Menschen | Zum 80. Geburtstag des langjährigen PEN-Präsidenten Johano Strasser am 1. Mai
»Was in den USA zurzeit passiert, ist eine Tragödie. Donald Trump ist ein Mensch, der eigentlich nicht in ein solches Amt gehört. Noch dazu ein Amt, das besondere Befugnisse hat, die weit über das hinausgehen, was ein vergleichbarer Staatschef — beispielsweise die Kanzlerin — hätte. Das darf eigentlich nicht passieren«, beklagte Johano Strasser vor einem Jahr in einem Interview. Der Schriftsteller, Publizist und Politologe ist stets ein Querdenker gewesen, ein skeptischer Grübler, denn (so Strasser) der Intellektuelle sei nun einmal ein »Spalter und kein Integrierer«. Von PETER MOHR
Als Chefideologe der Jusos in den 1970er Jahren, als Mitglied der Grundwertekommission der SPD, als habilitierter Politologe an der FU Berlin, als Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der 1988 eingestellten politisch-literarischen Zeitschrift ›L’80‹ und auch als spät berufener Schriftsteller, der 1987 mit dem opulenten Roman ›Der Klang der Fanfare‹ fulminant debütierte, scheute Strasser den Mainstream wie der Teufel das Weihwasser.
»Ich bin Friese und von Haus aus sehr stur«, erklärte der am 1. Mai 1939 im niederländischen Leeuwarden geborene Autor, der von 2002 bis 2013 dem deutschen PEN-Zentrum als Präsident vorstand.
Viele Anfeindungen musste sich Strasser gefallen lassen. Vom ›Bayernkurier‹ wurde er einst als »knallharter Revolutionärstyp« gegeißelt, und politische Weggefährten aus der unruhigen 68er Bewegung rümpften die Nase, als Strasser in den 1980er Jahren seine Berliner Altbauwohnung gegen ein Haus am Starnberger See eintauschte, wo er heute noch lebt. Er gehöre eben zur »hedonistischen Linken« und halte überhaupt nichts von einem »Sozialismus mit herunter gezogenen Mundwinkeln«, verteidigte sich Strasser.
Sein politisches Insiderwissen ließ er 1992 in die ebenso humorvolle wie realistisch anmutende Erzählung ›Dengelmanns Harfe‹ einfließen, in der es um das rätselhafte Verschwinden eines hoffnungsvollen Nachwuchspolitikers geht. Sein literarisch gelungenstes Werk ist der 1995 erschienene Roman ›Stille Jagd‹, in dem sich die deutsche Vergangenheit und zeitgenössische Fremdenfeindlichkeit zu einem tödlichen Gemisch vereinen.
»Wo keine Geschichte gemacht wird, werden Geschichten erzählt, damit die Leute wissen, wer sie sind«, heißt es durchaus charakteristisch für Strassers gesamtes literarisches Werk an einer Stelle seines Romans ›Bossa Nova‹(2008). Zuletzt hatte er den Roman ›Die schönste Zeit des Lebens‹ (2011) vorgelegt, in dem er seinen Protagonisten, den heranwachsenden Robert – zwischen Zivildienst, zerstrittenen Eltern und einer Holocaust-Überlebenden – in allerlei Turbulenzen geraten lässt.
Neben den belletristischen Arbeiten und dem autobiografischen Erinnerungsbuch ›Als wir noch Götter waren im Mai‹ (2007) hat Strasser unzählige wissenschaftliche Publikationen und Sachbücher zu politischen Themen vorgelegt -zuletzt ›Das freie Wort‹ (2017).
»Wir haben uns auf Weichenstellungen eingelassen, denen eine falsche Idee vom Menschen zugrunde liegt. Die Vorstellung des Menschen als eines rationalen Nutzenmaximierers, der sich einen Überblick über die am Markt verfügbaren Alternativen verschafft«, kritisiert Querdenker Strasser das überwiegend ökonomisch zentrierte zeitgenössische Denken.
| PETER MOHR
| Titelfoto: Dontworry, Johano-strasser-2010-ffm-067, CC BY-SA 3.0