Machtkampf

Kinderbuch | Antje Damm: Der Wolf und die Fliege

Wenn ein Wolf und eine Fliege aufeinandertreffen, scheint klar, wer der Stärke von beiden ist. Oder? ANDREA WANNER ließ sich überraschen.

Ein Wolf mit einem »Hüngerchen« verheißt nichts Gutes. So einer hat sechs der sieben Geißlein verschlungen, die Großmutter und Rotkäppchen und vermutlich ist die Liste noch viel, viel länger.

Der Wolf und die FliegeAntje Damm lässt ihren Wolf – der eigentlich ganz freundlich aussieht – mit knurrendem Magen nicht durch den Wald stromern, sondern stellt ihn vor ein Regal. Und auf den drei Regalbrettern befinden sich genau acht Dinge.

Auf dem untersten Brett ein kleiner Vogel und eine schlafende Katze. Auf dem obersten eine Ente, ein Fisch und zwischen beiden ein grüner Apfel. Und auf dem mittleren Brett steht ein Kaktus, ein kleines blaues Auto – und eine Fliege. – Im Schlaraffenland ist er also offensichtlich nicht gelandet. Aber was soll’s: Er hat Hunger. Also greift der Wolf ins Regal.

Was er sich da holt, muss man selber entdecken. Auf der nächsten Seite findet sich auf der rechten Buchhälfte wieder das Regal. Ein Ding fehlt. Okay, es ist der Apfel. Den hätte sich jeder vernünftig denkende Mensch auch geholt, oder? Der Rest liegt oder steht an seinem Platz wie gehabt. Na ja, nicht ganz. Die Katze ist aufgewacht und guckt, was passiert.

Zum Glück war es der Apfel, den das Biest verschlungen hat. Aber ein Wolf ist ein Wolf und von so einem mickrigen Stück Obst natürlich noch lange nicht satt. Also sucht er sich das nächste Teil aus. Dieses Mal trifft es die Katze.

Die Auswahl ist auf sechs Teile geschrumpft und dem wilden Tier knurrt noch immer der Magen. Es trifft die Ente. Und nach dem Mittagsschäfchen geht es weiter …

Antje Damm erzählt eine ganz einfache Geschichte. Sie tut das auf gewohnt hinreißende Art und Weise. Die linke Bilderbuchhälfte gehört dem Wolf. Da steht er, liegt er, schläft und verdaut auf einfarbigem, leuchtendem Grund, von dem er sich mit der dicken, schwarzen Kontur deutlich abhebt. Rechts das Regal. Eine einfache Konstruktion, drei schwarze Balken auf dem weißen Papier. Darauf das Futter. Na ja – was der Wolf halt für Futter hält.

Die Figuren sind einfach, so, dass sie schon von den Kleinen erkannt werden: Katze, Auto, Ente, Fisch, Vogel, Apfel. Okay, Kaktus ist vielleicht ein neues Wort. Für den Fuchs auch. Fällt für ihn unter »Grünzeug«. Mag er nicht. Isst er nicht.

So leert sich das Regal. Bis am Ende ein Wolf mit dickem Bauch nur noch Appetit auf einen kleinen Nachtisch verspürt. Kaktus oder Fliege? Grünzeug kommt nicht in Frage. Also die Fliege.

Was dann passiert, ist einfach nur witzig. Und Antje Damm wie immer einsame Klasse.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Antje Damm: Der Wolf und die Fliege
Frankfurt: Moritz 2019
22 Seiten, 8,95 Euro
Pappbilderbuch ab 2 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

»Da steh ich nun, ich armer Tor!«

Nächster Artikel

Von den Tieren, den Menschen und den Wundern

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Probleme lösen – kindgerecht

Kinderbuch | Stephan Valentin: Enzo hat Geburtstag Es ist klein, bunt, und der Preis äußerst günstig. Im 3. Band der Comicbändchenreihe Rocky und seine Bande erzählt Stephan Valentin, dass Geburtstag feiern nicht nur seine schönen Seiten hat, sondern auch Probleme bereiten kann. Von ANDREA WANNER

Freunde

Kinderbuch | Sandra Ladwig: Wollen wir tauschen? Jeder hat sein Zeugs. Sein Zuhause, seine Spielsachen, seine Klamotten. Das muss aber nicht so sein. Tona und Pauli zeigen, wie aufregend es sein kann, Dinge zu tauschen. ANDREA WANNER hatte Spaß an dem Projekt.

Falsche Erwartungen

Kinderbuch | Myriam Ouyessad: Der Wolf kommt nicht

Als ich das Buch für kleine Knirpse las, war sie sofort wieder da: die Erinnerung daran, wie bezaubernd nervend kleine Kinder sein können. Dieses gefühlt hundertfache Nachfragen, Bohren, dieses bewundernswerte niemals Vergessen. Das Kontern auf jede Antwort, wie ein Ping-Pong-Spiel, bei dem ich doch nie gewinnen konnte. Schon allein deshalb ist das Buch ein großer Spaß, aber nicht nur deshalb, meint BARBARA WEGMANN.

Ferienprogramm

Kinderbuch | Michele Weber Hurwitz: Wie ich die Welt in 65 Tagen besser machte Die Sommerferien gestalten sich für Nina nicht besonders spannend. Irgendwie ist alles anders, als es sein sollte – bis sie eine Idee hat. Spontan, ein bisschen verrückt und mit ungeahnten Folgen. Von ANDREA WANNER

Der Bechdel-Test

Kinderbuch | Johanna Lindbäck: Kein bisschen verliebt?

Keine einfache Zeit, die Pubertät. Vor allem, wenn man zwölf ist und das Gefühl hat, alle Freundinnen sind einer schon einen Schritt voraus. Das nervt, verletzt – und kann zu merkwürdigen Ideen führen. Von ANDREA WANNER