Bonbons, Lutscher, Eis?

Kinderbuch | Thierry Lenain & Barroux: Was machen Eltern nachts?

Die Welt ist voller Geheimnisse. Wie schlafen Fische? Warum sind die Ferien immer zu kurz? Oder was machen die Eltern nachts. Sofia erforscht es, GEORG PATZER ist sehr angetan.

Schaltzeit: Was machen Eltern nachtsEine nur allzu verständliche Frage. Denn hierzulande werden die Kleinen ja früh ins Bett gesteckt (in Italien dürfen sie bis spätnachts herumturnen), und dann … ja, dann … Was machen sie dann, die Eltern? Die kleine Sofia hat ein paar Ideen, die sie ihren Eltern präsentiert: »Ihr schaut sicher ganz viele Zeichentrickfilme an!« oder »Wahrscheinlich esst ihr lauter Kekse und Bonbons und schleckt Lutscher und Eis…«

Nein, das machen sie nicht. Sie feiern auch nicht mit allen Freunden und tanzen und lachen zusammen. Verkleiden sich auch nicht als Ungeheuer und reisen in ein fremdes Land, in dem es lauter Drachen gibt. »Oder aber, ihr habt noch ganz viel andere Kinder und nachts kümmert ihr euch immer um sie!« Sofias Phantasie ist einfach unerschöpflich.

Aber die Eltern können sie beruhigen, denn zu viele Zeichentrickfilme würden sie ja nur hundemüde machen, zu viele Kekse und Bonbons machen ihnen schon vom Zuhören Bauchschmerzen. Und Feste feiern sie doch immer nur mit Sofia zusammen: »Und zwar so lange, bis du irgendwann erschöpft neben der Katze einschläfst.« In einem fremden Land hätten sie viel zu viel Angst. Und viele andere Kinder? »Wo würden wir sie tagsüber verstecken?«

Thierry Lenain hat ein witziges Bilderbuch über eine wichtige Frage geschrieben, und Barroux hat phantasievolle Illustrationen dazu geschaffen. Da sieht man, wie die Eltern sich vor dem Fernseher fläzen, Teppich und Couch sind übersät mit Chips und Popcorn, die CD-Hüllen liegen herum, dass es wie ein Saustall aussieht. Oder einen Riesenberg mit Törtchen, Muffins, Zuckerstangen, Eiskugeln, Kuchenstücken, Tortenbergen, und die Eltern sind schon vom Anschauen der Köstlichkeiten kugelrund geworden. Wild bewegt ist das Fest, rot und blau sind die Tänzer und Tänzerinnen gekleidet, und die Sterne tanzen mit ihnen mit quer durch den Saal, und im Eck liegen Sofia mit ihrem Stoffhäschen und die Katze eng nebeneinander gekuschelt auf dem Sofa..

Aber noch hat Sofia ja nicht herausbekommen, was die Eltern nachts machen. »Dann sagt ihr vielleicht lauter Zaubersprüche auf, die mich in ein artiges Mädchen verwandeln sollen.« Aber nein, die Eltern widersprechen: »Wir mögen doch unsere Sofia so, wie sie ist.« Aber dann weiß sie es: »Nachts gebt ihr euch ganz viele Küsse. So viele, dass eines Tages keine mehr übrig sind.« Da muss sie sich aber keine Sorgen machen, für sie bleiben immer welche übrig.

Und dann, ganz am Schluss, entdeckt Sofia doch noch, was die Eltern machen, nachts, spät. »Mama? Papa?« Da liegen sie nämlich nebeneinander im Bett, die große, rote Kuscheldecke über ihnen ausgebreitet, die Äuglein zu, vier Füße ragen unten raus, und die Schühchen stehen in Reih und Glied. Und dann kriecht Sofia zufrieden zu ihnen, fasst den einen rechts, die andere links. Und wie nebenbei formt sich das große Bett zu einem riesengroßen Herz.

Was machen Eltern nachts - Leseprobe

Es ist ein putziges, kleines Werk, ohne Zeigefinger, mit ganz viel Phantasie und einem großen zeichnerischen Spielwitz. Und wie gut, dass man dann am Schluss wirklich weiß, was sie machen, die Eltern, wenn die Kinder sie müde gefragt haben …

| GEORG PATZER

Titelangaben
Thierry Lenain & Barroux: Was machen Eltern nachts?
(Mais que font les parents la nuit? 2017), übersetzt von Claudia Sandberg
Berlin: Schaltzeit Verlag 2018
Bilderbuch ab 4 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Herausforderung

Nächster Artikel

Koma, Koks und Kiss-Cam

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Runter vom Sofa

Kinderbuch | Franziska Biermann: Der faule Kater Josef

Kater Josef hat es sich gemütlich in seinem Leben eingerichtet. Er verbringt seine Tage im Wesentlichen auf seiner Couch und fühlt sich dort pudel-, Verzeihung!, katerwohl. Das soll sich ändern. ANDREA WANNER freute sich an der amüsanten Geschichte.

Monsieur Hulot und der Oktopus

Kinderbuch | David Merveille: Hallo Monsieur Hulot »Wie eine Perlenschnur sind die Gags aufgereiht, verbunden von einer überaus liebenswerten Intelligenz und einem romantischen Charme, der über Chaplins kalkuliertes Spiel weit hinausgeht. Eine zärtlich-erfreuliche Typen-Komödie, die sich gegen jede filmische Einordnung nicht nur im französischen Kino sperrt.« liest man im Lexikon des Internationalen Films, wenn man nach Monsieur Hulot sucht. ANDREA WANNER als alter Jacques-Tati-Fan freut sich über ein besonderes Bilderbuch.

Zwei Welten, ein neuer Anfang?

Kinderbuch | Martin Baltscheit: Rolf und Rose

Rolf, die junge taffe Assel aus Unterbach, und Rose, der zarte Schmetterling von der Oberwiese, haben etwas gemeinsam: Für beide ist der Tag ein besonderer. Sie müssen beweisen, dass sie erwachsen sind und Verantwortung übernehmen können. Und dann begegnen sich die beiden, die eigentlich von Natur aus Feinde sind. Von ANDREA WANNER

Kreaturen mit Fischschwanz und ausladendem Oktopusrock

Kinderbuch | Jessica Love: Julian ist eine Meerjungfrau

Verkleiden, sich neu einkleiden, mehr mit der Phantasie spielen als mit dem, was das Kaufhaus uns bietet, könnte man immer. Aber für Erwachsene, gar für Männer, ist das nicht passend – leider: Das Bürgertum Anfang des 18. Jahrhunderts hat nachhaltig dafür gesorgt, dass Männer sich eher langweilig kleiden müssen. Kinder sind da freier. Und wenn ein Junge von Meerjungfrauen schwärmt und einfach aus dem Wohnzimmer nimmt, was er findet, kann alles Mögliche passieren. Von GEORG PATZER

Recht und Gerechtigkeit

Kinderbuch | Juli Zeh, Elisa Hoven: Der war’s

Ein geklautes Pausenbrot bringt den Stein ins Rollen. Genau genommen sind es mehrere. Und nicht irgendwelche, sondern Maries Superstullen mit raffiniertem Belag. Zum Glück wird der Täter auf frischer Tat ertappt. Fall gelöst! Nicht ganz. Von ANDREA WANNER