Roman | Moritz Netenjakob: Milchschaumschläger
»Aber es ging doch nicht um eine fremde Firma, Daniel. Es ging um unser Café!« Aylin ist schwer enttäuscht von ihrem Gatten. Droht mit dem gemeinsamen Traum vom eigenen Café die glückliche Ehe zu scheitern? Wie konnte es nur soweit kommen? Das fragt sich Milchschaumschlürferin MONA KAMPE. Schließlich wird im ›3000 Kilometer‹ gewissenhaft auf die H-Milch verzichtet!
»Du hast nicht eine Sekunde lang nachgedacht! Daniel, ich bin soooooo … stolz auf dich. Aus dir wird doch noch ein richtiger Türke.« Werbetexter Daniel Hagenberger hat just seinen sicheren Agentur-Job bei seinem narzisstischen Chef hingeschmissen. Er mietet zusammen mit seiner Frau Aylin ihr ehemaliges Lieblingsrestaurant, was sonst hätte schließen müssen. Ihre Hochzeitstage feiern die beiden Neuunternehmer zukünftig in ihrem eigenen Café. Ein Traum wird wahr!
Ihr Umfeld – allen voran der Vermögensberater – ist skeptisch, denn die Gastronomie ist bekanntlich ein nicht zu unterschätzendes Terrain, auf dem schon so mancher Kleinunternehmer kläglich gegen die großen Restaurantketten gescheitert ist. Ach was! Es kann gar nichts schief gehen, denn Tante Emine hat schließlich im Kaffeesatz gelesen, dass alles gut wird! Den tausendsten Fast-Food-Laden nebenan mit dem einfallslosen Slogan von Daniels ehemaliger Werbeagentur stecken sie locker in die Tasche!
Schnell müssen die beiden trotz Euphorie und türkischer Gelassenheit den deutsch-bürokratischen Tatsachen ins Auge blicken: Bis auf Freunde und Verwandte sowie ein paar skurrile Charaktere bleiben die Gäste aus und ein leeres Café bedeutet auf lange Sicht Insolvenz! Dumm nur, dass drüben in der Burger Lounge der Bär steppt. Was machen sie bloß falsch – Tante Emine kann sich doch nicht geirrt haben, oder?
Das elegante Ambiente von Schwiegermutters ausgestopften Einweihungseichhörnchen soll verzaubern. Die Küche des griechischen Kochs ist exquisit pedantisch und die romantische, interkulturelle Speisekarte mit dem 60-seitigen Intro zur Liebesgeschichte der Cafébesitzer wurde stetig von Stammgästen um Irish Coffee und Fish & Chips erweitert. Die junge Kellnerin ist ein attraktiver, Facebook-süchtiger Anblick – solange sie nur zwinkert und nicht Deutsch spricht. »Meine Mutter!«
Guter Schreibstoff für den Gastgeber
Und die Gäste? Ein trendbewusster Hipster, endlos Tee schlürfende Studenten, ein schweigender Chinese, der stets nur nach »Ti« verlangt und grinst, eine Kläffhund-bezwingende Großmutter, deren Mussolini den ganzen Laden auf Trab hält und schließlich das familienfreundliche Siegel entzieht, ein hoffnungsvoll verknallter Udo-Lindenberg-Verschnitt, ein rassistischer Fußballtrainer und natürlich die neurotischen Künstler. Wer glaubt, dass das schon nervenaufreibend ist, hat die Familie Hagenberger-Denizoğlu und alle ihre Bekannten mit ihren guten Ratschlägen, wie etwa bloß auf H-Milch zu verzichten, noch nicht kennen gelernt! Immerhin: traumhafter Schreibstoff für Daniels Café-Blog.
Als das Fernsehen droht, alles auf den Kopf zu stellen, platzt dem gutmütigen Besitzer der Kragen. Ist der Traum vom gemeinsamen Milchschaumschlagen im ›3000 Kilometer‹ endgültig in heißem Kaffee versunken?
Autor Moritz Netenjakob, der bereits bekannte deutsche TV-Formate wie ›Stromberg‹, ›Wochenshow‹ und ›Switch‹ mit seinem komödiantischen Talent bereicherte und 2006 den ›Grimmepreis‹ erhielt, schafft Lesern auch mit seinem dritten Roman fantastische Lachergüsse im stressigen Alltagswahnsinn. Egal, ob auf eine kleine Auszeit im Büro, beim Sonntagsfrühstück oder auf einen gemütlichen Becher Starbucks im Stadtpark – Milchschaumschlürfer dürfen die abenteuerliche, höchst amüsante Unternehmensgeschichte der beiden Milchschaumschläger nicht verpassen.
Der Gastronomiedschungel und seine Tücken, die Familie und ihre Marotten, das verständnisvolle, deutsch-türkische Miteinander … Der Verfasser von ›Macho Man‹ und ›Der Boss‹ zeigt in seinem Café-Roman, wie leicht und heimtückisch sich private und berufliche sowie interkulturelle Angelegenheiten, Vision und Wirklichkeit beim Thema Selbstständigkeit vermischen und verarbeitet dies auf gewohnte Weise mit einer ordentlichen Portion Humor. Auf das Abenteuer »eigenes Café« begaben sich der Autor und seine Frau für einige Monate selbst. Die Früchte an Erkenntnissen trägt »Milchschaumschläger« – ergänzt um die vielen, herrlich skurrilen Charaktere, die sich an Daniels und Aylins Wunschort tummeln und diesen mit realem Leben füllen.
Am Ende steht ein Café, das niemals leer sein darf, denn sonst geht keiner hinein. Das ist nicht nur ein türkisches Sprichwort … Es ist ein Traum voll Milchschaum, den die Besitzer gemeinsam schlagen, weil es so im Kaffeesatz stand.
Titelangaben
Moritz Netenjakob: Milchschaumschläger – Ein Café-Roman
Köln: KiWi-Paperback 2017
352 Seiten, 14,99 Euro
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