Comic | Zeichnerin Frauke Berger im TITEL-Interview
Auch in dem immer bunter und größer werdenden Programm des Splitter Verlages wirkt ›Grün‹ wie eine kleine Ausnahmeerscheinung: Ein Erstlingswerk einer jungen deutschen Zeichnerin, das sich klar zum Fantasy-Genre bekennt, aber nicht martialisch und düster daherkommt, sondern verspielt und eigenwillig. BORIS KUNZ hat sich auf dem Comicsalon mit Frauke Berger über die Entstehung ihres Debütalbums unterhalten.
Der Planet Haan steckt wirklich in der Krise. Nachdem der exorbitante Raubbau an seinen Rohstoffen ihn fast zum Kollabieren gebracht hat, ist nur noch ein winziger Teil seiner Oberfläche bewohnbar geblieben, dessen bunte Bevölkerung sich nach einem großen Krieg in eine Art Postapokalypse zurückversetzt sieht. Der größte Teil der ohnehin reduzierten Welt ist von einer Wüste bedeckt in der Nomaden um ihr Überleben kämpfen, der Rest der Zivilisation hat sich in Spalten, Höhlen und alte Kanalisationen zurückgezogen und träumt von einem Platz auf einer der letzten Archen, die auf Stelzenbeinen durch die Wüste staksen. Und auch das titelgebende Grün steht nicht mehr für Hoffnung, sondern für eine aggressiv wuchernde Pflanzenwelt, die in der Wüste gezielt Jagd auf biologisches Leben macht.
Durch diese Welt schlägt sich, Seite an Seite mit verschiedenen verschrobenen Gestalten, die Nomadin Lis, deren geheimnisvolle Vergangenheit wohl mehr mit der Pflanzenseuche und der Misere dieser Welt zu tun hat, als es zunächst den Anschein hat.
Das klingt düsterer und bedrohlicher, als es sich in Frauke Bergers Comicalbum letztendlich liest. Hauptsächlich, weil die Zeichnerin und Autorin ihre Welt und ihre Figuren mit einer gewissen Skurrilität und einem eigenwilligen, dezenten Humor versieht, der sich auch in den Zeichnungen niederschlägt. Auch in diesen beweist sie – buchstäblich – Mut zur eigenen Handschrift und lässt ihren ins cartoonhafte spielenden Strich nicht hinter aufwändigen digitalen Effekten zurücktreten, sondern betont ihn mit einer stimmungsvollen aber flächig-monochromen Farbgebung, die sich an den jeweiligen Bereich der Welt anpasst, den wir an der Seite von Lis erkunden.
Für einen modernen Comic in diesem Genre erscheint das ungewöhnlich, findet aber Anklang: Am Stand von Splitter auf dem Comicsalon in Erlangen muss Frauke Berger ein paar wartende Fans auf ihre nächste Signierstunde vertrösten, als ich dort zum Interviewtermin erscheine.
Schritt für Schritt zur fertigen Welt
TITEL: Ist es das erste Mal für Dich, dass Du so einen Fan-Andrang auf Dein Comicalbum erlebst?
Frauke Berger: Das Album ist bereits Ende Februar erschienen, bei der Leipziger Buchmesse gab es also schon erste Signierstunden. Deswegen konnte ich mich jetzt für Erlangen schon ein Bisschen besser vorbereiten auf das, was da passiert.
Was war denn für Dich die Initialzündung für das Projekt? Hattest Du als erstes diese Welt im Kopf, die Figuren oder die Grundidee für die Story?
Am Anfang gab es Versatzstücke dieser Welt, verschiedene Regionen, verschiedene Ideen, die sich langsam zusammengefügt haben. Als nächstes entstanden verschiedene Kurzgeschichten, die in dieser Welt gespielt haben, mit unterschiedlichen Charakteren, und für das Comicalbum wurde das alles zusammengefügt zu einem funktionierenden Ganzen.
Ist Lis, die Hauptfigur, also erst relativ spät entstanden um Deiner Welt eine Geschichte zu geben?
