategie bewerkstelligt ›Halo Wars 2‹ zwar nicht, ein gelungenes Spiel ist es aber allemal geworden, verbessert es seinen solide Vorgänger doch in fast allen Punkten. Unerfahrenen und Genrefremden bietet es einen einfachen Einstieg in die Rolle des Befehlsgebers, wirklich neue Ideen werden aber nicht geboten. Neben dem guten Mehrspielermodus lohnt sich nicht nur der Blick in die Einzelspieler-Kampagne, denn auch die »Blitz«-Gefechte bringen frischen Wind. Für erfahrene Spieler mit Anspruch an Komplexität bietet die zweite Strategieauskopplung der ›Halo‹-Serie zu wenig Tiefgang, auf Konsolen ist das Spiel aber so gut wie konkurrenzlos.
Titelangaben
›Halo Wars 2‹
Microsoft, Creative Assembly
bereits erschienen
exklusiv für Xbox One und Windows 10
ab 59,95€