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Wehret den Anfängen!

Digitales | Games: Dragon Quest XI

Gerade einmal ein Jahr nach Veröffentlichung der japanischen Originalversion findet sich der elfte Teil der langlebigen ›Dragon Quest‹-Reihe nun auch in unsere Gefilde ein und begeistert durch einen Mix aus detailverliebten Nostalgieeffekten und unverblümtem Witz. Doch was steckt hinter diesem Erfolgskonzept? – Ein Review von DANIEL MEYER.

Dragon Quest XIWer schon einmal in der nunmehr elfteiligen Erfolgsreihe des ›Dragon Quest‹-Imperiums, mitsamt seinen unzähligen Ablegern und Nebenprojekten, geschmökert hat, der weiß, dass sich innerhalb der einzelnen Spiele gewisse Regeln, quasi eingebettete Konstanten, wiederfinden. Akira Toriyamas Illustrationen, bekannt aus Werken wie etwa ›Dragon Ball‹ oder ›Chrono Trigger‹, sind Beispiele für so ein »Dragon Quest-Muss«. Ein weiteres ist der nahezu verstummte, jugendliche Held, der teils durch Zufall, teils durch göttliche Gabe zum Retter der diesigen Welt auserkoren wurde. – Und rundenbasierende Kämpfe, Attacken mit Namen wie »Zisch« oder »Wupps« und ein böser Magier, der nach vielen Plottwists in einem finalen Kampf besiegt werden muss? Na, wer kann es sich denken? Exakt, ebenso ein Muss.

Ein Baum, ein Junge, ein Böser

So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch in ›Dragon Quest XI‹ alles um einen 16-jährigen Knaben mit einer, sagen wir einmal, etwas gewöhnungsbedürftigen Haartolle dreht. Als »Lichtbringer« vom Weltenbaum Yggdrasil erwählt, wird dieser losgeschickt, um die bösen Machenschaften des Zauberers Hagrimor zu vereiteln und so die wunderschöne Welt Erdreas vor ihrer vollkommenen Vernichtung zu beschützen. Ein soweit also nicht ganz unbekanntes und zu Teilen sogar sehr vorhersehbares Unterfangen, das glücklicherweise durch Kehrtwendungen und wundervoll inszenierte Animationen zu einer der besten Geschichten innerhalb des ›Dragon Quest‹-Universums führen soll: Denn nicht alles läuft ganz nach Plan und unser Held, zusammen mit seinen aufgelesenen Mitstreitern, sieht schon bald die vollständige Niederlage nahen. Menschen sterben, selbst enge Verbündete. Die Ereignisse tauchen das Spiel schon früh in einen weitaus dunkleren Ton, als man es von so manchem Vorgänger gewohnt war.

Dragon Quest XI

Wo Dunkelheit, da auch Licht

Glücklicherweise verhilft gerade diese Wendung zu einer ungewohnt neuen Tiefe im Spiel, speziell im Bezug zum angelegten Charakterdesign. Denn während manche der durchaus fantasievollen Mitstreiter zu Beginn noch etwas farblos erscheinen, wirken sie gerade im zweiten, weitaus dunkleren Teil der Geschichte, durch Schicksalsschläge konfrontiert, erst richtig authentisch. Gleichermaßen versteht es Autor und Schöpfer, Yuji Hori, seine Welt selbst in den dunkelsten Stunden durch Detailliebe und teilweise fast groteske Humoreinlagen glanzvoll zu schmücken: egal ob durch in Haiku sprechende Dorfbewohner, sich feminin gebärdende Männerhorden oder die bis zum Ende schlichtweg perfekt intonierten Voice-Acts. Kaum ein anderes Spiel scheint so voll von Ideen und merkwürdig-kompatiblen Gimmicks zu sein wie ›Dragon Quest XI‹.

Darüber hinaus wird vor allem alteingesessenen Fans die Fülle nostalgischer Elemente geradezu ins Gesicht springen. Erneut darf sich mit sprudelnden Schleim-Casinos, Mini-Medaillen und bekannten 8-bit Soundeffekten und Musikstücken (Tür auf – »wap wap wap wap«) an die alten Zeiten erinnert werden.

Dragon Quest XI

Ein Stock? Den kann ich gebrauchen!

Abseits der Hauptstory bietet die Welt Erdrea mit einer wunderschönen, vielseitigen, wenn auch sehr überschaubaren Kulisse auf. Weniger als offene Welt, sondern mehr als ein länglicher, mal durch größere, mal durch kleinere Ebenen, definierter Dungeon, lädt er vor allem zur Schatzsuche in abgelegenen Ecken ein und belohnt fleißige Sucher mit allerlei Ausrüstung oder Materialien. Letztere lassen sich dabei vor allem via Schmiede-Minispiel zu seltenen Waffen und Kampfgadgets formen und geben dem Weltgestöbere einen weiteren, wenn auch optionalen, Kick. Ein kleiner Minuspunkt: Bereits zur Hälfte des Spieles ist der Großteil aller Areale besucht und viele der, wenn auch schön anzusehenden Bereiche, besitzen durch die wenigen Interaktionsmöglichkeiten einen recht geringen Wiederbesuchswert.

