Erziehungsmaßnahmen für eine Prinzessin

Kinderbuch | Brigitte Endres: Die Prinzessin und die Erbse

Schon wieder ein Prinzessinnenbuch. Und schon wieder so ein verzogenes Gör, über das alle den Kopf schütteln. Bekannte Märchenmotive – aber ganz neu inszeniert. Von ANDREA WANNER

Endres - Die Prinzessin und die ErbseEigentlich kennen wir sie zu Genüge, die affektierten eingebildeten Prinzessinnen, die im Laufe des Märchens ihre Lektion lernen, von ihrem hohen Ross heruntersteigen müssen und für ihre Hochnäsigkeit bestraft werden. Von der ganz unerträglichen Sorte ist auch die Heldin dieses Bilderbuchs – Schokolade, Gummistiefel, Eis am Stiel: Sie wünscht und das ganze Personal rennt. Und dann will sie ausgerechnet Erbsen. Selbstverständlich werden auch die sofort serviert und von ihr mit dem goldenen Gäbelchen aufgepiekst und verspeist. Bis auf die letzte. Die widersetzt sich hartnäckig. Und dann gelingt der Erbse sogar die Flucht!

Durfte die Erbse in Hans-Christian Andersens Märchen nur eine, wenn auch wichtige Nebenrolle, spielen, so lässt ihr Brigitte Endres jetzt eine Hauptrolle zukommen. Die Erbse, eigentlich ebenso Opfer der Prinzessin wie der restliche Hofstaat, befreit sich aus dieser Rolle. Auf der Flucht, wo sie eigentlich zur Gejagten werden müsste, wird von Seite zu Seite deutlicher, dass sie die Situation völlig im Griff hat. Die Erbse bestimmt, wo’s langgeht. Eine wütender werdende Prinzessin, die sich selbst in immer peinlichere Situationen bringt, folgt ihr blindwütig. Aus dem Fenster, in die Erde, auf den Baum, in einen Schweinepferch … Alle Würde bleibt auf der Strecke.

Dreckig, mit zerrissenen Kleidern und schiefer Krone wird das eitle Prinzesschen zum Gespött aller. Aber in letzter Sekunde kriegt sie doch noch die Kurve.

Sabine Wiemers begleitet die aufregende Jagd mit fantasievollen, ausdrucksstarken Bildern, und wählt äußerst ungewöhnliche Perspektiven. Voller Dynamik und Farbkraft gibt es die Szenen mit Fröschen, witzigen Alltagsspielereien und Anspielungen auf andere Märchen. Auf den Doppelseiten gibt es jede Menge zu entdecken und zu bestaunen, bis hin zur königlichen Unterwäsche.

Es wäre kein richtiges Märchen, gäbe es nicht auch ein Happy End. Aber mehr wird wirklich nicht verraten. Und ob es tatsächlich hilft, kleine Tyranninnen auf diese Weise zu bändigen, sei dahingestellt.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Brigitte Endres: Die Prinzessin und die Erbse
Mit Illustrationen von Sabine Wiemers
Wien: Nilpferd 2017
32 Seiten, 14,95 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Das Ende vom Anfang

Nächster Artikel

Chaos pur

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Hui, Spinne!

Kinderbuch | Bärbel Oftring, Isabel Müller: Schau mal, eine Spinne! Nur wenige Tiere rufen so prompt Abwehrreaktionen hervor wie Spinnen. Für die kleinen Tiere endet das viel zu oft mit einem grausamen Tod. Warum eigentlich? Weil wir diese wunderbaren Wesen nicht kennen. Bärbel Oftring und Isabel Müller haben ein Bilderbuch vorgelegt, das dem Defizit spannend und klug abhilft. Von MAGALI HEISSLER

Wärme für die Seele

Kinderbuch | Pauline Pete: Lieblingspulli

Jede und jeder hat so Lieblingsstücke, die man am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte. Und bei so einem bunten, kuscheligen Pullover, wie die kleine Ich-Erzählerin besitzt, kann man sich das gut vorstellen. Aber der Pulli ist viel mehr als ein wärmendes Outfit, kann ANDREA WANNER nachvollziehen.

Grandiose Rückzugsorte

Kinderbuch | Camille Garoche: Der große Baumhaus-Wettbewerb

Baumhäuser gehören ganz sicher zu den großen Träumen, die jedes Kind hat. So ein Ort in luftiger Höhe, in dem man sich verstecken kann, seine Ruhe hat vor nervigen Erwachsenen, den eigenen Gedanken nachhängen kann und in dem nach eigenen Vorstellungen gestalteten Raum sich selbst gehört. So gesehen übertrifft dieses Bilderbuch alles, was man sich wünschen kann, findet ANDREA WANNER.

Ofenschlupfer bewirken Wunder

Kinderbuch | Julia Willmann: Rascha und die Tür zum Himmel

Veränderungen gehören zum Leben. Sie passieren, ob wir das wollen oder nicht. Auch Rafael macht in dieser Geschichte damit seine Erfahrungen. ANDREA WANNER war berührt von diesem einfühlsamen Kinderbuch.

Gruselvergnügen

Kinderbuch | Eleonora Marton: Hausmonster

Wer kennt sie nicht, die Dunkelheit, die Gegenstände verändert, Umrisse zeichnet, die einem einen Schrecken einjagen, Unbelebtes zum Leben erweckt? Vielleicht ist man in fortgeschritteneren Jahren ja ein bisschen abgeklärter, aber mal ehrlich: Fällt man nicht immer wieder doch auf Schattenfiguren rein. ANDREA WANNER jedenfalls geht es so und daher hatte sie viel Vergnügen an diesem entlarvenden Bilderbuch.