Jugendbuch | Eric Bell: Dieses Leben gehört Alan Cole
Geschwister können eine wunderbare Unterstützung im gemeinsamen Leben sein – oder einem das Leben im wahrsten Sinne des Wortes zur Hölle machen. Der Bruder von Alan Cole versteht Letzteres perfekt. ANDREA WANNER
Alan hat ein Problem. Eigentlich hat er sogar mehrere Probleme. Zuhause ist es kaum auszuhalten, was zum einen an seinem Vater, zum anderen an seinem Bruder liegt. In der Schule ist es nicht besser, denn da fehlen ihm die Freunde an seiner Seite – und leider geht sein älterer Bruder Nathan in die gleiche Schule. Und dann ist Alan auch noch verliebt. Das ist eigentlich etwas Schönes und mit 12 Jahren auch total normal – aber Alan hat sich ausgerechnet in einen Jungen verliebt.
Das Allerdümmste aber ist, das Nathan hinter sein Geheimnis kommt. Das macht Alan erpressbar. Und Nathan hat auch schon eine wunderbare Idee, wie er sich einen Riesenspaß daraus machen kann. Er stellt dem Jüngeren sieben Aufgaben, eine schlimmer als die andere, die er erfüllen muss. Andernfalls verrät er allen, dass Alan schwul ist. Was bleibt ihm anderes als sich auf CgC, Cole gegen Cole einzulassen?
Und die sieben Punkte lange Liste hat es in sich: Alan muss zum bekanntesten Schüler der Schule werden, die Schwimmprüfung bestehen (beide Brüder sind Nichtschwimmer), jemanden zum Weinen bringen. Vermutlich handelt es sich dabei noch um die harmloseren Dinge, denn es gehört auch dazu, sich von seinem wertvollsten Besitz zu trennen. Und ganz unmöglich: sich offen gegen Dad zu stellen. Im Gegenzug darf Alan Nathan auch sieben Aufgaben stellen. Da kommt ihm ein raffinierter Gedanke: Nathan soll die gleichen Aufgaben lösen wie er.
Eric Bell konstruiert in seinem Jugendroman eine ausweglos scheinende Situation, an der nicht nur der Held, sondern auch der Leser fast verzweifelt. Warum lässt er sich das gefallen? Warum ist der große Bruder so gemein zu ihm? Und warum merkt er nicht, dass Madison und Zack, seine beiden Klassenkameraden, durchaus dazu bereit wären ihm zu helfen?
Alan scheint der geborene Loser zu sein, einer, auf dem alle rumtrampeln. Einer, der es allen recht machen möchte und daran selbst zugrunde geht. Beinahe. Denn die neue CgC-Liste ist so unschaffbar, dass Alan etwas wie der Mut der Verzweiflung packt. Statt zu kapitulieren, fängt er an, sich den Aufgaben zu stellen. Unsicher, voller Ängste – aber nicht allein. Und auch wenn ein Sieg aussichtslos ist, kann er vielleicht keine Teilsiege erringen. Erfolgserlebnisse, an denen er wächst.
Eric Bells Debüt erschien 2017 unter dem Titel ›Alan Cole is Not a Coward‹ und wer das Gefühl hat, dass diese Geschichte noch nicht ihren endgültigen Schlusspunkt gefunden hat, liegt richtig. ›Alan Cole Doesn’t Dance‹ erscheint im Herbst 2018 – zunächst auf Englisch.
Bell erzählt mit ebenso viel Witz und Humor wie Einfühlungsvermögen über einen 12jährigen Jungen, gegen den sich die Welt verschworen zu haben scheint. Die Erwachsenen sind in ihrer Darstellung etwas platt – weder der despotische Vater noch die unterwürfige Mutter überzeugen so ganz – dafür ist die Charakterisierung und Beschreibung der unterschiedlichen Jugendlichen umso besser gelungen.
Alan Cole ist ein Held, mit dem man fühlt, leidet, weint und tobt, dem man schnell alles Glück der Welt wünscht und mit dem man sich über jeden noch so winzigen Erfolg freut. Seine künstlerischen Ambitionen sind hoch – vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen. Sein Herz jedenfalls hat er auf dem rechten Fleck und das rückt manche Dinge zurecht. Einfacher ein guter Typ. Und ein gutes Buch.
Titelangaben
Eric Bell: Dieses Leben gehört Alan Cole. Bitte nicht knicken
(Alan Cole is Not a Coward, 2017). Aus dem Amerikanischen von André Mumot
Frankfurt am Main: Sauerländer 2018
304 Seiten, 14 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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