Ja, Lis war am Anfang ein Mann – davor ein sogar ein Vater mit einem Sohn – da hat sich auf jeden Fall im Laufe des Prozesses viel verändert. Es stand nicht zuerst ein Charakter fest und dann die Welt, sondern es war andersherum.
Wie weit war die Geschichte gediehen, als Du beschlossen hast, Dich an einen Verlag zu wenden?
Als ich zum Verlag gegangen bin, hatte ich ein paar fertig gezeichnete und kolorierte Seiten, ein paar Charaktere und ein Skript. Aber auf meinem Schreibtisch war sogar schon die erste Hälfte des ersten Bandes fertig. Ursprünglich war die Geschichte ausgelegt auf drei Bände, hat sich allerdings jetzt auf zwei Bände á 60 Seiten reduziert. Die Geschichte an sich stand aber schon fest, dadurch dass sie jetzt auf zwei Bände ausgelegt ist habe ich allerdings ein paar Teile herausnehmen müssen, die eher für das Worldbuilding und die Atmosphäre zuständig waren, aber nicht essenziell waren für den Plot.
Wie kam die Entscheidung zustande, zunächst zwei Bände daraus zu machen?
Dadurch, dass es mein Erstlingswerk ist und ich vorher noch nie etwas veröffentlicht hatte, wollte der Verlag nicht gleich mit einer zu großen Reihe starten – was ich auch verstehen kann. Ich bin sehr froh, dass ich diese zwei Bände machen darf. Diese 120 Seiten sind auf jeden Fall auch schon eine Menge.
Zeichnest Du alles von Hand oder nimmst Du irgendwann den Computer zu Hilfe?
Vorzeichnung und Reinzeichnung sind von Hand, mit Bleistift und Fineliner auf ganz normalem Papier, die Kolorierung mache ich dann später am Computer. Ich habe mir auch vorher schon für jede einzelne Region des Planeten ein Farbschema erstellt, nachdem ich dann vorgehe, damit das ganze am Ende wie aus einem Guss erscheint.
Wie lange arbeitest Du an einer Seite?
Ich könnte, wenn ich Vollzeit an dem Album arbeiten und von morgens bis abends daran sitzen könnte, an einem Tag zwei Seiten schaffen. Das ist leider sehr selten der Fall, deswegen bin ich in der Regel langsamer. Ich habe einen Teilzeitnebenjob, derzeit in der Druckvorstufe bei einem Verlag, und bin noch freie Mitarbeiterin in einer Werbeagentur.
Vom Manga zu Moebius
Wie bist Du auf den Splitter-Verlag für Dein Album gekommen?
In der Comic-Sektion einer Webseite, die es mittlerweile leider nicht mehr gibt, wurde der Verlag mit seinen Comics vorgestellt, das hat mich dann sehr interessiert und so habe ich ihn mir genauer angeschaut. Damals war meine Geschichte noch nicht ganz ausgereift. Ich habe mich dann natürlich auch noch nach anderen Verlagen umgeschaut aber habe einfach für mich festgestellt, dass es am ehesten zu Splitter passt, und bin deswegen dort auch als erstes hingegangen.
Liest Du denn selbst auch viele Fantasy-Comics, wie sie bei Splitter erscheinen? Hast Du da auch Deine Vorbilder?
Was ich oft höre, ist, dass mein Comic an Moebius erinnert, das habe ich auch während des Studiums sehr oft schon gehört, eigentlich komme ich aber eher aus der Manga-Ecke und lese auch selbst eher mehr Manga – das ist zumindest der größte Anteil meiner Comiclektüre. Für das Studium habe ich mich etwas davon gelöst und bin dadurch irgendwie bei meinem Moebius-artigen Stil gelandet. Das ist aber ganz unabsichtlich so entstanden.
Arbeitest Du eher intuitiv oder packst Du auch ganz bewusst gewisse Bedeutungsebenen in Deine Comics?
