Digitales | Games: Nioh
›Nioh‹ – Das ›Dark Souls‹ im feudalen Japan. Damit lockten die Entwickler des exklusiv für die Playstation 4 erschienenen Rollenspiels. Bereits 2005 wurde ›Nioh‹ für die damalige Playstation 3 angekündigt, verschwand dann aber wieder von der Bühne. Letztes Jahr gab es schließlich wieder ein Lebenszeichen und plötzlich erschien das andere ›Dark Souls‹ im Februar auf dem Markt. Ist die lange Entwicklungszeit gerechtfertigt? Und hält ›Nioh‹ das, was es verspricht? Antworten sucht: LINH NGUYEN.
›Nioh‹ beginnt mit einer Beschreibung über den mystischen goldenen Stein Amrita, der wegen seiner Macht von der Regierung unter Queen Elizabeth I. für den Sieg gegen Spanien gesucht wird. Zu finden sei er in Japan, erzählt William, der Protagonist unseres Abenteuers. Zu Beginn der gemeinsamen Reise sitzt dieser, ein junger irischer Pirat, allerdings im Gefängnis des Tower of London fest. Mithilfe seines Schutzgeistes Saoirse, einem durch die Gebete seines Heimatdorfes entstandene Wesen, das William als Kind vor dem Tod gerettet hat und ihn seither beschützt, gelingt ihm die Flucht aus der Zelle.
Während ihres Ausbruchs treffen sie auf Edward Kelley, der ebenfalls nach dem Amrita forscht. Mit seinem eigenen Geist fängt er dafür Saoirse, die Kelley den Weg nach Japan weisen soll. Natürlich nimmt William direkt die Verfolgung auf und findet sich kurzerhand im Land der aufgehenden Sonne wieder. Als er dort einige die Gegend verwüstende Oni niedermetzelt, erregt er die Aufmerksamkeit von Hanzo Hattori, der schnell zu unserem Freund sowie Berater wird und uns auf unserer Suche nach Saoirse unterstützt. Abgesehen von unseren fiktiven Protagonisten handelt es sich bei vielen Nebendarstellern, wie etwa den Herrschern, um tatsächlich dagewesene Persönlichkeiten oder um 1600 existierende Gruppen – wie Ninjas, Samurai oder Kunoichi – und Schauplätze.
Die Story wirkt zunächst abgedreht, fängt die Atmosphäre und Stimmung aber passend ein. Das Setting im feudalen Japan ist hervorragend ausgewählt, der Charme des fernen, asiatischen Landes kommt deutlich zum Vorschein und hebt sich von der Finsternis und Kälte, wie wir sie aus ›Dark Souls‹ kennen, wunderbar ab. Leider kann ›Nioh‹ graphisch nicht überzeugen, befindet sich das Spiel eher auf einem guten Playstation-3-Niveau, denn auf den Standards der Playstation 4. Dafür trumpft es mit einer guten Performance durch mögliche butterweiche 60 Bilder pro Sekunde.
Gespielt werden kann in drei Modi – dem Action Mode, Movie Mode oder dem Mittelweg. Während der Action Mode versucht, das Spiel permanent auf 60 Bildern zu halten, strebt der Movie Mode eine stabile und gute Auflösung mit etwa 30 Bildern an. Im Test überzeugte vor allem der Action Mode, da die entsprechende Dynamik des Spiels, in Bezug auf das Reaktionsvermögen zum Blocken oder Ausweichen, durchaus von Vorteil ist.
Katana-Kampf-Kunst
Wie erwähnt, hat sich ›Nioh‹ die bekannte Spielreihe ›Dark Souls‹ zum Vorbild genommen. Sowohl einige Gameplay-Elemente, wie etwa das Kampfsystem, der knackige Schwierigkeitsgrad, die Struktur und der Aufbau der Areale sowie die epischen Bosskämpfe , ähneln der düsteren Vorlage sehr. Etwas anders ist hingegen das Prinzip des Blockens und Ausweichens, denn in ›Nioh‹ gibt es keine Schilder. Stattdessen verwenden wir unsere Waffen immer beidhändig (bis auf die Dual Katana) und wehren dementsprechend auch immer mit der Waffe ab. Das Ausweichen erinnert stark an die Technik bei ›Bloodborne‹ (auch von den ›Dark Souls‹ Machern), d.h. wir weichen zur Seite zurück oder nach vorne aus.
Auffällig ist die hohe Dynamik des Spiels, die uns irrsinnig schnell bewegen und ausweichen lässt. Trotz unserer Geschwindigkeit können wir natürlich von Gegnern getroffen werden – und diese Treffer können tödlich sein. Jeder Gegner, egal wie schnell er bezwungen werden kann, zieht uns – je nach Typ und Situation – pro Hieb durchschnittlich ein Drittel oder sogar die Hälfte unseres Lebensbalkens ab. Neben diesem haben wir zusätzlich einen Ausdauerbalken, der als KI bezeichnet wird. Durch Angriff, Blocken und Ausweichen verbrauchen wir KI, die sich aber schnell wieder erholt; mit einem sogenannten KI-Impuls können wir bei richtigem Timing die KI-Erholung sogar beschleunigen. Ist die Leiste leer und der Gegner holt zu einem fiesen Schlag aus, hat das für uns oft ein schnelles Ende zur Folge.
