/

Jugend, forsch!

Roman | Scott Bergstrom: Cruelty

17 Jahre ist die Heldin von Scott Bergstroms Thrillererstling Cruelty alt. Und ihr wird eine Menge abverlangt. Denn nach dem Verschwinden ihres Vaters macht sich Gwendolyn Bloom auf, ihm selbst und seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Eine halsbrecherische Reise beginnt, die Gwen von New York aus über Paris und Berlin schließlich bis nach Tschechien und in die Nähe eines hochgefährlichen Mannes führt. Von DIETMAR JACOBSEN

Gwendolyn Bloom ist siebzehn Jahre alt, spricht fünf Sprachen, hat mit 7 ihre Mutter verloren und danach aufgrund der beruflichen Situation ihres alleinerziehenden Vaters nie die Gelegenheit gehabt, irgendwo auf der Welt für längere Zeit heimisch zu werden.

In dem Moment, wo der Leser ihr zum ersten Mal begegnet, lebt sie in New York, besucht eine teure Privatschule für Kinder, deren Eltern bei der Vereinten Nationen arbeiten, und glaubt fest daran, dass ihr Vater im Dienste des Weltfriedens unterwegs ist. Bis er von einer seiner vielen Geschäftsreisen nicht mehr zurückkehrt. Stattdessen tauchen zwei geheimnisvolle Personen bei Gwen auf, behaupten, William Bloom habe für die CIA gefährliche Missionen bestritten und sei bei seinem letzten Einsatz in Paris über Nacht verschwunden.

Konspiration und Krav Maga

Scott Bergstrom, von Hause aus Werbefachmann und Experte, was den Zusammenhang von Architektur und Urbanität betrifft, hat in den Mittelpunkt seines Thriller-Debüts Cruelty eine jugendliche Heldin gestellt. Taff und mit einer ganzen Menge Selbstvertrauen ausgerüstet, macht die sich, als die CIA ihr Interesse an ihrem verschollenen Mitarbeiter langsam zu verlieren scheint, selbst auf die lange Reise über den großen Teich, um im Alleingang ihren Vater aufzuspüren. Dabei erfährt sie nach und nach, welch gefährliches Leben der geführt hat.

Nachdem ihr in Paris eine gewiefte Agentin israelische Kampftechniken und die Kunst des Untertauchens beigebracht hat und sie in Berlin auf eine Spur des Verschwundenen gestoßen ist, die nach Osteuropa führt, landet sie schließlich in Prag und gerät in die Einflusssphäre einer verbrecherischen Organisation, die Menschen-, Waffen- und Rauschgifthandel im großen Stil betreibt.

Das alles ist leidlich spannend erzählt, gewürzt mit Verfolgungsjagden, Mordanschlägen und Gegnern, die vor keiner Bestialität zurückschrecken. Bis Gwen ihren Vater wiedersieht, hat sie sich mit Legionen von gemeingefährlichen Kriminellen herumzuschlagen, mysteriöse Zahlenkombinationen entschlüsseln und, ausgerüstet mit einer neuen Identität, in den innersten Kreis einer Verbrecherorganisation eindringen.

Mehr märchen- denn realitätsgesättigt

Cruelty ist der erste Band einer Serie, die ihre Heldin an zahlreichen exotischen Schauplätzen der Welt gefährliche Abenteuer erleben lässt. Das ist – bedenkt man das noch zarte Alter der Gwendolyn Bloom – häufig ein bisschen over the top und mehr märchen- denn realitätsgesättigt. Vieles, was Bergstrom erzählt, meint man zudem schon einmal gelesen oder gesehen zu haben. Nicht von ungefähr wurde das Buch in den USA – wo die Filmrechte bereits vergeben sind – vermarktet, indem man an drei andere Bestseller erinnerte: »Girl with the Dragon Tattoo meets The Bourne Identity with a dash of Homeland«.

