/

Ich bin ein kleiner König, gib‘ mir nicht zu wenig

Digitales | Games: Ni No Kuni 2: Schicksal eines Königreichs

Erneut tauchen wir in fantasievolle Parallelwelten zwischen mächtigen Zauberern und niedlichen Geisterwesen ein, dieses Mal um uns als König in einem neugeborenen Königreich zu versuchen. Doch kann der Mix aus Rollenspiel- und Aufbausimulation seinem Vorgänger gerecht werden? Fragt DANIEL MEYER. 

Fangen wir (dieses mal) mit einer hochphilosophischen Frage an: Was macht eigentlich ein gutes Rollenspiel aus? Ist es die Geschichte? Die Spielmechanik? Vielleicht die Tiefe, die durch die Interaktion mit der neu zu entdeckenden Welt entstehen soll?

In meinem Fall würde ich es wohl auf ein einzelnes Wort beschränken wollen: Glaubwürdigkeit. Ein Spiel wird dann gut, wenn ich in seine Welt eintauchen kann, ohne etwas merkwürdig oder unpassend zu finden, wenn ich sehe, dass Entwicklerteams ihr Herzblut in die kleinen Details, Charakteremotionen und Spielereien gesteckt haben, ohne sie im Nachhinein forcieren zu wollen. ›Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Hexe‹ war für mich so ein Spiel; die Geschichte des kleinen Olivers, der nach dem Tod seiner Mutter in eine geheimnisvolle, wenngleich auch fantasievolle Parallelwelt gezogen wurde, um dort von Aufgabe zu Aufgabe über sich selbst hinauszuwachsen – eine emotionale, vor allem aber für alle zugängliche Reise, die sich bis zur letzten Minute genießen ließ.

Ok, bauen wir einfach ein neues Reich!

Leider scheint sich gerade bei diesem Punkt › Ni No Kuni 2: Schicksal eines Königreichs‹ ein wenig schwerer zu tun, als sein Vorgänger. Versteht mich dabei nicht von vornherein falsch, ›Ni No Kuni 2‹ ist keineswegs ein schlechtes Spiel! Es scheint nur leider nicht mehr die gleiche Tiefe entfalten zu können, wie man es von seinem Vorläufer gewohnt war. Das beginnt beispielsweise schon beim eher flach gehaltenem Charakterdesign: Wo Ni No Kuni 1 den Spieler durch seine ganz eigene Erzählweise langsam in die Probleme und Eigenschaften der einzelnen Helden eingeleitet hatte – denken wir allein an den einstündigen Prolog in Olivers Kleinstadt zurück – wirft ›Schicksal eines Königreichs‹ einen schlagartig in einen zwar bewegenden, aber gleichzeitig eher unglaubwürdigen Plot. Roland, erster Protagonist und Präsident des wohl hiesigen Amerikas (nein, kein solcher mit güldner Superlocke) wird Opfer eines Raketenanschlags und versieht sich nach kurzer Ausblende als verjüngtes Ich in der bereits in Ni No Kuni 1 zu findenden Fantasystadt Katzbuckel wieder. Diese wird jedoch just in diesem Moment von einem Putschversuch des hiesigen Rattenministers heimgesucht, sodass er sich gezwungen sieht, die Stadt, zusammen mit dem kürzlich entthronten Katzenprinzen Evan, zu verlassen und mit ihm an einer anderen Stelle ein neues Königreich aufzubauen.

Mehr Action, weniger Detail

Gerade durch diese so rasante Erzählweise bleiben vor allem am Anfang der Geschichte viel zu viele, essenzielle Fragen offen, die nicht nur die Authentizität verschiedenen Charaktere mindert, sondern ebenso das Spielgeschehen undurchsichtig erscheinen lassen: Warum ist Roland nun in diesem Land? Aus welchem Grund entscheidet er sich nach einigen Stunden bereits, sein Leben dem Traum eines kleinen Jungen zu widmen? Weshalb ist es so einfach, ein neues Reich entstehen zu lassen? Es passiert einfach zu oft, dass Personen, die für den Spieler noch als neu und unbekannt erscheinen, irrationale Handlungen ausüben und das scheinbar nur um den eigentlichen Plot voranzutreiben.

Dazu drängt sich leider dazu das Gefühl auf, dass viele kleine Details den eher kurzweiligen, actionlastigeren Momenten des Spieles weichen mussten. Shortcuts, die in Teil 1 an besonderen Stellen eingeschoben und durch die einmaligen Studio Ghibli-Grafiken zu etwas Besonderem wurden, existieren nicht mehr. Gleichzeitig minimieren sich die Soundeffekte innerhalb vieler Unterhaltungen auf einzelne Geräusche oder Ausrufe wie etwa »Gosh!« oder »Whaaat?«, was zum Teil eher nervig wirkt und kaum zum eigentlichen Dialog beitragen kann. Zugegeben, die musikalische Untermalung der einzelnen Gebiete bleibt wundervoll inszeniert und die graphische Umsetzung erinnert stark an seinen Vorgänger, als Gesamtpaket kann es jedoch so nur halb punkten.