Zwar lassen sich in den (durchgehend einzigartigen) Städten Missionen und allerlei Sammelaufträge finden, diese halten jedoch durch zu schwache Monster und einige linear gehaltene Wegkonstruktionen nicht davon ab, nach getaner Arbeit eher auf den alten Teleportzauber zurückzugreifen, als noch einmal zu Fuß den exakt gleichen Pfad zu beschreiten. Gleiches gilt leider ebenso für die wenigen, optionalen Gebiete, die sich zu großen Teilen aus einigen Inselgruppen sowie verstreuten Fluglandeplätzen zusammensetzen – hier gerne mehr.

Kampf und Charakterdesign

Ein großes Plus gibt es hingegen für den Kampf- und Charakteraufbau. Wie schon in ›Dragon Quest IX‹ wurde, abgesehen von Bootsreisen, gänzlich auf Zufallskämpfe verzichtet und dem Spieler mithilfe frei umherwandernder Monster selbst die Wahl der jeweiligen Begegnung gelassen. Dabei bleiben Animationen und Verhalten der über hundert verschiedenen Gegner ein beständiger Augenschmaus, obgleich der Schwierigkeitsgrad, gerade für rollenspielerfahrende Spieler, etwas schwerer hätte ausfallen können. Denn erst gegen Ende des Titels, in dem der Schwierigkeitsgrad noch einmal ein wenig zunimmt, wird einem die taktische Vielfältigkeit der einzelnen Mitstreiter wirklich bewusst.

Dragon Quest XI

Wie gewohnt bleibt auch hier ›Dragon Quest XI‹ seinen Wurzeln treu und bietet ein altbekanntes, rundenbasiertes Geplänkel, in dem ein Trupp aus vier Helden gegen eine unbestimmte Anzahl an Monstern antreten darf. Neu ist hingegen die Option bereits im Kampf eine gewisse Anzahl Kumpanen auf die Ersatzbank zu schicken und gegen frische auszutauschen. Zu wenig Heilung? Schnell einen Zauberer für einen offensiven Helden tauschen. Der Gegner ist nun immun gegen Zauber? Schnell wieder zurück.

Dabei bleibt dem Spieler die Skalierung der jeweiligen Helden annähernd selbst überlassen und lädt zum Ausprobieren ein. Fast alle Mitstreiter besitzen verschiedene Skill- und Waffenausrichtungen, die sich durch Erhöhung des Charakterlevels erweitern und, ähnlich zu ›Final Fantasy X‹’-Sphärobrett, mit dem Erlernen von neuen Attributen und Fähigkeiten einhergehen. Gerade hier findet ›Dragon Quest XI‹ einen guten Mix aus übersichtlichen Charakterindividualisierungen und genügend Freiraum, um sein ganz eigenes Team erstellen zu können.

Die Zusammenfassung

Es ist lange her, seitdem in ein JPRG so viel Ideenreichtum und Liebe zum Detail geflossen sind, wie es sich nun in ›Dragon Quest XI‹ finden lässt. Ganz gleich, ob als langjähriger Fan oder Frisch(leim)ling, die gekonnte Verschmelzung aus tiefgehender Geschichte, frechen Zwischensequenzen und einem spannenden, nie langweilig werdenden Kampfsystem machen Lust auf mehr, zeigen aber vor allem auf, das nicht jedes Spiel mit neuen Konzepten, Ideen und actiongeladenen Animationen auftreten muss. 80 Stunden Spiel, die man wärmstens empfehlen kann.

| DANIEL MEYER

Hat gefallen
  • Wundervoll animierte Monster und Umgebungen
  • Eine Geschichte, vollgepackt mit teils ernsten, teils unglaublich humor- aber auch fantasievollen Segmenten
  • Mit 80 Stunden Spielzeit ein (endlich wieder) etwas längeres Rollenspiel
  • Spannende und (gegen Ende) durchaus taktische, rundenbasierte Kämpfe
  • Nostalgiefaktor auf allen Ebenen
  • Individuelle Charakterindividualisierung und Ausrüstungsmöglichkeiten
Hat nicht gefallen
  • Benötigt etwas Zeit: Geschichts- als auch Charakterdarstellung geht etwas langsam voran
  • Etwas kleine Welt – gleiche Orte werden öfter genutzt, um die Story (gefühlt) noch einmal zu dehnen
  • Zum Teil repetitive oder unpassende Hintergrundmusik, wird in längeren Arealen etwas eintönig
  • Freie Übersetzung des englischen Textes führt im Deutschen zum Teil zu Verwirrung, da selbst Namen verändert wurden
89%

 

Titelangaben
Dragon Quest XI
Square Enix
erhältlich für PlayStation 4, Nintendo Switch, Nintendo 3DS, Microsoft Windows

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