Kinderbücher | Clémentine Beauvais: Das Hochzeits-Chaos / Anke Kranendonk: Käpt’n Kalle
Die Welt ist, wie sie ist und die Dinge sind eben kompliziert. Sagen Erwachsene. Aus Kinderaugen sieht das anders aus. Und so wird gehandelt. Das Ergebnis? Auf jeden Fall nicht das Gewohnte. Von MAGALI HEISSLER
Kalle heißt der kleine Held von Anke Kranendonk. Dass er Käpt’n wird, hat seinen Grund darin, dass er tatsächlich ein Boot besitzt. Sehr klein, aber mit Motor.
Er ist auch schon damit gefahren, allerdings in Begleitung von Papa. Das war in Ordnung, schließlich muss man ja beigebracht bekommen, wie man das macht mit dem Boot und dem Motor. Nun kann er es aber, da ist Kalle sicher. Also spricht nichts dagegen, allein loszufahren.
Nicht ganz allein – stellt sich heraus. Meerschweinchen Hektor und Hund Max gehen mit an Bord. Hier fangen aber schon die Schwierigkeiten an. Max hält nichts von Booten. Kalle aber ist nicht auf den Kopf gefallen, im Gegenteil hat er die Angewohnheit, eben diesen auch durchzusetzen. Dass er sich dabei auch Beulen holt, ist klar. Aber Kalle ist nicht so leicht abzuschrecken.
Ein rundum aufrechter Käpt’n
Kranendonk hat eine sehr willensstarke Figur entworfen und sie führt ihren Kalle sehr überzeugend durch seine Abenteuer. Die sind alle dem Alltag geschuldet. Die Konflikte ergeben sich daraus, dass Kalle und andere die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Willensstärke ist gut, das zeigt die Geschichte, aber man braucht auch jede Menge Glück, um damit durchzukommen.
Die Welt, die Kalle mit dem Bootchen durchkreuzt, ist tatsächlich klein, aber die große Welt mit ihren auch tödlichen Gefahren ist präsent. Kalle wird hin und wieder gewarnt, er macht eigene Erfahrungen. Er ist selbstbewusst genug, um eigene Schlüsse daraus zu ziehen, auch wenn das zunächst häufiger vermittelt als unvermittelt geschieht. Problemlösung ist zweifellos eine Stärke dieses Kleinen. Er ist zurecht Kapitän.
Wie es sich gehört, erweitert die Weltreise auch den Blick. Kalle reift, in vielerlei Hinsicht. Kranendonk hat sich einiges einfallen lassen. Überraschungen sind garantiert.
Sprachlich ausgefeilt, aufs Schlichteste präsentiert und von Sylke Hachmeister im genauen Ton übersetzt, neigt sich die Autorin allerdings deutlich zu dem Teil der Zielgruppe, der von Darmtätigkeit und deren Ergebnissen fasziniert ist. Hund und Meerschweinchen sind eben nicht nur süß.
Ein besonderes Kunstwerk ist die Bebilderung von Annemarie van Haeringen. Klare Linien, wenige Farben kreieren Kalles Welt, als sei sie eben geschöpft worden. Alles wirkt neu und frisch, zugleich aber vertraut, wie die Entwicklung von Handlung und Held eben auch. Rundum gelungen.
Kopfüber ins Chaos
Beauvais schickt zum zweiten Mal die beiden Schwestern Holly und Anna los. Wir erinnern uns, die beiden wollen die besten Ferien erleben, die es gibt. Leider fehlt ihnen das Geld dazu. Also müssen sie es verdienen. Das hat ihnen im Vorgängerband einen Freund eingebracht, Prinz Pepino. Natürlich ist er hier mit von der Partie. Das nötige Geld für die Ferien ist nämlich immer noch nicht da, also auf zu einem neuen Job.
So landen die drei in Parisii und sollen helfen, eine königliche Hochzeit zustande zu bringen. Die Hochzeitstorte muss geholt werden, ebenso der Strauß und das Brautkleid. Die einfachen Aufträge erweisen sich als ziemlich hakelig, und da die drei nicht auf den Kopf gefallen sind, keimt ziemlich schnell der Verdacht, dass mit der Hochzeit etwas nicht stimmt.
Beauvais zieht alle Register. War es in Band eins England, so ist es jetzt Frankreich, dessen zu Tourismus-Ikonen versteinerte kulturelle Versatzstücke herhalten müssen, um das kunterbunte Abenteuer zu erzählen.
Revolution, Notre-Dame, Wasserspeier, Baguettes, Jagden durch die Kanalisation und ein Flug auf einem Drachen sind nur ein kleiner Teil dessen, was die Autorin ungehemmt aufs Papier hat fließen lassen. Ganz klar, dass da der Eiffelturm auf dem Kopf steht.
Hier regiert Spaß pur. Auch wenn man positiv hervorheben muss, dass es die kindlichen Heldinnen sind, die die Schwierigkeiten bewältigen, weil die Erwachsenen zu passiv sind, so ist die Welt von Holly, Anne und Pepino derart verschroben, dass sich nichts davon in die Realität übertragen lässt.
Die vielen Wortspiele, wieder von Rusalka Reh aufs Beste übersetzt, sprechen eher Erwachsene an, denn Kinder können in vielen Fällen den Wortwitz noch nicht erfassen. Hier spielt jemand Kind, geht aber sprachlich tatsächlich nicht auf die angezielte Altersgruppe ein. Ein reines Nonsensbuch, also.
Ergänzt und abgerundet wird der rasende Wahnsinn durch die karikaturhaften Zeichnungen von Becka Moor. Lachen, Spannung auf jeder Seite garantiert. Mehr allerdings auch nicht.
Titelangaben
Anke Kranendonk: Käpt’n Kalle
(2014 Kapitein Kees, a.d. Niederländ. übers. von Sylke Hachmeister) Ill. von Annemarie van Haeringen
Hamburg: Carlsen 2016
150 S. 9,99 Euro
Kinderbuch ab 7 Jahren
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Clémentine Beauvais: Das Hochzeits-Chaos
(2015 The Royal Wedding Crashers, übers. von Rusalka Reh) Ill. von Becka Moor
Hamburg: Rowohlt Rotfuchs 2016
190 S. 9,99 Euro
Kinderbuch ab 8 Jahren
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