Digitales | Games: Shadow of the Colossus
Die Bezeichnung »Koloss« lässt die meisten Europäer wohl instinktiv an den Koloss von Rhodos denken, eine Bronzestatue, die dem Sieg der Rhodier gegen den Erorberer Demetrios I. Poliorketis Tribut zollte. Dieses antike Weltwunder wurde jedoch bereits im dritten Jahrhundert vor Christi Geburt infolge eines Erdbebens zerstört. Das japanische Entwicklerstudio Team ICO widmete sich in dem 2005 unter Sony Computer Entertainment erschienen ›Shadow of the Colossus‹ der Faszination kolossaler Bossgegner, welche die Hauptrolle im damals noch exklusiv für die Playstation 2 erschienenen Spiels einnahmen. Am 7. Februar 2018 erschien die von Blupoint Games überarbeitete HD-Version des Spiels. Ob die Neuauflage gelungen ist, testete SEBASTIAN BLUME.
Eine zweifelhafte Abmachung
Wie einst der Koloss von Rhodos fiel, so müssen auch die 16 Kolosse in ›Shadow of the Colossus‹ fallen. Als junger Recke machen wir uns auf, die übergroßen Kreaturen zur Strecke zu bringen, um… ja, warum denn eigentlich?
Die Geschichte beginnt mit einem jungen Krieger, der im Mondschein durch Gebirge und Wälder reitet; begleitet von einer jungen, in Weiß gekleideten Dame. Er hält ihren leblosen Körper fest in seinen Armen, um ihn behutsam in ein mystisches Land zu führen. Dort in einem Tempel angekommen, ersucht er eine uralte Macht, der jungen Frau neues Leben zu schenken. Diese Macht – Dormin genannt – offenbart sich in Form einer unheimlichen Stimme und willigt ein, sofern wir im Gegenzug die 16 im Land beheimateten Kolosse töten, welche die fleischgewordenen Manifestationen von Götzenbildern sein sollen. Fest entschlossen brechen der junge Recke und sein treuer Hengst Agro auf.
Auf Reisen in einer fremden Welt
Mehr von der Geschichte wird an dieser Stelle nicht verraten. Stattdessen soll die Spielwelt etwas beleuchtet werden. Der erste Blick über das märchenhafte Land fällt imposant aus. In der Ferne erhebt sich der genannte Tempel über das Tal. Eine riesige Steinbrücke führt aus dem Gebirge dorthin. Wir sehen dürre Wüsten, grüne Felder und Wälder. Auch Ruinen antiker Bauten zieren hier und dort das beeindruckende Panorama. Alles wirkt sehr unwirtlich; nicht für Menschen gemacht. Und obwohl es mitunter sehr spektakuläre und wunderschöne Orte zu bestaunen gibt, erweckt das Land einen trostlosen Eindruck. Die Atmosphäre in ›Shadow of the Colossus‹ ist fabelhaft. Damit wir uns in den Weiten der Welt nicht verirren, strecken wir unser Schwert gen Himmel. Hierbei reflektiert es das Sonnenlicht immer so, dass der Strahl direkt auf den nächsten Koloss fällt. Das hilft bei der Orientierung enorm. Wer sich nicht auf direktem Wege zum nächsten Koloss begibt, hat zudem die Möglichkeit, Früchte von Bäumen zu pflücken und zu verzehren. Das erhöht die Lebenskraft unseres Helden. Die etwas exotischere Spezialität sind Echsenschwänze, die uns bei Verzehr einen Bonus auf unsere Ausdauer bescheren.
David gegen Goliath
Im Zentrum des Spiels stehen die Kämpfe gegen die Kolosse. Jeder Kampf ist hierbei einzigartig. Alle Kolosse besitzen ein anderes Auftreten und ein spezifisches Verhalten. Das macht jede Begegnung mit ihnen zu etwas Besonderem. Dabei ist der Ablauf der Kämpfe zumeist recht ähnlich. Wir weichen den Angriffen der Kolosse aus und versuchen dabei ihre Schwachstellen ausfindig zu machen. Hierbei hilft erneut der reflektierte Sonnenstrahl. Neben unserem Schwert stehen uns noch Pfeil und Bogen zur Verfügung.
