/

An die Töpfe, fertig, los!

Kinderbuch | Anette Beckmann: Carlotta, Henri und das Leben

Eine Woche ohne Eltern, nur mit der Lieblingstante. Für Henri klingt das nach entspanntem Fastfood. Allerdings hat der die Rechnung ohne seine Zwillingsschwester Carlotta gemacht. Es wird gekocht. ANDREA WANNER läuft das Wasser im Mund zusammen.

Anette Beckmann Henri CarlottaDie schlichte Rahmenhandlung – eine Woche ohne Eltern – erfährt eine kleine Erweiterung: Mario, der Lebensgefährte von Tante Uli und Besitzer eines Restaurants, fährt nach Italien und bringt seine Mutter mit. Tante Uli beschließt, ein Willkommensmenü zu zaubern. Kleines Problem dabei: Sie kann nicht kochen. Henri, der eher auf ungesunde Lebensmittel steht, und seine ernährungsbewusste Schwester Carlotta, reagieren sehr unterschiedlich auf diese Idee. Während Carlotta sofort Feuer und Flamme ist, bleibt Henri skeptisch. Und dann beginnen die Drei Kochbücher zu wälzen und Pläne zu schmieden.

Schließlich steht das Menü – Artischocken mit Vinaigrette als Vorspeise, als Hauptgang Kalbfleisch-Involtini mit Tomatenragout und Pesto Genovese, außerdem Risotto mit Zucchini und Möhren und zum Nachtisch Schokoladenkuchen mit frischen Erdbeeren. Ganz simpel klingt das nicht. Und wo die Schwierigkeiten liegen, merkt das Kochteam schnell beim Probekochen.

Anette Beckmann erzählt von der richtigen Jahreszeit für Erdbeeren, von Biofleisch und dicken Topfböden, von Zusatzstoffen und Geschmacksrichtungen. Dass sie das kann, hat schon der erste Band von ›Carlotta, Henri und das Leben‹ gezeigt, ›Tante Uli ist verliebt und vermehrt sich‹, ein lockeres Aufklärungsbuch, in dem eben jene Tante Uli und ihr jetziger Lebensgefährte eine Hauptrolle spielten. Die Beziehung, der der kleine Luis entsprungen ist, gibt es also noch und nach der Liebe geht es im zweiten Band ums Essen. Marion Goedelt hat erneut hinreißende Illustrationen dazu geschaffen, eine Lebensmittelpyramide aufs Papier gezaubert, unterschiedliche Pasta, viel Obst und Gemüse und Carlotta und Henri in ihrem wundervollen Küchenchaos in Aktion beobachtet.

Herausgekommen ist eben kein Kochbuch, sondern vielmehr eine Geschichte, die Lust macht, Neues auszuprobieren, vielleicht mal etwas zu essen, das man noch nicht kennt, Essen und Lebensmitteln einerseits offener und andererseits kritischer zu begegnen. Viele Fragen deuten sich an. Was bedeutet Massentierhaltung? Warum schmecken Früchte nicht, die einen weiten Weg bis nach Deutschland hatten? Was ist gesund und was nicht? Ohne erhobenen Zeigefinger wird für eine breite, lustvolle Vielfalt plädiert. Und sogar Henri entdeckt Artischocken als sein neues Lieblingsessen.

Am Ende gibt es Platz zum Eintragen eigener Erfahrungen und Überlegungen. Und die Rezepte für das Willkommensmenü finden sich auf der Tulipan-Homepage.

Dass Marios Mama am Ende der Geschichte noch ganz andere Wünsche hat, ist ein witziger kleiner Schlussgag, gelungen wie das ganze Buch.

| ANDREA WANNER

Anette Beckmann: Carlotta, Henri und das Leben – Die Küche steht Kopf: Iss was!?
Mit Illustrationen von Marion Goedelt
München: Tulipan 2017
64 Seiten, 15 Euro
Kindersachbuch ab 7 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Kein Plan, nirgends

Nächster Artikel

Fantasievolle und heitere Erzählkunst

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Vom Sinn des Daseins

Kinderbuch | Ragnar Aalbu: Herrn Specht geht’s schlecht

Herr Specht bekommt ärztlich Kopf- und Flugverbot verordnet, um seine angegriffene Gesundheit – er leidet unter Kopfschmerz und Schwindel – nicht weiter zu gefährden. Aber was bleibt einem Specht, wenn weder hämmern noch durch die Luft segeln darf? Herr Specht steckt in einer Sinnkrise. Von ANDREA WANNER

Trübe Aussichten?

Kinderbuch | Natalie Standiford: Ein Baum voller Geheimnisse Wenn die Kindheit endet, beginnt der Ernst des Lebens, sagt man. Das klingt nicht gut. Muss ein Kind tatsächlich eines Tages auf alles verzichten, was Spaß macht? Darf nichts mehr unbeschwert und lustig sein? Das sind ja trübe Aussichten. Oder vielleicht doch nicht? Die US-amerikanische Autorin Natalie Standiford hat dazu eine sehr spannende Geschichte geschrieben. Von MAGALI HEISSLER

Überraschung statt Gänsehaut

Kinderbuch | Nils Freytag & Silke Schlichtmann: Lesen ist doof

Eine Geschichte ist das nicht, was hier zwischen den Buchdeckeln lauert, keine Spannung, keine Gänsehaut, kein gutes Ende. Halt, kein gutes Ende? Na ja, vielleicht ja doch. Es ist schon »besonders«, dieses kleine Buch. BARBARA WEGMANN stellt es vor.

Ein fürsorglicher Tigervater und ein kleines Vögelchen

Kinderbuch | Nele Brönner: Das Tigerei Erziehung hat immer so seine Tücken. Da kommt der Tiger plötzlich zu einem kleinen Kind, noch dazu einem piepsigen Vögelchen, und dem bringt er natürlich als erstes das Fauchen und Brüllen bei. Böse sieht es aus. Aber ein kleines Vögelchen ist nun mal kein Tiger. Wie mag das bloß ausgehen? Von GEORG PATZER

Glückliche Kindheit

Kinderbuch | Judith Allert: Risottostraße 7

Was das Leben im Haus Nummer sieben in der Risottostraße in erster Linie auszeichnet, ist eine tolle Gemeinschaft zwischen Alt und Jung, Jungs und Mädchen, ganz unterschiedlichen Menschen. Wer mag, kann sie durch das Jahr begleiten, schlägt ANDREA WANNER vor