Musik | The Magnetic Fields: 50 Song Memoir
Folkdays… ›50 Song Memoir‹ von The Magnetic Fields – Teil II über Stephin Merritt und seine Selbstsucht und Ichbezogenheit. Von TINA KAROLINA STAUNER
Stephin Merritt sieht sich gern im Mittelpunkt. Es gibt ein Album des Egozentrikers, das mit ›I‹ betitelt ist und bei dem fast alle Songs mit dem Wort »I« beginnen. I…, I…, I…, I…, I… von ›I Was Born‹ bis ›I Die‹ und dann hat er auf einem Nachfolgealbum mit Titel ›Realism‹ eine lebensfrohe Polka für sich und für alle:
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Jetzt ist das neue Konzeptalbum ›50 Song Memoir‹ veröffentlicht, das Stephin Merritts eigene Existenz wieder einmal ins Zentrum stellt: Es gibt für jedes seiner bisherigen Lebensjahre einen Song.
Mit umfangreichem Instrumentarium wurden die Aufnahmen für ›50 Song Memoir‹ zu hübsch bis schrägem Synthie-Folk-Pop gemacht. Mit etwas Retrogetue und nostalgischer Romantik. Nett angereichert mit einer Prise Humor. Alles kleine Geschichten. Jedenfalls klingt dieses Werk nicht nach schwerwiegender Vergangenheitsbewältigung. Es hört sich nach Pop an und sonst nach nicht allzu viel mehr. Aber immerhin nach allem Möglichen aus der Popgeschichte. Und darin fungiert Stephin Merritt offenbar lässig-leicht als Mastermind und Multiinstrumentalist.
Wieso sollte er es sich schwerer machen, wenn es auch etwas leichtgewchtig geht!? 50 Lieder, 100 Musikinstrumente und Pop-Sounddesign irgendwo zwischen Independent und Mainstream. Und das alles nicht übermäßig avantgardistisch, sondern immer auch ein wenig Vintage. Viel Synthie, ein wenig Folk, etwas Indie-Rock und eine Menge Pop, das ist ›50 Song Memoir‹. Ein Pop-Stilmix. Dazu wird wichtig von manchen auf Human League, The Associates und Young Marble Giants als Influence hingewiesen und erschwerend kollateral diskursiv eingebracht. Das lässt tiefgründig und geschichtsträchtig wirken.
›50 Song Memoir‹ ist ein Popmachwerk und konzeptuelle Agglomeration mit chronologischer Ordnung statt wie schon so manch konfuse Themensammlung. Stephin Merritt setzt sich wie üblich als musikalische Schreckgestalt und ebenso Schöngeist in Szene und zeigt sich als selbstverliebter Geck. Immer wieder in Underground- und Außenseiterbeschwörung mit etwas mehr als hochgehandeltem Billigpop und seltsamer Raritätensammlung. Es geht um seine eigenen Emotionen, seine eigenen Wahrnehmungen, seine eigenen Interessen, seine eigenen Jahre, sein eigenes Leben. Als Autobigrafie eines Egoisten und Selbstdarstellers auf kleinen Scheiben mit einer multiinstrumental agierenden Band. Songs gemischt und gemixt und designed in Zusammenarbeit mit den Produzenten Thomas Bartlett and Charles Newman.
Im Grenzbereich des Folk in Popgefielden
»But I’m just a singer, it’s only a song«, soll Stephin Merritt mal gemurmelt haben. Er soll immer nur braune Kleidung tragen. Der Mann spekuliert mit Understatement und unprätentiöser Singer-Songwriter-Attitude und diesmal mit dem 5-CD-Set ›50 Song Memoir‹.
Zu Stephin Merritts Lebensgeschichte zählen auch die musikalischen Formationen The 6ths, The Gothic Archies und Future Bible Heroes. Er komponierte zudem für Theaterstücke. Eine musikalische Mischung aus Autobiografie und Dokumentation gelingt ihm jedes Mal. Ein bisschen Genie und bisschen Popschwindel – die Aufzählung der Instrumente, die er spielt, ist jedenfalls echt beeindruckend. Im weitesten Sinne geht es vermutlich um das, was ein Songtitel benennt: ›How I Failed Ethics‹. Und hört man ›Big Enough for Both of Us‹, übergeht man manche Untiefen in seinen anderen Lyrics und seinem Gesinge und hat für die nächsten Jahre wieder einen schönen Stephin Merritt-Song entdeckt im immer etwas überstrapaziert scheinenden aber easygoing Output und Songmaterial des Musikers.
Titelangaben
The Magnetic Fields: 50 Song Memoir
Label: Nonesuch (Warner)
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