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Raus hier!

Digitales | Games: A Way out

Achja, der schnöde Alltag: Immer wieder der ewig gleiche Trott, alles wirkt so festgefahren. Da wünscht man sich, doch einfach mal auszubrechen. Nichts wie weg hier, das Establishment aufrütteln und dem Verantwortlichen für unsere Misere eine Lektion erteilen, die sich gewaschen hat. Genau das machen Vincent Moretti und Leo Caruso in dem am 23. März 2018 erschienenen ›A Way Out‹. Erstmals auf der E3 des Vorjahres im Rahmen des Indi-Programms EA Originals vorgestellt, versprach der Titel einigen frischen Wind in die Branche zu bringen: ›A Way Out‹ setzt seinen Fokus auf eine spannende und mitreißende Geschichte rund um einen Gefängnisausbruch. Diese sollen wir kompromisslos kooperativ zu zweit erleben. Begleiten Sie SEBASTIAN BLUME – alias Vincent Moretti – und FLORIAN RUSTEBERG in der Rolle des Leo Caruso auf ihrem Weg in die Freiheit.

Die Geschichte des Spiels beginnt mit Vincents Einlieferung hinter Schwedische Gardinen. Schnell lernt er den Insassen Leo kennen und wird schließlich in dessen Ausbruchplan verwickelt. Um diesen zu realisieren, gilt es einige Vorbereitungen der Reihe nach zu treffen, um schließlich den Duft der Freiheit genießen zu können. Der Ausbruch nimmt jedoch nur etwa ein Drittel des Spiels ein. Anschließend befassen sich Vincent und Leo mit dem Aufspüren des Schwerverbrechers Harvey, mit dem beide ihre ganz eigene Rechnung zu begleichen haben. Das ist freilich nicht ganz einfach, wenn man permanent vor der Justiz fliehen muss. ›A Way Out‹ bringt uns in zwei Episoden auch die Familien der beiden Flüchtigen näher und zeigt, dass beide ihre ganz eigenen Päckchen zu tragen haben.

›A Way Out‹ ist ein story-getriebenes Spiel. Es gibt stets ein klares Ziel, welches es zu erreichen gilt, um die Handlung voranzutreiben. Diese Ziele verfolgen wir immer in kleinen Leveln, die abseits des Weges immer wieder ein paar Ablenkungen in Form von optionalen Dialogen oder Minigames bieten. Zwar bieten die Areale oftmals etwas Raum zum Erkunden, dennoch sind alternative Lösungswege eher die Ausnahme. Wenn das Spiel uns jedoch mehrere Möglichkeiten bietet, geschieht dies in Form einer aktiven Entscheidung: entweder Vincents besonnener Lösungsansatz oder Leos Variante in Haudrauf-Manier.

Ein besonderer Kniff des Spiels ist der dynamische Splitscreen. Wir sehen zu jeder Zeit den Bildschirm beider Spieler und behalten so den Überblick über die Handlungen des Mitspielers. In manchen Fällen wird der Bildausschnitt angepasst. Etwa wenn der Story-Fokus auf einen der beiden Charaktere liegt. Dieser erhält dann einen größeren Ausschnitt, sodass die Aufmerksamkeit der Spieler automatisch auf wichtige Geschehnisse gelenkt werden kann.

Der Schwierigkeitsgrad in ›A Way Out‹ ist sehr moderat. Das hat den Vorteil, dass die Handlung nicht ständig unterbrochen wird und wir in spannenden Szenen nicht immer wieder neu laden müssen. Dies spiegelt sich auch in der leicht zu erlernenden Steuerung wider. Spielt man mit einem Gamepad, so werden längst nicht alle Tasten ausgeschöpft. Auch die Spielmechaniken beschränken sich auf das Wesentliche.

Nachdem Florian und ich die Credits über den Bildschirm laufen sahen, fiel es mir nicht ganz leicht das Spiel einzuordnen. Wem kann ich ›A Way Out‹ empfehlen, wem eher nicht? Die Spielmechaniken bleiben das gesamte Spiel über seicht und locken damit auch Wenigspieler. Oftmals beschränkt sich das Gameplay darauf, Quicktime-Events zu meistern oder in Point and Click-Adventure-Manier kleinere Rätsel zu lösen. Das wird durch die Kooperation mit dem Mitspieler zwar immer etwas aufgelockert, aber wirklicher Tiefgang will sich nicht entfalten. Es fällt zudem auf, dass wir – vom Umherlaufen und Umsehen mal abgesehen – immer nur die Aktionen durchführen können, die das Spiel gerade verlangt. Das wirkt auf Dauer ein wenig steif.

Das Spiel bietet eine sehr gute Mischung aus ruhigen Passagen und Actionfeuerwerk. In den rasanten Szenen hat mir das Teamplay besser gefallen, da lustigere Situationen entstehen können und die Dynamik mit dem Mitspieler unter Zeitdruck auf die Probe gestellt wird. In einer Sequenz etwa fuhr ich unser Fluchtfahrzeug und Florian versuchte, sich mit Waffengewalt der Verfolger zu entledigen. Hier galt es für mich also geschickt Hindernisse zu umkurven, mich nicht abdrängen zu lassen und zugleich einen möglichst ruhigen Fahrstil beizubehalten, damit mein Mitspieler seiner Aufgabe nachkommen konnte. Solche Szenen zeigen einerseits, wie viel Portential im Spiel steckt. Auf der anderen Seite fällt aber gerade in diesen Sequenzen auf, dass das Spiel von einem kleinen Studio mit moderatem Budget stammt.

Aber wie gut funktioniert die Geschichte? Diese steht prominent im Mittelpunkt des Spiels, welches um die Idee der beiden Gefängnisausbrecher gebaut wurde. Und leider ist sie nicht ohne Makel. Unser Antagonist Harvey ist das Abziehbild eines Gegenspielers ohne wirkliche Facetten. Er ist einfach ein radikaler, durch und durch menschenverachtender Schwerverbrecher ohne Tiefgang. Da wäre mehr drin gewesen. Die Versuche der Entwickler, uns die Familien und persönlichen Dilemmata der Protagonisten nahe zu bringen, funktionieren zwar gut, wirken aber stellenweise auch so, als hätte man sie aus dem Einmaleins für Storyautoren abgeschrieben. Und obwohl das Finale durchaus den Höhepunkt darstellt und mich gefesselt hat, so erkauft es sich dies jedoch durch eine Prämisse, die manche Aspekte der Handlung ad absurdum führt.

So bleibe ich mit gemischten Gefühlen zurück. Das Gameplay bleibt weit hinter AAA-Produktionen zurück, die Geschichte ist spannend erzählt und filmisch inszeniert, wirkt jedoch stellenweise etwas uninspiriert. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt mit ›A Way Out‹ sechs bis sieben Stunden solide Unterhaltung. Gerade Spieler, die gerne mit Freunden spielen, sollten einen Blick riskieren. Gemeinsam flüchtet es sich schließlich besser.

| SEBASTIAN BLUME

Titelangaben
A way out
EA Games, Hazelight Studios
erhältlich für PlayStation 4, Xbox One, Microsoft Windows

Hat gefallen
  • cineastische Inszenierung
  • kontextsensitiver Splitscreen
  • teils clevere Ideen für interessante Koop-Erlebnisse
  • einige erinnerungswürdige Momente
Hat nicht gefallen
  • Geschichte insgesamt altbacken und mit Logiklöchern
  • Charaktere nicht komplett ausgearbeitet
  • Minimale spielerische Herausforderung
  • Viel zu lange Zeit werden die Koop-Möglichkeiten nicht ausgereizt

 

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