Film | TV/Mediathek: Greyzone – no way out
Eine Räuberpistole, so hätten es unsere Väter genannt, und heutzutage dann selbstverständlich Räuberpistole 4.0, wie aufregend. Zehn Folgen à fünfundvierzig Minuten. Und Szenen nicht für ein schwaches Nervenkostüm. Die bewährte dänisch-deutsche Coproduktion verspricht für ›Greyzone – No Way Out‹ Gänsehaut pur. Von WOLF SENFF
Wir sehen eine Thrillerserie, hollywoodmäßig aufgezäumt. Birgitte Hjort Sörensen genießt spätestens seit dem Politkrimi ›Borgen‹/ ›Gefährliche Seilschaften‹ von 2010/2013 und der Hardhome-Episode von ›Game of Thrones‹ globalen Star-Status, sie tritt in ›Greyzone – No Way Out‹ als Hauptdarstellerin auf.
Ein zehnteilig gestreckter Krimi benötigt eine Menge Stoff, damit niemand gähnen muss, und er hat alles, was dazugehört, manche Szene ist nicht jugendtauglich, manches ist nicht wirklich plausibel, doch Spannung geht vor. Mit ›Greyzone – No Way Out‹ finden wir uns in der Tradition eines Mickey Spillane und seiner hartgesottenen amerikanischen Großstadtschnüffler.
Denn schon Spillanes präsentierte eine oft kritisierte Gewalttätigkeit, und das wird man zurecht auch von ›Greyzone – No Way Out‹ sagen dürfen. Das Drehbuch lässt nichts aus, und das gelingt höchst professionell, wir sehen eine Räuberpistole auch mit emotional ergreifenden Szenen..
Agenten, Spitzel, Doppelagenten, Waffenschmuggel – was sich der ausgebuffte Krimi-Freak erträumt, plus Terrorismus, Geiselnahme, Zeugenschutz, Kindesentführung, Erpressung, Stockholm-Syndrom, Mord, Drohnen, Maulwurf, Spezialbomben, PET und SÄPO – das alles fein sortiert nacheinander, nicht durcheinander, in genießerischen Häppchen serviert und am Schluss sauber aufgelöst.
Hollywood at its best. Oder sogar, man mag darüber streiten, ein lediglich hollywoodesk eingefärbter europäischer Actionfilm der Sonderklasse. Man fiebert der nächsten Folge entgegen oder kredenzt lieber eigens ein Wochenende, Kaffee- und Pizzapausen eingeplant, und sieht alles an einem Stück.
Stimmt, die Handlung ist nicht auf amerikanische Art ›Erst schießen, dann fragen‹ gestrickt, sondern sichtlich subtil gestylt, es werden Charaktere deutlich, der Umgang miteinander ist nicht nur facettenreich, sondern wird ab und an sogar thematisiert – eine Polizeipsychologin tritt auf –, ein nur noch scheinbar geordneter Alltag wird unterschwellig dekonstruiert, wir verfolgen ein durchaus auch anspruchsvolles Unterfangen.
Naja, dennoch erfahren wir nichts Neues. Das wäre ja auch nicht Sinn der Sache. ›Greyzone – No Way Out‹ arbeitet mit unseren Klischees und Vorurteilen, stellt sie gelegentlich infrage und strickt daraus einen Actionfilm. Die typische Terroristenkarriere beginnt mit Ersteinsatz, klar, auf Seiten der Russen, klar, in Tschetschenien, ein Asylgesuch in Großbritannien wird abgelehnt, folgt ein Anschlag, klar, auf die US-Botschaft in Kairo und die Leitung der Terroristengruppe Saif, gegründet, klar, von jungen Akademikern in Syrien – passt scho, mag man in Bayern dazu sagen.
Es ließe sich ausgiebig an Details wie der überdehnten Rolle der Hauptfigur Victoria Rahbek herumkritteln oder an der sonderbaren Ahnungslosigkeit an ihrem Arbeitsplatz oder weshalb der Kindergarten erst spät in Erscheinung tritt, aber es zielt eben alles auf einen sauberen Spannungsaufbau, und das klappt jedesmal wieder spitzenmäßig, naja: auch melodramatisch, und das liegt, je länger der Film dauert, auch an der schauspielerischen Leistung der Hauptdarstellerin. Es hat etwas Gespenstisches, so eine Drohne zu ihrem todbringenden Einsatz abheben zu sehen, und sei es im Film.
Man kann ›Greyzone – No Way Out‹ sehen, vielleicht doch besser häppchenweise, und muss, je näher es aufs Ende zugeht, darauf gefasst sein, dass Emotionen herausgekitzelt werden – für alles ist gesorgt, in kalkulierten Dosen, bitte das Taschentuch bereithalten, auch wenn zum Schluss abseits von Klischees eine weitere politische Dimension des Geschehens zur Geltung gebracht wird. Gute Unterhaltung!
| WOLF SENFF
| Titelfoto: © ZDF/AGNETE SCHLICHTKRULL
Titelangaben
Greyzone – no way out, Dänemark/Deutschland 2018
ZDFneo ab 13. September 2018, donnerstags 20.15 Uhr, als Doppelfolgen
ZDFmediathek alle zehn Folgen à 45 Min. ab 13. September 2018
Regie: Jesper W. Nielsen
Buch: Oskar Söderlund, Morten Dragsted
Darsteller: Birgitte Hjort Sørensen, Ardalan Esmaili, Joachim Fjelstrup