Allein schon, dass mein Planet aussieht wie ein angebissener Apfel – etwas was ja in Wirklichkeit so nicht existieren könnte – da steckt natürlich auch ein gewisser Symbolismus mit drin. Das war aber nicht von Anfang an so geplant. Es sollte eigentlich eine klassische Fantasy / Science-Fiction Geschichte werden. Als ich dann entdeckt habe, was da für aktuelle Themen drinstecken, habe ich versucht, sie nicht zu plakativ in den Vordergrund zu ziehen. Die Hauptbotschaft der Geschichte sollte es nicht werden – wer sie mitnehmen möchte, dann das gerne tun, ich stehe da auch dahinter, aber es sollte kein spezieller »Öko«-Comic werden.
Wie weit bist Du mit dem zweiten Band?
Mittlerweile fast fertig. Ich bin gerade noch dabei, ein paar Szenen auszusortieren und umzubauen, damit alles etwas flüssiger wird, aber die hauptsächliche Arbeit ist schon getan.
Fängst Du auf der ersten Seite an und arbeitest Dich nach hinten durch?
Ich plane von Anfang an ein, wie viele Seiten ich für welchen Abschnitt verwenden möchte. Dann arbeite ich meistens zunächst den Anfang und das Ende aus und gehe dann die Zwischenschritte durch – nicht unbedingt in der Reihenfolge der Geschichte, sondern die Schlüsselszenen als erstes und dann die Verbindungen zwischen den Szenen. Dadurch, dass ich eine Begrenzung der Seitenzahl habe, habe ich versucht, sehr strukturiert vorzugehen und erst mal zu schauen, dass alles gut im Fluss ist und alle Figuren gut zur Geltung kommen.
Die Herausforderung ist also eher das Kürzen als das Füllen eines ganzen Albums?
Ja, definitiv.
Sprichst Du mit dem Verlag mehr über Formalien wie Seitenzahlen etc. oder auch über den Inhalt der Geschichte?
Es hat mich selbst überrascht wie frei ich bin was die Geschichte und den Stil angeht, da wird mir eigentlich nicht reingeredet. Ich habe allerdings ein Lektorat auf das Album gekommen, daraufhin wurde der Text noch einmal etwas überarbeitet, aber an den Bildern selbst hat sich nur noch sehr wenig geändert – das hätte ich auch nicht erwartet. Und bei den Textänderungen ging es fast nur um Verständlichkeit: Manches, was mir sonnenklar war, hat dem Leser nicht unbedingt sofort eingeleuchtet …
Geht es Dir auch darum, dass es in der Geschichte Dinge gibt, die nicht komplett auserklärt werden und dem Leser noch etwas rätselhaft bleiben?
Ein paar Sachen, die auch die Charaktere nicht unbedingt wissen, oder Dinge, die für diese Geschichte nicht so relevant sind, werden nicht direkt erklärt. Manches aus der Vergangenheit ihres Planeten wissen die Bewohner auch selbst nicht mehr. Es werden im zweiten Band noch mal viele Fragen beantwortet und Hintergründe erklärt, aber viele Sachen bleiben auch einfach etwas mysteriös. Ich mag es auch ganz gerne, wenn nicht alles immer auserklärt wird und exakt vor einem ausgebreitet wird. Ich finde es ganz spannend, wenn noch etwas Mysterium bleibt, sodass man sich einen Teil auch selbst denken muss.
Was würdest Du einem Comicleser empfehlen – gibt es gerade irgendeinen besonderen Geheimtipp von Dir?
Ich mag ›Azimut‹ sehr gerne, der auch bei Splitter erschienen ist. Es ist eine tolle Welt mit vielen skurrilen Figuren – kann ich auf jeden Fall nur sehr empfehlen!
Dann vielen Dank für das Gespräch.
Titelangaben
Frauke Berger (Text und Zeichnungen): Grün – Buch 1
Bielefeld: Splitter Verlag 2018
56 Seiten, 15,80 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Azimut Rezensiert in TITEL kulturmagazin
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander