Der Ball, der Baum und 71 Schafe

Kinderbuch | P.Albo / R.N. Guridi: 71 Schafe spielen Fußball

Nicht immer geht es beim Fußballspielen um die Ehre, um Millionengewinne, um den Pokal. Manchmal geht es auch um den Spaß am Spielen. Wenn der Ball nur nicht im Baum hängenbleiben würde. Aber so ist es manchmal. SUSANNE MARSCHALL hat sich jedenfalls köstlich amüsiert.

71 Schafe spielen Fußball 9783848901272 - 350Das ist dumm gelaufen, genauer gesagt: saudumm. Grad wurde das Spiel angepfiffen, schon wird es wieder unterbrochen: Die Nummer 1 hatte kein glückliches Händchen – vielmehr Füßchen. Vielleicht hatte sie einen Krampf in der Wade oder eine lästige Fliege im Auge. Oder die Sonne hat sie geblendet. Wie dem auch sei: Der Ball sitzt jetzt jedenfalls in einer Astgabel fest, und es scheint ihm, dort zu gefallen.

Schafe spielen ja möglicherweise ein bisschen anders Fußball, vielleicht sind es auch nur diese Schafe. Das fängt schon mit der Zahl an: Genau 70 Spieler müssen es sein, 35 auf der einen Seite, 35 auf der anderen. Der Schiedsrichter ist das 71. Schaf – das einzige schwarze – und der bleibt in der Mitte. Und da stehen sie dann, dicht an dicht wie die Sardinen, dass sie sich kaum mehr rühren können: Auf staksigen Strichbeinchen – da traut man ihnen schon von vornherein keinen gescheiten Pass zu – mit ihrem wolkigen Gewolle und dem etwas verständnislos dümmlichen Blick. Los geht’s: Pfiff – Kick – Ball in der Astgabel – noch dümmlichere Gesichter …

Aber ganz so dumm sind sie auch wieder nicht: »Die Schafe versuchen, den Ball auf die eine oder andere Art wieder runterzuholen.« Zwei Gruppen scharen sich um den Baum mit angestrengt verkniffenen Augen und rütteln, was ihre dürren Strichärmchen hergeben. Und tatsächlich, er wackelt ordentlich. Schwingt rasend schnell hin und her, dass man gleich mehrere Bäume sieht. Die restlichen Schafe haben sich dahinter aufgestellt. Konzentriert und mit gespitzten Lippen prusten sie, was das Zeug hält, stoßen wellenlinienförmig die Luft aus ihren Lungen. Nur leider sind sie keine geübten Puster: Schon kurz darauf löst sich ihr Gepruste in einem kleinen wolkigen Plopp auf. Also keine sehr große Hilfe. Aber was ist das? Da kneift doch tatsächlich eines auf der rechten Seite: Kaum zu glauben, dass sich das Schaf getraut, in so einer prekären Situation ans Fressen zu denken. Und sind Schafe nicht eigentlich Mitläufer?

Der Wolf

Der Ball, ein Wollknäuel (ist ja klar), sitzt immer noch fest, nur die letzten gelben Blättchen segeln gen Boden: »Sie versuchen es noch einmal.« Werfen mit Steinchen. »Und noch einmal.« Mit Schafen. Hurra: »Das Spiel kann weitergehen.« Geht es aber nicht. Jetzt hängt nämlich ein Schaf im Baum fest. Und dann kreuzt auch noch der Wolf auf: Mit panisch aufgerissenen Augen sehen sie die schwarzen Ohren hinter der Bergkuppe auftauchen. Und schwupps, sitzen alle im Baum: »Er läuft vorbei. Was für ein Glück!« Furchteinflößend waren allerdings auch nur die Ohren und nur von Weitem: Es ist ein alter Wolf, der nur noch wenige Zähne hat, und kurzsichtig ist er auch noch: Wofür sollte er sonst diese dicke Brille tragen?

Ein herrlich herzerfrischendes Bilderbuch: einfach, verspielt, überraschend. Voller skurriler Einfälle, unvorhersehbarer Ereignisse und Wendungen. Die Sprache von Pablo Albo – ein großes Lob an die Übersetzerin Mónica Hahn – ist fast schon schwarzhumorig trocken, glasklar und vollkommen schnörkellos. Und das, was der spartanische Text im Vagen lässt, buntstiftelt Guridi mit sparsam präzisen und lockeren Strichen, die umso lustvoller erzählen. Er füllt die wenigen Worte, die wie ein Zuruf sind und ein bisschen an Regieanweisungen erinnern, mit prallbuntem Leben aus abstrusen und witzigen Ideen: ein kongeniales Team, ein vergnügliches Bilderbuch, das so richtig zur Fußballweltmeisterschaft passt. Auf seine ganz spezielle Art. Mehr davon!

| SUSANNE MARSCHALL

Titelangaben
Pablo Albo / Raúl Nieto Guridi: 71 Schafe spielen Fußball
(71 Ovejas, 2016) Übersetzt von Mónica Hahn
Hamburg: Aladin Verlag 2018
44 Seiten, 12,95 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Thinking Of Yesterday’s Tomorrows: An Interview With Moomin

Nächster Artikel

Äußerst verdichtet

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Heiteres Versteckspiel

Kinderbuch | Elena Galloni: Wer steckt unter dem Hut? Ein Hut? Fallen wir darauf rein? Wissen wir es nicht längst besser, dass es sich um eine Riesenschlange handelt, die einen Elefanten verschlungen hat? Quatsch! Das ist ein Bilderbuch für die Kleinen. ANDREA WANNER will es wissen.

Gefiederte Gäste werden zu Freunden

Kinderbuch | Matías Acosta: Die Sommergäste – Las visitas del verano

Viele zweisprachige Kinderbücher hat der Schweizer Baobab Verlag in seinem Angebot. Eine schöne Sache, für die, die zwei Sprachen beherrschen, zweisprachig als Kind aufwachsen oder neugierig sind auf eine andere Sprache. Und zugegeben, der Klang einer anderen Sprache lässt eine Geschichte doch noch spannender erscheinen, oder nicht? – fragt BARBARA WEGMANN

Ein ganzes Jahr mit Gedichten

Kalender | Internationale Jugendbibliothek (Hrsg): Der Kinder Kalender 2023

Kinderkalender gibt es ja einige. Aber einer überragt sie alle: Früher hieß er Arche Kinder Kalender. Mit seiner wunderbaren Auswahl, den unterschiedlichen Texten und phantasievollen Illustrationen ist er seit Jahren die beste Wahl. Von GEORG PATZER

Krach, bumm, wumms, zwitscher…

Bilderbuch | Benjamin Gottwald: Spinne spielt Klavier

Es gibt Titel, die einen sofort ansprechen und die Fantasie im Kopf ankurbeln. Eine Spinne, die Klavier spielt. Hört man da nicht sofort leise, sanfte, hohe Töne, die nach Spinnenarmen und – beinen klingen, die über die weißen und schwarzen Tasten huschen? ANDREA WANNER freute sich auf das Bilderbuch.

Wer braucht schon eine Krone?

Kinderbuch | Davide Calì: Die Königin der Frösche, die sich nie die Füße nass macht

Ja, ich gebe zu: Frösche gehören mit zu meinen Lieblingstieren, früher habe ich sie einmal gesammelt, in Form von Bildern, Keramik, Seifen. Und wehe Freunde erfuhren, was man sammelte. So war ich beim Anblick des Titelbildes dieses Kinderbuchs sofort verliebt in diese Geschichte. Und die Begeisterung hielt übrigens an bis zur letzten Seite, findet BARBARA WEGMANN