Obwohl die teils gigantischen Gegner um ein Vielfaches größer sind als unser Recke, können wir sie durch unsere Geschwindigkeit meist ausmanövrieren. Und dann heißt es: Ran an den Feind! Um die Schwachstellen der Kolosse erreichen zu können, müssen wir an ihnen hochklettern. Dazu nutzen wir ihr Fell oder auch Teile ihrer Rüstung. Hierbei ist es wichtig, die Ausdauer unseres Alter Egos im Blick zu haben. Geht ihm die Puste aus, droht er zu fallen, insbesondere da die Kolosse sich schütteln und winden, um sich unserer zu entledigen.
Sobald wir eine Schwachstelle erreicht haben, helfen ein paar beherzte Stiche mit dem Schwert. Eine Lebensanzeige zeigt unseren Fortschritt. Haben wir alle Schwachstellen ausfindig gemacht und hinreichend bearbeitet, bringen wir den Koloss zu Fall. Eine andächtige, fast schon melancholische Musik ertönt. Es erweckt ein mulmiges Gefühl. Jeder Sieg trägt einen faden Beigeschmack. Die sehr lebhafte Darstellung der Kolosse trägt dazu ebenso bei.
Nach unserem Sieg über einen Koloss erwachen wir wieder im Tempel, wo uns die Schatten der besiegten Kolosse beobachten und die Stimme unseres Auftraggebers Informationen über unseren nächsten Feind preisgibt.
Allen Widrigkeiten zum Trotz
Das Gameplay funktioniert grundsätzlich sehr gut. Die Kämpfe gegen die Kolosse sind stets spannend. Die ausgezeichnete Musik unterstreicht die Bedrohung und schlägt so manches Mal gar dramatische Töne an. ›Shadow of the Colossus‹ lässt den Spieler viel herumprobieren. Wir müssen sowohl den Gegner als auch die Umgebung beobachten, um eine Möglichkeit zum Gegenschlag zu offenbaren. Sollte uns das nicht gelingen, erhalten wir Tipps von unserem geheimnisvollen Auftraggeber. Deren Qualität schwankt allerdings stark. Manchmal offenbaren sie die exakte Strategie gegen unseren Gegner, in anderen Fällen sind die Ratschläge etwa so nützlich wie ein Pfeil im Knie. Beispielsweise beim vorletzten Koloss. Es wird schnell klar, von wo wir zuschlagen können. Wenn wir jedoch partout nicht herausfinden, wie wir dort hingelangen, nützt uns auch der Tipp nichts. Der sagt uns nämlich nur, dass wir uns eine günstigere Position suchen sollen. In solchen Fällen hilft es dann nur, mit Geduld und Spucke weiter auszuprobieren. Wer der Tipps überdrüssig wird, kann sie jedoch auch abstellen. Insgesamt weiß die Spielbalance durchaus zu gefallen. Die Schwierigkeit steigt sukzessive an. Während die ersten Kolosse geradezu handzahm sind, fahren die späteren die wesentlich härteren Geschütze auf, was sich in einem fulminanten Finale zuspitzt. So kommt viel Abwechslung ins Spiel.
Fazit
Insgesamt ist ›Shadow of the Colossus‹ eine außergewöhnliche und durchaus sehr gelungene Spielerfahrung. Die Welt und die Kolosse, der verzweifelte junge Krieger und die mysteriöse Stimme – all das erzeugt einen Sog, der den Spieler für etwa sieben bis acht Stunden gefangen nimmt. Nach dem Durchspielen werden zwar weitere Modi freigespielt, der Wiederspielwert bleibt aber eher gering. Abseits davon sollte noch erwähnt werden, dass die Steuerung zuweilen etwas frickelig wirkt. Auch die Kamera macht nicht immer das, was wir wollen. Aber diese Probleme bekommt man schnell in den Griff. ›Shadow of the Colossus‹ verzichtet auf moderne Bombastinszenierung und erzählt seine Geschichte subtiler, als die meisten modernen Action RPGs. Darauf muss man sich einlassen können. Aber gebt dem Spiel ruhig eine Chance. Ihr werdet mit einer einzigartigen Erfahrung belohnt, die aktuell im Gamingbereich ihresgleichen sucht.
- imposante Kämpfe gegen die Kolosse
- atmosphärische und mysteriöse Welt
- stilsicheres Grafik- und Artdesign
- mitreißender Soundtrack
- ausgewogene Lernkurve und Spielbalance
- Steuerung teilweise etwas unpräzise
- Nachjustieren der Kamera mitunter etwas fummelig
- Wiederspielwert eher gering
| SEBASTIAN BLUME
Titelangaben
Shadow of the Colossus
Bluepoint Games / JAPAN Studio
erhältlich für Playstation 4