Nix Neues an der Front!

Das könnte aber vielleicht auch daran liegen, dass Entwicklerstudio ›Level-5‹ viele Ressourcen in die Neuentwicklung anderer Spielkonzepte verteilt haben könnte, wie etwa das Kampf- oder Städtebausystem. Anders als in Ni No Kuni 1, verabschieden wir uns in diesem Teil erst einmal von den Pokemon-ähnlichen Kämpfen (fand‘ ich eigentlich ganz nett) und kehren zurück in ein dreidimensionales, live-action-basiertes Geplänkel, das viele schon aus Spielen wie Tales of Symphonia oder der bekannten Ys-Reihe kennen werden: Jedem Charakter wurde erneut eine schwere sowie eine leicht Schlagkombinationsabfolge zugewiesen, die sich in Kombination mit vier auszuwählenden Spezialattacken, sowie aufzuladenden Fern- und Nahangriffen an den Lebenspunkten der zumeist niedlich aussehenden Monster zu schaffen machen soll. Zusätzlich lässt sich eine Gruppe von maximal vier »Gnuffies«, kleine Pikmin ähnliche Wesen, in den Kampf einbringen, welche in verschiedenen Gebieten der Welt gesammelt und durch ihre zufällig zu aktivierenden Fähigkeiten (Erzeugung von Heilungsfelder, Beschwörung von Feuerbällen etc.) zu einer Hilfe auf dem Schlachtfeld werden können. Ein netter, schneller Kampfmodus, der sich jedoch nach kurzer Zeit als üblicher Button-Smasher entpuppt.

Manchmal hau‘ ich, manchmal bau‘ ich!

In der übrigen Zeit, in der sich die bunt zusammengewürfelte Truppe unter König Evan nicht auf den Weg macht den anderen Staaten der Welt bei ihren eher stereotypischen Problemen zur Hilfe zu eilen, darf zudem das eigene Reich weiter ausgebaut und von allerlei Invasoren verteidigt werden. Ersteres geschieht hierbei über ein Minispiel-artiges Interface, das in erster Linie an ein neueres Aufbausimulations-Browserspiel ala ›Dark Cloud‹ innern lässt. Potentielle Bewohner können über verschiedene Nebenmissionen (»Bekämpfe dieses Monster!«, »Bring mir dieses Item!«) in die Stadt gelockt und durch den Bau verschiedener Gebäudearten mit einem ihm passenden Beruf versehen werden, was wiederum Materialien und Geld zum Aufbau neuer Gebäude entstehen und so das anfangs noch kleine Dörfchen langsam zu einer richtigen Stadt werden lässt. Auch hier macht der anfängliche Bau durchaus Spaß und die lustigen Geschichten einzelner Nebenmissionen lassen über die bereits lang bekannten Fetch-Questsysteme hinweg sehen, eine Langzeitmotivation bleibt jedoch spätestens in der Mitte des Spiels zu vermissen, wenn das andauernde Überprüfen von Bauzeiten und Berufseinstellungen dem wirklichen Vorankommen der Geschichte hinderlich wird.

Ähnliches gilt auch für den ebenso neu eingeführten Schlachtenmodus, in dem sich Pikmin-gleich, mit einer Reihe von maximal 4 Soldateneinheiten gegen eine Schar von Invasoren gestellt werden kann. Die strategische Note, die sich in den meisten Monsterkämpfen so sehnlichst vermissen lässt, kommt anfangs gut an – das andauernde Wiederholen bestimmter Missionen um mit den angeforderten Levelbedingungen standzuhalten, vermindert jedoch die Lust auf mehr zunehmend.

Die Zusammenfassung

›Ni No Kuni 2: Das Schicksal eines Königreichs‹ ist kein schlechtes Spiel – es besitzt leider aber auch nicht die spielerische Tiefe, um seinem Vorgänger gerecht zu werden. Dabei sind es nicht einmal die etwas repetitiven Nebenmissionen oder die abgeschwächte, filmische oder akustische Untermalung, die das Problem aufzeigen, sondern eher der Umstand, dass nach all der Suche nach etwas Neuem und der Einführung vieler verschiedener, eher kurzweiligerer Spielmodi eines auf der Strecke blieb – die Glaubwürdigkeit.

|DANIEL MEYER

Hat gefallen
  • Bezaubernde Intonation, hinreißende Soundtracks
  • Gewohnt schöne ›Studio Ghibli‹ Darstellungen
  • Interessant eingebaute Spielelemente
  • Geschichte mit einzelnen, wundervollen Momente
Hat nicht gefallen
  • Charakterdesign wirkt zum Teil unausgereift, wenig detailliert
  • Geschichte lässt eine persönliche Note vermissen
  • Repetitive Spielweise der verschiedenen Spielmodi
  • Chibi- und einige CGI Effektüberlagerungen bewirken vereinzelt einen zu starken Kontrast zum Ghibli-Design
81%

Titelangaben
Ni No Kuni 2: Schicksal eines Königreichs
Bandai Namco
erhältlich für Playstation 4, XboxOne und PC.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Siso Lazares erster Fall

Nächster Artikel

Die Schöne und die Biester

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Prolog einer neuen Welt

Digitales | Games: Kingdom Hearts 2.8: The Final Chapter Prologue Manchmal kann es wirklich schwer sein, ein episodisches Spiel objektiv zu behandeln, tragen wir doch alle ab einem gewissen Zeitpunkt eine Art (rosarote) Nostalgiebrille mit uns herum. Umso schwieriger wird es, wenn diese Brille, wie im Falle ›Kingdom Hearts‹, bereits seit 15 Jahren auf unserer Nase sitzt. Die Sicht beginnt langsam zu verschwimmen, die Bügel wollen nicht mehr richtig sitzen – und dennoch! Irgendwie irgendwie möchten wir sie dann doch nicht einfach so abnehmen. Findet DANIEL MEYER.

Tokyo sucht den Superstar

Digitales | Games: Tokyo Mirage Sessions #FE So viel vorweg: ›Tokyo Mirage Sessions #FE‹ wurde für den japanischen Markt entwickelt. Das verrät schon einiges, oder? Zumindest erwarteten die Entwickler offensichtlich keinen allzu großen Umsatz in Europa, denn es wird ausschließlich ein englischer Bildschirmtext in japanischer Sprachausgabe geboten. Zudem ist der Name des Hauptcharakters »Itsuki Aoi «für den Standard-Europäer nicht ohne Grimassen auszusprechen. Wenn das alles nicht abschreckt: Macht euch bereit für eine bunte Mischung voller Kitsch und Absurdität! Liebe Anime-Fans, hier ist TMS. Von PHILIPP LINKE.

Kein schöner Land

Digitales | Games: Rage All die Hochtechnologie umsonst! Was eine Gruppe von privilegierten Menschen vor der sicheren Auslöschung durch einen Kometen-Einschlag mit fatal-globalen Auswirkungen schützen soll, wird zu deren Hightech-Grab. RUDOLF INDERST wirft einen Blick auf seine mumifizierten Kollegen, ehe er als Avatar die sichere, aber arg begrenzte Bunkerwelt verlässt und in die gefährliche Welt von ›Rage‹ eintaucht.

Wenn Dark Souls und Tokyo Ghoul ein Rendezvous haben

Digitales | Games: Code Vein Kinder, schon sind wieder drei Jahre vergangen seit Publisher- und Entwicklerstudio Bandai Namco den Namen Code Vein zum ersten Mal mit ihrem neusten, actionlastigen RPG-Titel in Verbindung brachte – ein neues, Dark Souls-ähnliches Spiel? Noch dazu unterstützt von den Machern der God Eater-Serie und in erfrischend stylischer Animegrafik? Das schien fast zu gut, um wirklich wahr zu sein. Nun jedoch, nach einjähriger Verzögerung und kleineren Anspieltests, ist die neueste Kreation des Hauses Tales, Soul Calibur und Co. endlich auch in unseren Regalen gelandet und wir mussten mit Erstaunen feststellen: »Hm, irgendwie hatten wir dann doch

Kommando Erdnuss!

Wenn im Englischen die Rede von einem »Badass« ist, handelt es sich nicht um einen »schlechten Hintern«, wie die wörtliche Übersetzungen suggerieren würde, sondern um einen eindrucksvollen Draufgänger; oder genauer eine Person, die durch extremes Erscheinungsbild und Verhalten beeindruckt. Eben ein typischer 80er Jahre US-Action-Film Held. Ein Kerl wie John Rambo, Sylvester Stallones Paraderolle als rauer Einzelkämpfer im tiefsten Dschungel, der aufräumt mit den Bösewichten. ›Tembo the Badass Elephant‹ hat nicht nur einen ähnlich klingenden Name, er ist ein Rambo in Elefantengestalt. FLORIAN RUSTEBERG macht aus einem Elefanten eine Rezension.