Digitales | Games: No Man’s Sky
Es fühlt sich schon wieder an, als sei ein halbes Jahrhundert vergangen, seitdem Developer Hello Games ›No Man’s Sky‹ zum ersten Mal bei den VGX Awards präsentierte. Und dennoch: Die Versprechen, die das kleine Team aus Guildford an diesen Tagen für ihre Weltraum-/Überlebenssimulation gegeben hatten, sind vielen Menschen lange Zeit in Erinnerung geblieben. Ein Spielraum, so groß, dass es niemandem möglich sei, ihn jemals komplett zu erkunden; Ganze 18 Trillionen (1018) Planeten sollte es geben, jeder mit einer einzigartigen Flora und Fauna, mit seinen eigenen klimatischen Bedingungen, die es zu erforschen und zu überwinden galt, kurz und gut: ein Traum für jeden Entdecker.
Nun, da das Spiel seit einigen Wochen erhältlich ist und auch wir über Stunden durch die wundersame Welt des Universums streifen durften, fragen wir uns »Wird ›No Man’s Sky‹ diesen Ansprüchen gerecht?« Ein Test von DANIEL MEYER.
Überlebensstrategie – Lass uns einfach wegfliegen
Wie auch in vielen anderen Überlebenssimulationen beginnt ›No Man’s Sky‹ mit einem einfachen Plot: Gestrandet auf einem einsamen Planeten gilt es Rohstoffe zu sammeln, um dem eigenen, nur noch von außen als Raumschiff zu erkennenden, Gleiter zu reparieren und der (in unserem Fall) kargen Hölle zu entfliehen. Diese Idee ist nicht neu, bekommt jedoch durch die fremdartige Welt und das laserartige Bergbaugewehr, das gleichzeitig zum Abbau von Materialien sowie zur Abwehr unerwünschter Eindringlinge genutzt werden kann, einen zuerst netten, futuristischen Touch. Auch die Atmosphäre bleibt anfangs äußerst dicht, denn eingesammelte Ressourcen müssen von Beginn an sinnvoll eingesetzt werden: Verwendet man den zersetzten Kohlenstoff nun um sein Schiff zu reparieren oder ist es besser, ihn als Energievorrat für Gewehr oder lebensnotwendigen Exo-Suit zu behalten? Man weiß ja nie was noch kommen könnte…
Leider vermindern sich solche Fragen bereits mit dem Abschluss der bereits genannten Flugschiffreparaturen sehr schnell (was in vielen Fällen nach circa einer Stunde eintreffen sollte). Zu oft und meist auch zu einfach lassen sich gesuchte Materialien finden und lassen so eher den Ausbau des eigenen Tragesystems, als das Sammeln der Rohstoffe per se, zu einem der Primäraufgaben in ›No Man’s Sky‹ werden. Im Austausch für den anfänglich geforderten Überlebensinstinkt und der Vervollständigung der Reparaturquest ist jedoch auch etwas zu erhalten, das bisher nur selten in Videospielen gefunden werden konnte – ein erstes Gefühl von wirklicher Freiheit. Man kann nicht anders als zu staunen, wenn der Gleiter das erste Mal durch die Wolkendecke bricht und man die Weiten des Weltalls erblickt, all die Planeten, die so einladend entdeckt und erforscht werden wollen. Und so möchte man frohen Mutes glauben, die unbegrenzte Vielfalt des Universums erkunden zu können.
No Mans Sky – Jack of all trades, master of none
Wie auch viele andere Spieler verbrachten wir dementsprechend die nächsten Stunden damit, dem zum Teil rauen Klimata umliegender Planeten zu trotzen, besuchten Alien-Außenposten bei eisiger Kälte und erforschten radioaktiv verseuchte Höhlensysteme. Wir kämpften gegen Wächterdrohnen und wurden von Weltraumpiraten um unser mühsam gesammeltes Hab und Gut gebracht – alles Dinge, die das Herz eines mutigen Pioniers höher schlagen lassen, sowohl spieletechnisch, als auch grafisch.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich erste Muster im Spielesystem zu erkennen gaben.
Es dauert eine Weile, bis man bemerkt, wie klein doch eigentlich die Basis ist, auf der ›No Man’s Sky‹ beruht. Plötzlich empfindet man immer wieder kleine Déjà-vus (Hab‘ ich diesen Fels nicht irgendwo schon mal gesehen?). Spätestens nach ein paar Planeten steigt das Misstrauen in das Spiel und man beginnt zu vergleichen: erst einzelne Objekte, dann Areale, dann ganze Insellandschaften. Alles scheint auf eine merkwürdige Art und Weise schon einmal da gewesen zu sein. Grund hierfür ist die sogenannte prozeduale Synthese, auf der die Welt in ›No Man’s Sky‹ beruht. Texturen einzelner Planeten werden nicht, wie bei normalen Spielen, per Hand zusammengesetzt und platziert, sondern entstehen erstmals durch vorher definierte Algorithmen, um die schiere Größe der Welt füllen zu können. Dummerweise scheint diese Methode jedoch gleichzeitig auch zum Verlust jener spielerischen Einzigartigkeit zu führen, die einen Spieler in den ersten Stunden in den Bann gezogen hatte – und so beginnen erste Probleme.
Ab diesem Erkenntnispunkt bleibt das Gefühl eines Déjà-vus ein ständiger Begleiter des Spiels. Es wächst von Planet zu Planet weiter an und führt manches Mal dazu, dass sogar ganze Landstriche schlagartig uninteressant zu scheinen wirken. Gerade vegetationsarme Gebiete sind von dieser Regel stark betroffen und bleiben fortan lediglich das Ziel kürzerer Landungen, eventuell um neue Rohstoffe abzubauen oder das Schiff mit neuer Energie zu versorgen. Es versteht sich von selbst, dass nicht jeder der 18 Trillionen Planeten ein komplettes Unikat darstellen kann, jedoch wünscht man sich bereits zu dieser Zeit, dass die Magie der ersten Stunden nicht so schnell verflogen wäre.
Gleiches kann auch über die Materialienbeschaffung und den zuvor genannten klimatischen Bedingungen gesagt werden. Wo zu Beginn einzelne Planeten selbst unter radioaktiven Stürmen noch nach seltenen Rohstoffen durchkämmt wurden, meidet man nun immer häufiger schwer zu begehende Orte – warum sich auch die Mühe machen? Es wird die gleichen Dinge auch noch an anderen Stellen zu sehen geben. Gleichzeitig beginnt man, den Rohstoffabbau selbst zu hinterfragen. Wozu mehr Materialien sammeln, wenn es doch nur dazu dient, schneller an weitere zu kommen?
Die Reise zum Mittelpunkt des Universums
Nein, der einzige Grund, warum man nicht aufhören möchte weiter zu sammeln, bleibt lediglich das (eigentliche) Hauptziel des Spiels: Die Reise zum Mittelpunkt des Universums, der Atlas-Quest, welcher einem jene Antworten über die Entstehung des Lebens geben soll, wie sie sonst nirgendwo zu finden sind. Der Weg jedoch ist lang und mit weitaus mehr Monotonie bespickt, als einem lieb ist. Ein Hyperantrieb muss zuerst gebaut und daraufhin für jeden Sprung in ein benachbartes System neu aufgeladen werden. Dabei macht die Suche nach den benötigten Materialien anfangs durchaus Spaß, verliert jedoch seinen Reiz nach der zehn bis zwanzigsten Anwendung. Wie viel Spaß ihr also letztendlich mit dem Atlas-Quest habt, liegt mehr an eurer eigenen Geduld – oder besser dem Zeitpunkt, an dem ihr realisiert, dass sich in den letzten Stunden lediglich vier Aufgaben ständig wiederholt haben.
Die Zusammenfassung
›No Man’s Sky‹ ist kein schlechtes Spiel und Sean Murray und Hello Games haben ihr Versprechen gehalten, ein Spiel zu erschaffen, das größer ist, als alles vorher gesehene. Es fühlt sich zu Beginn durchaus einzigartig an und ist bespickt von kleinen, wundervollen Momenten, die mir bisher kein anderes Spiel in diesem Ausmaß geben konnte.
Taucht man jedoch etwas tiefer in die spielerischen Elemente dieser Simulation ein, so fühlt man ein nicht ganz ausgereiftes Konstrukt. Überlebensstrategien müssen nie entwickelt werden, wenn die äußeren Umwelteinflüsse nie wirklich die Möglichkeit geben, um das Überleben kämpfen zu müssen. Das Kampf- und Inventarsystem bleibt über große Teile zu einfach und betont zusammen mit dem monotonen Spielablauf und der schnell sinkenden Interessenskurve das doch sehr dünne Gameplay des gesamten Spiels.
»Wird ›No Man’s Sky‹ seinen Erwartungen gerecht?« – Definitiv nicht. Obgleich Hello Games sich an die Angaben, ein wirkliches Universum zu erschaffen, gehalten hat, ähnelt das gesamte Spiel eher einem Gerippe als einem ganzen Körper. Zu viele Dinge wurden in früheren Vorstellungen versprochen, angefangen von massiven Weltraumschlachten, Alienzivilisationen bis hin zu einem komplexen Crafting-System oder individualisierten Aufgaben- und Jobverteilungen – kaum etwas davon erhielt wirkliche Beachtung in der nun erhältlichen, finalen Version. Traurig.
| DANIEL MEYER
| Titelbild: Derek Brown
Titelangaben
No Man’s Sky
Hello Games / Sony Interactive
erhältlich seit dem 09. August 2016 für Windows und Playstation 4
ab 47,49€ UVP.