Allein Gwen Bloom hat weder das Format und die geheimnisumwobene Persönlichkeit der schwedischen Hackerin Lisbeth Salander noch teilt das Buch mit den Bourne-Büchern und -Filmen deren Rasanz und Komplexität. Auch das Genre des Agententhrillers wird von Bergstrom keineswegs neu erfunden. Dazu ist letzten Endes auch die Geschichte, die der Roman erzählt, zu wenig glaubwürdig.

| DIETMAR JACOBSEN

Titelangaben
Scott Bergstrom: Cruelty
Übersetzt von Christiane Stehen
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2017
432 Seiten. 14,99 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Verlieren und finden

Nächster Artikel

Im Rückblick: Gamescom 2017

Weitere Artikel der Kategorie »Krimi«

Zwei feine Herren unter sich

Roman | Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt

Zum siebten Mal seit 2011 lässt Martin Suter in Allmen und Herr Weynfeldt seinen kultivierten Kunstdetektiv Johann Friedrich von Allmen nach verschwundenen Werken suchen. Diesmal ist es ein umstrittener Picasso, der über Nacht aus dem Besitz des renommierten Kenners Adrian Weynfeldt verschwunden ist. Und ob das Bild mit dem schönen Titel Baigneuses au ballon 4 nun ein echter Picasso ist oder nicht – irgendjemand scheint zu glauben, damit das große Geschäft machen zu können. Von DIETMAR JACOBSEN

Ausgeträumt

Roman | John le Carré: Federball

Von George Smiley ist in John le Carrés neuem Roman Federball keine Rede mehr. Sein Ich-Erzähler, auch ein Spion, heißt Nat. Nach seinem letzten Auslandseinsatz zurückgekehrt ins Vereinigte Königreich, wird er auf einen Posten abgeschoben, auf dem kein Schaden mehr anzurichten ist. Genug Zeit, sich dem geliebten Badminton-Spiel zu widmen und sich auf ein Duell mit einem Mann einzulassen, der nur mit ihm, dem Vereinsmeister, den Schläger kreuzen will. Dass Edward Shannon mehr ist, als lediglich eine sportliche Herausforderung, kann Nat am Beginn seiner Bekanntschaft mit dem jungen Idealisten allerdings nicht ahnen. Von DIETMAR JACOBSEN

Mörder sind die besten Mordermittler

Roman | Candice Fox: Die Eden-Archer-Trilogie So oft passiert es nicht, dass einen eine Debütantin im Thriller-Genre so richtig umhaut. Zuletzt haben mich die Polizeiromane der Tana French so staunen lassen – aber die spielen in einer ganz anderen Welt und sind gewissermaßen auch realitätsverhafteter als das, was uns die Australierin Candice Fox in ihrer im Original 2014, 2015 und 2016 erschienen, mehrfach preisgekrönten Trilogie um das Polizisten-Geschwisterpaar Eric und Eden Archer, ihren Kollegen Frank Bennett und ihren Ziehvater Heinrich Archer alias Hades erzählt. Von DIETMAR JACOBSEN

Götter-Dämmerung

Roman | John le Carré: Das Vermächtnis der Spione John le Carré, 86-jähriger Altmeister des Spionageromans, hat einen letzten großen Roman über jene Welt geschrieben, der er selbst eine Zeit lang zugehörte: die der Geheimdienste im Kalten Krieg zwischen Ost und West. Und natürlich darf in diesem Buch auch jene Figur nicht fehlen, die bereits in seinem literarischen Debüt, ›Schatten von gestern‹ (1961), auftrat, freilich noch nicht in der exponierten Stellung, die sie später als Meisterspion im Zentrum von acht weiteren Romanen einnahm: George Smiley. Bevor der selbst auf den letzten Seiten des neuen Buches auftritt, wird darin allerdings eine

Auftritt: Die Ex vom BKA

Film | TV: Tatort Die Wahrheit stirbt zuerst (MDR), 16. Juni: Meine Güte – kann Katja Riemann toll eklige Weiber spielen! Und wie charmant Andreas Keppler ihre entzückende Visage beschreibt! Boshaft? Nicht doch! Auch an Eva Saalfeld teilt er aus, »ihr«, sagt er, »hängt die Müdigkeit wie Würmer aus den Augen!« Das ist nicht fein – nein, das gehört sich nicht. Wir lernen, wie Keppler mit den Mädels umspringt, das ist die halbe Miete. Von WOLF SENFF