Jugendbuch | John Corey Whaley: Hochgradig unlogisches Verhalten
Das Leben kann kompliziert sein. Vor allem, wenn man noch jung ist und das, was einen draußen erwartet, unübersichtlich und verwirrend scheint. Aber sich dem allen zu verweigern? Von ANDREA WANNER
Nein, es ist nicht leicht. Für keine und keinen. Aber für Solomon Reed wird es so vertrackt, dass er aufgibt. Schon lange leidet er unter Panikattacken. Als 14jähriger bekommt er sie nicht mehr in den Griff. Jetzt ist er 17 und hat seit drei Jahren, zwei Monaten und einem Tag das elterliche Haus nicht mehr verlassen. So funktioniert es. Er macht Hausaufgaben, liest, schaut Serien, vertreibt sich die Zeit mit Karten- oder Strategiespielen mit seinen Eltern und seiner Großmutter, wenn sie zu Besuch kommt. Freunde hat er keine. Aber sein Leben verläuft wieder in geordneten Bahnen, er kann die Dinge kontrollieren und wird nicht von ihnen beherrscht. So könnte es in seinen Augen einfach weitergehen.
Aber an der Stelle taucht Lisa auf. Lisa hat einen Plan. Sie will Psychologie studieren und braucht ein Stipendium. Sie ist klug, ehrgeizig und zielstrebig. Das Stipendium wird sie bekommen, weil sie einen Aufsatz über einen psychisch kranken Menschen und die Begegnung mit ihm schreiben wird.
Als Studienobjekt wählt sie Solomon und nimmt – strategisch perfekt ausgedacht und gut getarnt – mit ihm Kontakt auf. Das funktioniert tatsächlich. Sie und Solomon begegnen sich und auch Lisas Freund Clark, der ihr Verhalten zwar unmoralisch findet, Lisa aber nicht an der Ausführung hindern kann, wird in die Besuche bei Solomon einbezogen.
Unerwartete Entwicklung
Der Plan geht auf. Aber jenseits aller kalkulierten Interessen entsteht tatsächlich eine Freundschaft zwischen den drei jungen Menschen. Allerdings eine, die auf falschen Voraussetzungen fußt. Solomon entwickelt Vertrauen, wagt erste Schritte heraus aus einer Isolation, weil ihm die Freundschaft Mut macht. Von Lisas wahren Motiven ahnt er nichts. Im Gegenteil: sie wird zu dem Menschen, dem er seine innersten Geheimnisse anvertraut. Und auch Clark spielt zunehmend eine wichtige Rolle in Solomons Leben. Die Katastrophe scheint vorprogrammiert.
John Corey Whaley erzählt Solomons Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Den Schilderungen von Solomons Gefühlen und Gedanken gibt er dabei viel Raum. Aber auch Lisa – als seine Gegenspielerin – wird zu einer komplexen Figur, deren selbstsüchtiges Verhalten Gründe hat. In zahlreichen Szenen dominieren witzige Dialoge und amüsante Situationen, die dem ernsten Thema etwas von seinem Schrecken nehmen, ohne es zu verharmlosen. Schrägen Charakteren, wie Solomons Großmutter, und slapstickartige Momente finden ihren Platz und machen die Lektüre zum Vergnügen.
Die Spannung wächst Seite um Seite, da mit jeder Verbesserung von Solomons Situation der erwartete Absturz umso unvermeidlicher und tiefer zu werden droht. Whaley findet aber auch hier eine für ein Jugendbuch geeignete Lösung, und neben vielen Informationen über Agoraphobie weiß man am Ende vor allem, was echte Freundschaften ausmacht.
Titelangaben
John Corey Whaley: Hochgradig unlogisches Verhalten
(Highly Illogical Behavoiur, 2016)
Aus dem Englischen von Andreas Jandl
München: Hanser 2017
240 Seiten. 16 Euro
Jugendbuch ab 13 Jahren
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