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Literatur | Literaturkalender 2019

Kalender sind uns Taktgeber und Maßband, Lebensplaner und Orientierungshilfe übers ganze Jahr hinweg. Garniert mit literarischen Appetithappen versüßen sie so manchen Tag, bieten neue Anregungen und überraschende Entdeckungen. Als Geschenk entfalten sie sogar eine ungeahnte Langzeitwirkung. INGEBORG JAISER stellt eine kleine Auswahl von lesens- und beachtenswerten Wegbegleitern vor.

Ernest Hemingway tat es, Henry Miller liebte es und Andrea Camilleri überwand damit die Schrecknisse des Krieges: Radfahren. Zahlreiche Schriftsteller verdanken ihrem Drahtesel berauschende und beglückende Momente der Freiheit und des Abenteuers. So wie Arthur Conan Doyle, der als Arzt auf ein ständig verfügbares Transportmittel schwor, positive Nebenwirkungen mit eingeschlossen: »Wenn Du niedergeschlagen bist, wenn dir die Tage immer dunkler vorkommen, wenn dir die Arbeit nur noch monoton erscheint, wenn dir es fast sinnlos erscheint, überhaupt noch zu hoffen, dann setz dich einfach aufs Fahrrad, um die Straße herunterzujagen, ohne Gedanken an irgendetwas außer deinen wilden Ritt.«

Der große literarische Fahrradkalender von ars vivendi verbindet animierende Zitate mit großformatigen Fotografien, die jeden Monat aufs Neue das einzigartige Gefühl von Unabhängigkeit und Begeisterung widerspiegeln – unterlegt mit unterschwelligem Humor und so manchem visuellem Blickfang. Wer kann sich jetzt noch auf dem Sofa oder vor dem Schreibtisch halten?

Einmal um die ganze Welt

Eine heimliche Freude an Bewegung drückt auch das Titelblatt des Kinder Kalenders von edition momente aus. Da schliddert ein grün-gelb gewandeter Pinguin vergnügt übers Eis, jahreszeitlich gefolgt von einem karnevalesk verkleideten Zebra, fliegenden Schneehühnern, einem gebeugten Gärtner und davonsegelnden Mandelhörnchen. Ein buntes Potpourri, in voller Farbenpracht und in allen Sprachen dieser Erde.

Das bemerkenswerte Konzept des Kalenders vermag alle Altersklassen zu begeistern. Seit 2011 gibt die Internationale Jugendbibliothek in München diesen Wochenkalender mit illustrierten Kindergedichten aus der ganzen Welt heraus. Sowohl in Originalsprache als auch in deutscher Übersetzung. Das bedeutet: 53 Seiten Spaß, Wortwitz und Farbenpracht. Das erfinderische Spiel mit Sprache und Klang, Bild und Darstellung bezaubert Woche für Woche. Und eröffnet »Fenster in die Welt«, ohne die unser Leben eindimensional und fade wäre. Wer einmal mit diesem Kalender um den Globus gereist ist, wird ihn als einfallsreichen Begleiter nicht mehr missen wollen. Oder wie der Ire zu sagen pflegt: »Ich brauch keine Karte, ich hab den Weg im Kopf« (nachzulesen in der ersten Aprilwoche).

Auf zu neuen Ufern

Apropos edition momente: wer einen neuen Verlag am Kalenderhimmel vermutet, wird staunen. Denn hinter dem frischen Label agieren seit diesem Sommer Elisabeth Raabe und Regina Vitali, die früheren Macherinnen des Arche Kalender Verlages. Der Literatur Kalender spürt jene kribbelnden Momente von Anfang und Aufbruch auf, wenn der Entschluss gefasst, der Koffer gepackt, die Flucht geplant ist. Berühmte, aber auch weniger bekannte Schriftsteller berichten in Briefen, Tagebuchnotizen und Romanauszügen vom entscheidenden Schritt nach vorn, sei es in Richtung Süden (James Joyce), an die Uni (Gottfried Keller) oder in den Ehestand (Zelda und F. Scott Fitzgerald).

Jedes der über 50 Blätter vereint in individuellen Arrangements den Dreiklang von Originaltext, ergänzenden Informationen und (oft noch unbekannten) Fotografien und Darstellungen. Wer weiß schon von der berückenden Schönheit einer Ruth Landshoff-Yorck, It-Girl der Roaring Twenties und Autorin heute leider vergessener Romane und Feuilletons? Inspirierte Lesehungrige erhalten auf den letzten Kalenderblättern höchst informative, bestens recherchierte bio-bibliographische Zugaben zu den vorgestellten Autoren, nebst Quellen- und Abbildungsnachweisen.

365 kluge Tage

Abreißen, loslassen fordert uns direkt und unmissverständlich der neue Kalender aus dem Hause Diogenes auf. Ein gewichtiger Neuzugang, über ein Pfund schwer, in frappierend klarer Formsprache, die sofort eine visuelle Brücke zum Verlag schlägt. Kein schmückendes Beiwerk, keine Erläuterungen oder Anhänge – dafür tagtäglich ein kluges literarisches Zitat, mal humorvoll, mal bitterböse, oftmals nachdenklich machend. Jeden Tag farblich wechselnd unterlegt, von einem lichten Himmelblau bis zu einem satten Scharlachrot.

