Heinz Janisch und Helga Bansch: Wir sind alle nett – von A bis Z
Kindergärten sind Orte, wo man Kinder sicher und gut aufgehoben weiß, wo zuverlässiges Fachpersonal sich um die Kleinen kümmert, wo sie unter Aufsicht spielen, toben und lernen. Oder? ANDREA WANNER staunte über das, was in einer Kindergruppe so abgeht.
Klingt das nicht verheißungsvoll? ›Wir sind alle nett – von A bis Z‹. Die lieben Kleinen können ja so süß sein, so wundervoll miteinander spielen. Aber haben sie wirklich nur gute Ideen? Heinz Janisch und Helga Bansch spicken in ihrem Bilderbuch in die geheimen Ecken und erzählen von den Situationen, in denen sich die Kids unbeobachtet fühlen. Damit sie keinen und keine vergessen, orientieren sie sich am Alphabet, beginnen bei A wie Anton und enden bei Z wie Zo.
Kids in Aktion
Den beiden ganz großen Quatschmachern begegnen wir gleich in der ersten Szene. »Anton und Bill sind heut’ seltsam still.« kann man da lesen. Wir sehen die beiden in der Toilette der Kindergruppe und sie wirken tatsächlich sehr still und durchaus brav. Wer genau hinschaut, entdeckt schnell, dass sie jetzt vielleicht wirklich nur Ameisen beobachten, das ganz große Chaos haben sie bereits angerichtet. Und was es damit auf sich hat, wird sich am Ende der Geschichte noch zeigen.
Daneben scheinen Cilli und Dorothée die reinsten Engel zu sein, die so etwas Gesundes wie Kräutertee herstellen. Allerdings brauchen sie dazu Streichhölzer – Paulinchen lässt grüßen – und Chamäleon, Dromedar und die anderen Tiere machen reichlich verdutze Gesichter: Ist das wirklich okay, was die beiden da anstellen?
Nein, so lieb und nett, wie das der Titel vermuten ließ, sind die Jungs und Mädchen in diesem Bilderbuch nicht. Sie sind neugierig, kämpferisch, mutig, verträumt, fantasievoll, wild oder ängstlich … Sie ignorieren Regeln, probieren sich aus, machen Dinge kaputt und kämpfen miteinander.
Nikolaus Heidelbach fragte vor Jahren in seinen Büchern bereits nach dem, was die Jungs und Mädchen so treiben und ließ uns Blicke in dunkelste Abgründe werfen. Ganz so fies wie die Heidelbach’schen Kinder sind die von Janisch und Bansch nicht. Sie sind irgendwie mögeliger mit ihren Knubbelnasen und Kulleraugen.
Aber auch sie beherrschen die Kunst der kindlichen Grausamkeiten und kleinen Gemeinheiten. Wo Heidelbach die Grenzüberschreitungen bis ans Äußerste trieb, gibt es hier allerdings auch wirklich Harmloses. Wolle und Xenia zum Beispiel, die sich mit Sachen aus der Verkleidungskiste kostümiert haben. Oder Mi-Ya und Nina, die über China reden. In allen Szenen, seien sie amüsant, verblüffend oder auch leicht schockierend, herrscht eine magische Stimmung. Pinguine und Wale erwachen zum Leben und werden zu Spielgefährten, Elefanten lassen sich anmalen, Libellen werden zu Beobachtern.
In die reale Welt der Kindergruppe dringt eine andere Welt, eine der Fantasie und der Unmöglichkeiten. Raffiniert wird mit Farben gespielt, ist das Reale bunt und das Geträumte in Schwarz-Weiß gestaltet, mit fließenden Übergängen, sodass man am Ende nicht mehr weiß, was zu welcher Welt gehört.
Es ist der Kontrast zwischen den gänzlich harmlos wirkenden Reimen und den hinreißenden Illustrationen, die so gar nicht dem entsprechen, was der Text vermuten lässt. Augenzwinkernd werden da Szenen präsentiert, die Erwartungen konterkarieren und den Blick auf Neues, Verblüffendes lenken.
Fazit
Nein, Kinder sind eben nicht nur nett. Sie brauchen kreative Freiräume, in denen sie experimentieren, untersuchen, erforschen und erkunden können. Kein einziger Erwachsener, der sie dabei stören oder daran hindern könnte, taucht in diesem Buch auf. Es ist eine herrliche Anarchie und ein Plädoyer für Freiräume, die man Kindern nur wünschen kann. Und ja, das ist nicht immer ganz harmlos. Aber auch nicht wirklich gefährlich, wenn man genug Vertrauen entwickelt.
Titelangaben
Heinz Janisch und Helga Bansch: Wir sind alle nett – von A bis Z
Wien: Jungbrunnen 2017
40 Seiten. 15,95 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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