Digitales | Life Is Strange: Before the Storm
›Life is strange: Before the Storm‹ (LiS:BtS) hat die unliebsame und schwierige Aufgabe als Prolog einer doch sehr eigenständigen Geschichte zu fungieren. Die erste Staffel der episodischen Abenteuerserie schloss die Geschichte von Chloe Price und Max Caulfield mit zwei möglichen Enden ab. BtS stellt nun die Beziehung zwischen Chloe und Rachel Amber dar, einer Figur, über die im ersten Teil meist nur gesprochen wurde. Von EVA HENTER-BESTING.
Während ›Life is Strange‹ aus dem Jahr 2015 von der Suche nach der vermissten Rachel Amber handelt, geht es in BtS um Rachel und Chloe, die ihren Platz in der Welt suchen. Chloe wird nach dem Tod ihres Vaters grundsätzlich als Unruhestifterin abgestempelt, Rachel möchte aus der Rolle der Musterschülerin und perfekten Tochter ausbrechen. Die beiden Außenseiter ziehen sich an – und das mehr als nur freundschaftlich.
Erfreulicherweise gelingt dem ersten der drei Teile von BtS die Annäherung der beiden Figuren. Chloe und Rachel bekommen zwar offensichtlich nicht die gleiche Bildschirmzeit wie das Duo aus der Hauptseason, doch beginnt ihre Beziehung sehr viel unmittelbarer und intensiver. Die emotional verletzte und unsichere Chloe öffnet sich für Rachel auf eine Art und Weise, die uns erkennen lässt, wie sie zu der Person wurde, die Max treffen wird. Es ist die Basis der Hauptgeschichte, die das Prequel durch den neuen Plot navigiert.
Gut sein oder nicht gut sein – das ist hier die Frage!
Zwischendurch entwickelt sich auch ein vermeintlich zentrales Mysterium, das sich dann letztlich doch nur als Vorwand entpuppt, die beiden Charaktere noch näher zusammenzubringen. Aber das ist in Ordnung. Die Geschichte zeugt dann von ihren Stärken, wenn sich die beiden Protagonistinnen am nächsten stehen oder die eigentliche Story in den Hintergrund gerät. Besonders die Szene der halb-improvisierten Theateraufführung von Shakespeares ›Der Sturm‹ übertrifft fast alle wichtigeren Momente und die Option, in der ersten Episode mit den Mitschülern ›Dungeons and Dragons‹ zu spielen, macht BtS tatsächlich beinahe liebenswert.
Doch wo Licht, da auch Schatten: Leider ist die dritte Episode mit Abstand am schwächsten und unglaubwürdigsten. Rachel wird ans Bett gefesselt, damit Chloe ihren Alleingang durch denkbar unwahrscheinliche, kriminelle Situationen gehen kann. Das passt nicht. Angesichts Rachels Bettlägerigkeit wird der gute Part, die Romanze zwischen den beiden Mädchen, weitestgehend zerstört. Stattdessen geht es nun um Rachels hoch angesehenen Star-Anwalt-Vater, der mit dem größten Drogendealer der Stadt kooperiert, um …
Nebenbei marschiert Chloe einfach in das Haus der Ambers ein, stöbert in den sensiblen Unterlagen des Halunken-Vaters und spaziert ebenso unbefangen wieder raus. Polizei! – Kommt tatsächlich, aber nicht wegen Chloes Einbruch, sondern wegen eines mehr als strangen Aufeinandertreffens mit ihrem Stalker-Freund im Hause der Ambers. Scheint ein guter Treffpunkt zu sein. Was es genau mit dem Stalken auf sich hat, bleibt genauso unklar wie der Verbleib des fiesen Drogendealer-Bosses. Schade.
Superkraft: Malen und Reden
Ebenfalls schade sind Großteile der Dialoge. Tatsächlich gelingen BtS zwar deutlich bessere und authentischere Gespräche als der Hauptseason, aber richtig gut ist anders. Nach wie vor bleibt die Frage: Reden die jungen Leute heutzutage jetzt so? Müsste Chloe nicht »Halo i bims 1 kaputes Mähdchen!« sagen, oder ist das schon wieder zu 2017? Man weiß es nicht. Auf jeden Fall schwanken die Dialoge oft zwischen Pseudo-Tiefe und ziemlich gewollter Coolness, sodass man manchmal einfach nicht weiß, ob man das jetzt lustig finden soll.
Auch erwähnenswert: Während ›Life is Strange‹ vor allem durch Max‘ Superkraft der Zeitmanipulation viel gewonnen hat, wird bei BtS auf das magische Element verzichtet (außer bei ›Dungeons and Dragons‹!). Chloe hat zwar auch eine Spezialfähigkeit, doch ist die ein bisschen weniger mächtig. Ihre Superkraft: Argumentieren, Widersprechen, Beleidigen. In Kombination dazu kann sie sehr geschickt einen Edding benutzen und richtig harte Sprüche und Malereien auf Wänden, Fotos, Spiegeln, Autos, usw. kritzeln. Wenn das nicht super ist…
Fazit
›Life is Strange‹ hat definitiv ein bisschen dazu gelernt. Die wirklich lahmen Teenie-Gespräche wurden zwar nicht ganz beseitigt, aber zum Teil durch mehr Drama getauscht. Richtig überzeugen kann es aber nicht – Stärken bleiben stark, Schwächen bleiben schwach. Wen die erste Episode des Prequels nicht anfixt, der sollte vielleicht – sofern noch nicht bekannt – direkt zur Hauptseason greifen, die insgesamt deutlich dynamischer daherkommt.
Schließlich fehlt BtS ein zufriedenstellendes Ende. Alle, die bereits die Hauptseason gespielt haben, wissen um das Schicksal von Rachel. BtS ist eine nette Ergänzung – es gibt hier kein Happy End, nur einen sich verdichtenden Kontext für ein Ende, das bereits in Stein gemeißelt ist. Eine gute, aber geradezu sadistische Idee ist das Anteasern der Hauptseason im Abspann des Prequels.
Das Spiel ist über die Reise, nicht das Ziel und gibt die Informationen, warum Chloe so sehr an der Aufdeckung von Rachels Verschwinden interessiert ist. Gleichzeitig lernt man eine andere Chloe kennen, eine jüngere, die zwar genauso laut, antagonistisch und rebellisch ist, aber deren vorlaute Art noch eine Maske ist. Die Chloe aus LiS ist dagegen schon kaputt..
Titelangaben
Life is Strange: Before the Storm
Deck Nine, Square Enix
erhältlich für PC, Playstation 4 und XboxOne.