Zum Jahresanfang ein Satz von Henry David Thoreau: »Ein neues Leben kannst Du nicht anfangen, aber jeden Morgen einen neuen Tag.« Zum Sommerbeginn ein Bonmot von W.H. Auden: »Vergnügen ist durchaus nicht ein untrügliches Kriterium, aber es ist das am wenigsten fehlbare.«  Zur Zeit der Herbststürme eine treffende Bemerkung von Fernandel: »Der Mut ist wie ein Regenschirm: wenn man ihn am dringendsten braucht, fehlt er einem.« Ein Abreißkalender mit literarischem Tiefgang und dem Hang zum Loslassen. Denn am Jahresende wird nur der Papp-Aufsteller übrig bleiben.

Kartoffelbrei mit Ei und Butter…

»…ist das beste Katzenfutter«, dichtet Elke Heidenreich in ihrer kleinen vierteiligen Fotostory. Natürlich ist sie nicht die einzige Katzenliebhaberin und -kennerin der literarischen Community. »Kein Tier vermag so sichtbar beleidigt zu sein wie eine Katze«, bemerkt Charlotte Link. »Sie war so, weil sie so war. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen«, konstatiert Gert Loschütz ganz lapidar. Und Erich Kästner fasst seine soziologischen Betrachtungen kurz und knackig zusammen: »Wir könnten von den Katzen manches lernen. Wenn wir wollten.«

Der literarische Katzenkalender aus dem Hause Schöffling & Co. vereint Romanauszüge, Sprichwörter und Zeitungsnotizen mit allerliebsten Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu einem witzigen, humorvollen Wegbegleiter für das Jahr 2019. Feuerrote Akzente in Text und Spiralbindung sorgen bei diesem Wochenkalender für Pep und Hingucker. So hockt am Jahresende eine füllige Katze bräsig auf einer Kinderrutsche, untertitelt mit folgendem Dreizeiler von Albert Einstein:

Wenn´s alte Jahr erfolgreich war,
dann freue dich auf´s neue.
Und war es schlecht, ja dann erst recht.

Klassiker mit Überraschungen

»Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur.« Dieser stimmige Max-Frisch-Satz liegt in den Tiefen des Aufbau Literaturkalenders verborgen, sorgsam umhüllt von zahlreichen literarischen Kostproben und Zitaten, Lebensläufen und Schaffenswerken, Autorenporträts und Schnappschüssen. 53 Mal stellen uns die Herausgeber Thomas Böhm und Catrin Polojachtof eine Schriftstellerin oder einen Schriftsteller vor (auch mal eine Illustratorin wie Kat Menschik oder den bücherliebenden Musiker Tom Waits), der in der betreffenden Woche entweder geboren wurde oder gestorben ist.

Alte Bekannte wie J.D. Salinger (ein Neujahrskind) oder Theodor Fontane (gestorben am Jahresende 1819) wechseln sich ab mit vielleicht noch unbekannten Neuentdeckungen. Wer kennt schon Alice B. Sheldon, die als Zehnjährige bereits Bücher illustrierte und nach einer abgedrehten Karriere als CIA-Agentin und Experimentalpsychologin unter männlichem Pseudonym Science-Fiction-Romane schrieb? Welch literarischer Vater steckt hinter dem Zauberer von Oz? Wie schaffte es Lucia Berlin, das Leben selbst zum Stoff ihrer vielschichtigen Erzählungen zu machen? Mehr sei nicht verraten. Denn für Überraschungen und Anregungen ist dieser Kalender immer wieder gut – als Klassiker übrigens schon im 52. Jahrgang!

Wünschelrute und Winterabend

Zum Lauf der Zeit gehören immer auch Wechsel und Wandel – vielleicht ganz besonders beim Klöpfer & Meyer Gedichtekalender. Einst als Wetzstein Kalender vom Freiburger Buchhändler Thomas Bader liebevoll kalligraphiert, nach dessen frühem Tod vom Tübinger Verleger Klöpfer mutig fortgeführt, in eigener, unvergleichlicher Handschrift, mit expressiven Ober- und Unterlängen und lichter Gestaltung.

24 Gedichte – klassische und zeitgenössische im Wechsel – begleiten uns durch die Monate: Wilhelm Busch grüßt Zu Neujahr, Richarda Huch packt im März die Sehnsucht, Walle Sayer studiert den Sommerfahrplan im August und Georg Trakl schließt den Kreis mit Ein Winterabend. Nicht nur Lyrikfans erfreuen sich seit Jahren an der hochwertigen Verarbeitung des Kalenders und seiner schlichten Eleganz.

Vielleicht schon zum letzten Mal? Denn wenn sich Hubert Klöpfer in den Ruhestand verabschiedet, wird das diesjährige Herbstprogramm möglicherweise das letzte sein. Ein Aufschrei in Autorenkreisen führte zum Tübinger Memorandum. Wider das Sterben der Verlage, für Diversität der Literatur und Buchkultur. Auch ein signifikanter Rückgang der Buchkäufer wird für die Verlagskrise verantwortlich gemacht. Kauft mehr Bücher, will man da rufen. Und natürlich auch: Kauft mehr Kalender!

| INGEBORG JAISER

Kalender
Der große literarische Fahrradkalender 2019
Cadolzburg: ars vivendi 2018
29,90 €
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Der Kinder Kalender 2019
Zürich, Hamburg: edition momente 2018
20.- €
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Der Literatur Kalender 2019: Anfang und Aufbruch
Zürich, Hamburg: edition momente 2018
22.- €
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Abreißen, loslassen 2019
Zürich: Diogenes 2018
16.- €
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Der literarische Katzenkalender 2019
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. 2018
22,95 €
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Aufbau Literaturkalender 2019
Berlin: Aufbau Verlag 2018
22.- €

Der Klöpfer & Meyer Gedichtekalender 2019
Tübingen: Klöpfer & Meyer 2018
25.- €
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