Das Waffenarsenal fällt im Vergleich zu Dark Souls etwas kleiner aus. Wir können uns zwischen den Waffenklassen Katana, Dual Katana, Speer, Axt und Kurasigami, einer sichelförmigen Waffe an einer Kette, entscheiden. Für den Fernkampf gibt es zudem Pfeil und Bogen sowie Gewehre, Rauch- oder Brandbomben. Mit etwas Ninjutsu, Magie und Übung gibt es für jeden Spieler die richtige Taktik.
Zu zweit im Kampf gegen die Dämonen
Offline Spielen ist heutzutage nicht mehr in Mode. Viele Entwickler integrieren deshalb eine Online-Funktion. Auch bei ›Nioh‹ können wir sämtliche Missionen, d.h. die knapp 18 Hauptmissionen und die 50+ Nebenmissionen, im Koop-Modus bewältigen; entweder in Absprache mit einem Freund oder mit einem zufälligen Spieler. Beim gemeinsamen Metzeln sind die Gegner und vor allem der Endboss insgesamt stärker, aber angesichts des geteilten Leides einfacher zu bewältigen, da sie ihre Aufmerksamkeit auf zwei Personen richten müssen. Während wir das Spiel im Singleplayer nach einem unwürdigen Versagen an einem Schrein, unserem letzten Checkpoint, neu starten, können wir im Koop von unserem Mitspieler wiederbelebt werden.
Misslingt die Wiederherstellung, verlieren wir die Hälfte unseres nur im Koop-Modus erscheinenden blauen Balkens. Verschwindet dieser infolge zu häufigen Ablebens, ist die Mission für uns beendet. Beim ganzen Spaß hat der Koop-Modus allerdings doch einen kleinen Haken: Zusammen lassen sich nur Missionen spielen, die bereits im Single-Modus abgeschlossen wurden. Hierbei ist es aber auch möglich, Hilfe aus den Weiten des Netzes anzufordern – ist der Gegner zu stark, kann ein zufälliger Onlinespieler heldenhaft zur Hilfe eilen.
Waffen, Rüstungen, Items und noch mehr Loot
»Wow! Ich habe eine seltene Waffe gefunden! Aber halt, Stopp! Diese Waffe ist noch besser! Bessere Fähigkeiten, Elementarschaden! Toll, toll, toll.« – keine seltenen Gedanken. Die Rollenspiel-Elemente kommen bei ›Nioh‹ nicht gerade kurz. Im Gegensatz zu ›Dark Souls‹ haben sämtliche Waffen und Rüstungsgegenstände zufällige Fähigkeiten sowie Seltenheitsgrade und werden ebenso willkürlich von besiegten Gegnern fallen gelassen. Der Wert der Belohnungen richtet sich nach dem Schwierigkeitsgrad der Missionen – umso mehr lohnt es, sich auch an den schwierigeren Leveln zu versuchen. Selbstverständlich kann im Koop auch gemeinsam »gefarmt« werden und das erarbeitete »Lootglück« geteilt werden. Wie bei ›Diablo‹ finden sich die richtigen Sammelkracher erst nach Abschluss aller Hauptmissionen bzw. Beendigung der Story.
Fazit
›Nioh‹ ist ein Überraschungshit, bei dem auch Fans der Dark Souls Reihe definitiv auf ihre Kosten kommen. Selbst erfahrene Spieler werden viel zu kämpfen haben und den einen oder anderen Todesbildschirm zu sehen bekommen, sei es mehrmals beim Endboss oder durch einen vermeintlich leichten Gegner. Die Lernkurve im Spiel ist dadurch hoch. Es lohnt sich, das Verhalten und Angriffsmuster der Gegner zu lernen und entsprechend reagieren zu können. Auch der Koop-Modus überzeugt und das Loot-System regt zum Wiederspielen an. Das dynamische Kampfsystem taugt und durch diverse Herangehensweisen bieten sich neue Möglichkeiten und Strategien. Mit 60 Bildern pro Sekunde läuft das Spiel wunderbar flüssig und bereitet Freude, leider müssen einige Abstriche bei der Optik gemacht werden, denn die Grafik bewegt sich lediglich auf Playstation 3-Niveau und schöpft die Möglichkeiten einer Playstation 4 nicht aus. Grafik-Freunde, die den Stil eines ›Final Fantasy‹ oder neuen ›Battlefield‹ erhoffen, werden an dieser Stelle enttäuscht. Wer sich davon aber nicht abschrecken lässt, auch Frustmomente gut wegstecken kann und Interesse an der japanischen Kultur hat, dem sei das Spiel bedenkenlos empfohlen.
| LINH NGUYEN
Titelangaben
Nioh
Sony Interactive Entertainment
seit Februar 2017 exklusiv erhältlich für die Playstation 4.
58,99 Euro UVP.