Jugendbuch | Christopher Ross: Die Farben deines Herzens
Eines Tages haben sie ausgedient, das tapfere Schneiderlein und die schöne Prinzessin, Dornröschen, Rapunzel und die kleine Meerjungfrau, sogar die von Disney. Die junge Leserin wünscht sich etwas, das dem wahren Leben näher ist. Aber so richtig echt soll es nicht sein. Liebe muss selbstverständlich vorkommen. Romantik. Spannung. Und ein Schuss Fantastik. Der Markt bietet auch das. Von MAGALI HEIẞLER
Der kulturelle Legendenschatz der Welt ist unerschöpflich und es nicht die schlechteste Idee von Autorinnen und Autoren, sich daraus zu bedienen. Allzu fremdartig sollte die Vorlage nicht sein, man will ja nicht lange erklären, bevor man zur Sache kommt. Christopher Ross nutzt eine Gestalt aus den Mythen nordamerikanischer Indianervölker, Coyote, Betrüger, Schwindler, zuweilen Verursacher von Chaos.
Chaotisch ist der Schulalltag von Katrina nicht unbedingt, turbulent schon. Sie gehört zum ersten Jahrgang der Senior High School und müsste sich deswegen älteren Schülerinnen und Schülern gegenüber etwas zurückhalten. Was sie nicht tut. Katrina sagte gern ihre Meinung. Prompt gibt es einen Zusammenstoß mit den Stars der Schule, der ein böses Ende hätte nehmen können, wenn nicht er nicht eingegriffen hätte. Adam.
Nicht dass Katrina etwas von Adam wollte, nein. Verliebt ist sie auch nicht in ihn, nein, nein. Aber süß ist er. Indianer. Kaum ist Adam aufgetaucht, häufen sich die seltsamen Vorgänge, die die Schule immer wieder durcheinanderbringen. Unerklärliches geschieht. Und Katrina sieht immer häufiger die Gestalt eines grauen Hunds herumhuschen. Kann es möglich sein, dass Coyote sein Unwesen treibt?
US-Alltag als Kulisse
Ross kennt das US-Amerika, in dem er seine Geschichte spielen lässt, aus eigener Anschauung. Steril wirkt es dennoch. Die Versatzstücke sind rasch aufgezählt, High School, Cheerleader und Abschlussball, Schließfächer, Vertrauenslehrerin, Erdnussbutter und Bagels und Ähnliches mehr wird aufgezählt, statt Atmosphäre zu schaffen. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wir sind in Amerika.
Etwas sorgfältiger, wenn auch weiterhin plakativ ist der Umgang mit dem Kernthema, Rassismus. Adam ist Lakota und trotz behaupteter Gleichberechtigung ist der Alltag der Lakota in Süd-Dakota bedrückend. Katrinas Vater ist Anthropologe und die Familie verbringt viel Zeit in den Reservaten. Katrina kennt sich gleichfalls gut aus und darf nicht weniges von ihrem Wissen umgehend an die Leserin weitergeben. Das ist recht interessant gestaltet und Katrinas Erzählstimme ist so überzeugend, dass man ihr abnimmt, was sie uns erzählt. Dass sie immer wieder einmal »Heilige Makrele« rufen darf, ist das Höchstmaß an Humor, den die Geschichte bietet.
Selbstverständlich hat sie die Rolle der jungen Dame in Nöten inne. Sie wird Mobbing-Opfer, eben so wie Adam. Auch das gehört längst zu den Stereotypen, wenn die Handlung an einer Schule spielt.
Hier jedoch setzt der Autor einen anderen Akzent: die Bösen wie die Guten sind beeinflusst von Wesen jenseitiger Natur. Das ist nicht ungeschickt verarbeitet, nicht zuletzt deswegen, weil Katrina die größte Zweiflerin sein darf und immer wieder energisch verkündet, dass sie sich alles bestimmt nur eingebildet hat. Vermischt mit dem Schulalltag, den Problemen der besten Freundin und ersten eigenen Herzensnöten ist es gut geeignet, die Spannung für die junge Zielgruppe in beträchtliche Höhen steigen zu lassen. Cross gelingt es tatsächlich, Differenzierung vorzutäuschen, wo de facto keine vorhanden ist.
Solides Handwerk siegt
Erzählt wird linear und äußerst brav. Man ist stets an der Seite von Katrina, auf ihrer Seite sowieso. Coyote, gleich, ob sein Schatten über die Wände zuckt oder er in Tiergestalt über den Rasen galoppiert, ist auf eine Art unheimlich, die angenehmen Grusel verursacht, aber selbst bei den empfindsamsten Gemütern keine Albträume. Die Konflikte sind problemlos verstehbar, niemand muss auch nur ein Schrittchen weiter denken.
Gut und Böse ist klar verteilt und da, wo es fraglich werden könnte, gibt es keine Frage, weil die zugrunde liegende Moral messerscharf zwischen Gut und Böse unterscheidet. Niemand gerät hier ins Straucheln. Und wenn doch, dann liegt das an höheren Mächten, die sich ins Menschenleben einmischen. Die Bestrafung der Bösen ist sicher, wie sie erfolgt allerdings nicht unbedingt vorhersehbar. Am Ende gibt es noch eine echte Überraschung. Junge Leserinnen werden vom Geschehen auf jeden Fall gefesselt sein. Auch romantisch Gesinnte kommen auf ihre Kosten.
Abgesehen von Katrina, die sich einfach dadurch erklärt, dass sie die Geschichte erzählt, kann man nicht viel Charakterisierung erwarten. Jason und Jennifer sind trotz ihres arroganten Auftretens unlebendig, die beste Freundin Anne bleibt blass, auch wenn ihre stets scheiternden Beziehungen zum anderen Geschlecht Mitgefühl hervorrufen. Es verschwindet jedoch ebenso schnell wie Coyote, sobald man die Seite zu Ende gelesen hat und umblättert.
Was bleibt, ist eine solide gearbeitete schlichte Romanze für sehr junge Mädchen, deren Kernaussage vehement gegen Rassismus gerichtet ist. Das ist nichts Neues, aber zumindest etwas, das nicht schaden kann. Verpackt ist es in eine nett aufbereitete Liebesgeschichte traditionellen Aufbaus mit US-Flair. Ein bisschen altmodisch kommt sie schon daher, was manche Leserin gemütlich finden kann.
Titelangaben
Christopher Ross: Die Farben deines Herzens
Köln: Boje Verlag 2017
220 Seiten. 12,00 Euro
Jugendbuch ab 12
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