Jazz-Avantgarde wird alt und wirkt jung

Musik | Free Jazz, Free Space & Impro

Die Jazz-Avantgarde wird alt und wirkt jung – Jazz-Freigeister: die Amerikaner Jack DeJohnette und Archie Shepp in Verbindung mit der deutschen Jazzszene. Von TINA KAROLINA STAUNER

Fusionbenachbarter Free Jazzer Jack DeJohnette

Jack Dejohnette - In Movement | JazzIn diesem Jahr wurde Jack DeJohnette 75 Jahre. Das derzeitigen Trio dieses Ausnahmeschlagzeugers mit Ravi Coltrane am Saxofon und Matthew Garrison am Bass gibt es auf dem aktuellen Album ›In Movement‹ zu hören.

Jack De Johnette fing vor Jahrzehnten an in der Jazzszene – mit dem legendären John Coltrane, dem Vater von Ravi Coltrane. Nun gibt es Interpretationen der Songs von John Coltrane und der Band Earth Wind And Fire von ihm. Und auch von früheren Mitmusikern Miles Davis und Bill Evans. Integriert wurden Reminiszenzen an das Gitarrengenie Jimy Hendrix und an Jimmy Garrison, den Vater von Matthew. Zudem wird der Schlagzeuger Rashid Ali gefeatured. Alles auf einer Songsammlung mit Neuinterpretationen und dem Trio eigenem Soundmaterial.

Bekannt traditionelles Material und zeitgenössischer Modern Jazz mit Electronics und Improvisation. Contemporary Jazz in New York’s Avatar Studio aufgenommen und vom deutschen Labelbetreiber Manfred Eicher produziert.

Der Schlagzeuger DeJohnette, der auch Pianist ist, studierte in Chicago Musik und das Spektrum seiner Kollaborationen im Laufe der Jahre ist beachtlich. Es sind Größen wie Thelonious Monk, Chick Corea, Keith Jarrett, Sonny Rollins dabei – und viele nicht ganz so bekannte Jazzer. Der Free Jazzer, dem auch das R ’n‘ B-Feeling zueigen sein kann, näherte sich manchmal mit seiner musikalischen Arbeit auch dem Fusion-, New Age und Worldmusic-Sektor. Und selbst die Harmolodic des Ornette Coleman ist ihm nicht fremd. Das sind Soundreisen in Musikwelten und Traumlandschaften des Jazz. Als nächste CD kommt mit Grenadier, Medeski, Scofield ›Hudson‹…

Spiritueller Free Jazzer Archie Shepp

Archie Shepp - WomanIn diesem Jahr wurde Archie Shepp 80 Jahre. Der Saxofonist, Pianist und Komponist aus Florida, der in Philadelphia aufwuchs und auch Literatur- und Theaterwissenschaftler wurde, stammt auch aus dem Umfeld von John Coltrane – wie Jack DeJohnette. Doch in seinem breitgefächerten Spektrum mit Bezügen zu Blues und Spiritual zählt er zu stärkeren Neutönern und spielte dann mit Cecil Taylor und Don Cherry zusammen im Free Jazz. Der Musiker mit New York-Erfahrung hat noch in Paris eine Heimat und nannte seine Musik auch African American Music und Fire Music.

Mit dem deutschen Pianisten Joachim Kühn, der schon so weit ging mit Ornette Coleman zu spielen, veröffentlichte Vernon Archie Shepp im Jahr 2011 das Album ›Wo!man‹. Die Aufnahmen von Stücken von Duke Ellington, Ornette Coleman, Earle Hagen und Dick Rogers sind schöne Romantizismen und feine Neuinterpretationen. Der zornige Archie Shepp zeigt sich dabei in etwas nostalgischer Sphäre mit seiner nicht unintellektuellen Musik für Body und Soul.

Blue John Coltrane

John-coltrane-Blue-noteIn diesem Jahr vor 60 Jahren wurde ›Blue Train‹ im Jahr 1957 von John Coltrane veröffentlicht. Mit vier Coltrane-Stücken und einem Traditional von Jerome Kern und Johnny Mercer. Eingespielt mit Lee Morgan, Curtis Fuller, Kenny Drew, Paul Chambers und Philly Joe Jones. Etwas old-fashioned klingen Coltranes Stücke heutzutage auch. Dabei war der Sopran-, Alt- und Tenorsaxofonist, der noch im Hard Bop begann, ein Neuerer des Jazz und Jack DeJohnette und Archie Shepp arbeiteten mit ihm zusammen. ›Blue Train‹ klingt bluesig und gehört noch zur Hard Bop-Ära.

