Kinderbuch | Thomas Müller: Herr Schmidt ist Koch
Herr Schmidt liebt seinen Beruf. Das zeigt schon das Cover, auf dem der Koch fröhlich einen Pfannkuchen in der Luft wendet. Und er ist nicht der Einzige, der das, was er tut, gerne tut. Von ANDREA WANNER
Ein ganz kleines bisschen gemein ist es ja schon, dass der Schmidt ausgerechnet ein wohlgenährtes, dickes Schwein ist. Auf der anderen Seite sieht er in seinem weißen Kochoutfit, das Handtuch in den Gürtel geklemmt, professionell aus – und scheint die alte Regel zu bestätigen, dass es einem Koch eben auch selber schmecken muss. Frau Makolis, eine Katzendame in fröhlich-bunten Alternativklamotten schiebt einen Bollerwagen mit sechs Kids drin und scheint ihren Job als Krippenerzieherin mit souveräner Gelassenheit zu meistern.
32 Berufstätigen hat Thomas Müller bei ihrer Arbeit über die Schult geschaut und die Hunde, Kühe, Nilpferde und Eichhörnchen in Menschenrollen schlüpfen lassen.
Seine bunten Szenen auf dem weißen Grund des Pappbilderbuchs konzentrieren sich auf das Wesentliche: ein Umgebung, die durch passende Attribute gekennzeichnet wird, das notwenige Werkzeug, bei Bedarf einen Kunden oder Patienten. So entstehen detailreiche Bilder, die ohne Worte treffend beschreiben, was jeder und jede an seinem oder ihrem Arbeitsplatz zu tun hat. Nur jeweils ein Satz, quasi als Überschrift, genügt: Herr X ist … oder Frau Y ist.
Leider reproduziert Müller dabei genau jene Klischees, die unsere Berufswelt bis heute prägen. Von den 32 Berufstätigen, die er zeigt, sind 21 Männer und nur 11 Frauen. Männer decken fast die komplette Sparte der Handwerksberufe ab, sind Schreiner, Installateur, Maurer oder Zimmermann, lediglich Frau Kronberger ist Automechanikerin.
Frauen dagegen arbeiten als Kassiererin, Altenpflegerin oder Buchhändlerin. Bei den akademischen Berufen sind ein Zahnarzt, ein Architekt und ein Arzt vertreten, Berufe mit hohem Sozialprestige. Demgegenüber besuchen Frauen Universitäten, um Lehrerin – oder so etwas Exotisches wie Meeresforscherin – zu werden. Wir finden noch eine Alibipolizistin und eine Alibipilotin in einer ansonsten von Männern dominierten Berufswelt.
Das ist doch aber so, mag jemand jetzt einwenden. Stimmt. Aber genau das muss nicht so sein. Wer Fantasie genug besitzt, einen Hasen mit einem gelben Fahrrad die Post ausfahren zu lassen oder ein Wildschwein ein Waschbecken an die Wand zu schrauben, der muss auch seine Einbildungskraft bemühen, um sich von Stereotypen zu lösen und Gewohntes auf den Kopf zu stellen.
Das Bilderbuch ist für die ganz Kleinen, die in 15, 20 Jahren vor der Frage stehen: Was soll ich werden? Und da sollte die Einteilung in typisch männliche und typisch weibliche Berufe der Vergangenheit angehören. Mädchen sollten sich für Technik und Naturwissenschaft (ach ja, die Meeresbiologin …) interessieren, wie sie das an vielen Stellen schon tun. Arbeitszeitmodelle sollten eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle ermöglichen, sodass eben nicht zwei Drittel Männer und nur ein Drittel Frauen als erwerbstätig gezeigt werden.
Eine bessere Bezahlung all der Jobs, die heute so fest in Frauenhänden sind, muss bis dahin selbstverständlich sein … Visionen, ja. Wir arbeiten daran. Und wünschen uns, dass es die Bilderbücher von heute auch tun.
Titelangaben
Thomas Müller: Herr Schmidt ist Koch
Frankfurt: Moritz 2017
34 Seiten, 10.,95 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
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