Zu dieser Zeit war John Coltrane auch mit Miles Davis zusammen. Der aus Hamlet in North Carolina stammende Coltrane ging bis in den Free Jazz. Doch das Gros seiner klangflächigen, hypnotisch energetischen Stücke ist gleichermaßen irritierend wie doch melodisch und Coltrane orientierte sich manchmal am Orientalischen.

Er lebte bis vor 50 Jahren und wurde nur 40 Jahre alt. Er ist auf Hunderten Platten zu hören und es gibt knapp zwei Dutzend Eigenveröffentlichungen. John Coltrane war einer der großen Improvisateure seiner Zeit. Sein modaler Jazz vereinte Komposition und Improvisation. Kann noch erwähnt werden, dass John Coltrane auch Charlie Parker kannte.

| TINA KAROLINA STAUNER

Titelangaben
Jack DeJohnette Trio
›In Movement‹
(ECM, 2016)

Archie Shepp & Joachim Kühn
›Wo!Man‹
(Archieball/Harmonia Mundi, 2011)

John Coltrane
›Blue Train‹
(Blue Note / Universal, 1957 / 2014)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Die Kunst als Ausweg

Nächster Artikel

Einen Bestseller schreiben

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Free Jazz & Free Space & Impro

Musik | ›Celebrate Ornette‹ Legende des Free Jazz, Harmolodics-Erfinder und Extrem-Ästhet Ornette Coleman lebt seit dem 11.06.15 nicht mehr. Er wurde 85 Jahre alt. Ergänzend zu seinem umfangreichen Œuvre gibt es in memoriam aktuell die Edition Box ›Celebrate Ornette‹. TINA KAROLINA STAUNER erinnert sich an eine seiner Shows der vergangenen Jahre und ihre Begegnung mit ihm beim Jazzfestival Saalfelden 2009.

Neulich, im September (II)

Musik | Toms Plattencheck Musiker und Produzent Niklas Worgt und seine singende Model-Partnerin Eva Padberg melden sich zum vierten Mal mit einem Album unter dem Banner Dapayk & Padberg zu Wort. Stark inspiriert wurde Smoke von einem Schottlandaufenthalt. Nieselregenwetter und Kaminstimmung machten nicht nur Lust auf Rauchwaren und Whisky, sondern scheinen auch für eine weitere Abkehr von Minimal-Sounds und Dancefloor-Orientierung mit sich gebracht zu haben. Smoke bringt mehr songwriterhafte Intimität ins Spiel, arbeitet mit klassischen Streichern, eingängigen Pop- und gefühlvollen Post-Dubstep-Momenten. Dabei gelingt es, den Tracks genau die richtige Stimmung einzuhauchen, um sie zu Dauerbrennern im nebligen Herbst zu machen.

Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf

Kulturbuch | Musik | S.Dreyer, M. Wenzel, T. Stelzmann: Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf Wenn ich heute an meine Kindheit zurückdenke, so erinnere ich mich vor allem daran, abends zusammen mit meiner um fünf Jahre älteren Schwester auf dem Boden zu sitzen, Canasta zu spielen und dabei Platten zu hören. Beinahe das ganze Jahr 1977 lang waren dies allabendlich nur zwei Schallplatten im Wechsel: Low von Bowie und Trans Europe Express von Kraftwerk. Seitdem ist mir die Musik der selbsternannten Musikarbeiter aus Düsseldorf ans Herz gewachsen. STEFAN HEUER über das neu erschienene Musikbuch Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf

Funky, Funky

Oldschool, Newschool…any School. Funky Music – vorgestellt von TOM ASAM

Music For Those Who Love

Bittles‘ Magazine | Record Review So, now that we are on the brink of World War 3 due to the Ukraine crisis there is only one thing the politically apathetic among us can do; listen to some damn fine music and pretend that all is good with the world. Luckily, to help with this, we’ve had some pretty fantastic releases over these last few weeks with top albums by Jungle, Submerse, Honeyblood, Fhloston Paradigm and more hitting the shops and download sites. By JOHN BITTLES