/

Dit is Berlin

Bühne | Kabarett: 31. Geburtstag der Berliner Kabarett Anstalt

Es war ein bunter Eindruck ihres Gesamtprogramms, was die ›Berliner Kabarett Anstalt‹, kurz BKA, zu ihrem 31. Geburtstag in Form kurzer Szenen-Einblicke auf die Beine – und Bühne – stellte. ANNA NOAH über eine vielseitige und interessante Revue.

BKA für alle

BKA Berlin»Das« BKA, vom Konzept her ein Gastspieltheater, öffnete 1988 seine Pforten und ist seither der Insidertipp unter den Kleinkunsttheatern. Verschiedene Künstler und Kabarettisten suchten nach einem neuen Zuhause und renovierten eine ehemalige Disko am Mehringdamm in Kreuzberg. Man gab der neuen Location den Kurz-Namen BKA, wohl wissend um die möglichen Verwechslungen mit dem Bundeskriminalamt. Der Artikel das statt die hat sich eingebürgert, weil die meisten Menschen noch das Wort Theater anhängen.

Von Anfang an hatten die Gründer keine Angst vor dem Ungewissen; sie trauten sich, auch komplett unbekannten Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne zu geben. Schnell hat sich der Paradiesvogel unter den Theatern zu einer festen Größe in der Berliner Theaterwelt gemausert. Das Haupt-Markenzeichen ist und bleibt satirisches Kabarett und politische Unterhaltung, doch längst wurde das Programm um Entertainment aller Art erweitert: von Chanson-Darbietungen, Travestie, Comedy, Konzerte über Kindertheater, Off-Musicals, Improvisationstheater bis hin zur Hip-Hop-Revue.

Wie erstmals zum runden Geburtstag im vergangenen Jahr wurde das Gründungsdatum unter dem Motto »BKA für alle« auch 2019 mit vielen BKA-Stars bei freiem Eintritt und mit anschließendem »Tanz in den Mai« gefeiert.

Die Künstlerinnen und Künstler des Abends waren unter anderem: Ades Zabel, Biggy van Blond, Bob Schneider, »Der Tod«, Kaiser & Plain, Marcus Jeroch, Sigrid Grajek, »Theatersport Berlin«, »The Cast – die Opernband«, Toni Mahoni und für die »Unerhörte Musik« Natalia Pschenitschnikova.

Laut und bunt – eine Hommage an Berlin

Den Anfang machten The Cast – die Opernband. Sie trugen Glitzeroutfits und High-Heels, bunte Haare, Tattoos und einen Hauch Gruftilook. Das wirkte außergewöhnlich und äußerst unterhaltsam. Die Stimmen des harmonischen Sextetts – drei männliche und drei weibliche – brauchten keine Mikrofone und wurden einzig von einer Pianistin begleitet.

Gleich danach eroberte Natalia Pschenitschnikova mit ihrer »Unerhörten Musik« die Bühne. Mit einer Loop Station entführte sie das Publikum in einen tropischen Regenwald. Alle Töne wurden durch die Künstlerin selbst live eingespielt und ergaben dann einen Stereo-Effekt. Während ihres Auftrittes wurde es extrem unruhig im Saal, was dafür sprechen könnte, dass diese Art der Musik eventuell nicht für jeden geeignet ist.

Marcus Jerochs Motto gleich im Anschluss war »Schöner denken«. Er zeigte, dass Verständigung auch funktioniert, wenn man bestimmte Buchstaben in der Sprache weglässt. Erst das »d«, da passierte noch nicht viel – außer: Die Artikulation klang etwas merkwürdig. Danach aber ließ er das »w« weg und ab dem Moment war es schwierig, etwas zu verstehen – aber die Gewöhnung trickste das Gehirn aus. Je länger er sprach, umso mehr verstand man.

Es gab danach Chansons mit Regina Knobel, Improvisationstheater mit Constanze und Martin sowie einen Auftritt von Toni Mahoni.

Der Tod hatte eine glorreiche Performance und zeigte dem Publikum, dass sie keine Angst vor den Radieschen haben müssten – die sähen von unten genauso lecker aus wie von oben. Die beiden Protagonisten von Kaiser & Plain erinnerten mit ihren ehrlichen, powervollen Songs an Rosenstolz. Die Harmonie des Duos passte perfekt. Sie trieb allerlei Schabernack auf der Bühne und sang mit Samtstimme, wohingegen er als ruhiger Gegenpart mit gefühlvollem Klavierspiel fungierte.

Die wilden Weiber von Neukoelln_17Und ganz zum Schluss kamen »Die wilden Weiber von Neukölln«, Ades Zabel, Biggy van Blond & Bob Schneider mit einer wahrlich munteren Nummer. Wer die Weiber sind? Edith Schröder singt, trinkt und ulkt zusammen mit Kiezkneipenwirtin Jutta Hartmann und der Leggingsboutique-Besitzerin Brigitte Wuttke. Neukölln hat sich über die Jahre verändert. Der Stadtteil ist voller Smartphone-Hipster, selbst Soja-Latte-Muttis und vegane Blogger entern auf einmal ihren Kiez. Daher fragt sich die Hartz VIII-Queen: »Bin ick etwa out?«

Sehenswertes Gesamtkonstrukt

Das Programm endete mit Bravour nach einer sehr reichlichen Stunde. Bei allem humorigen Glamour wurden auch wichtige gesellschaftliche Fragen aufgegriffen und natürlich nicht beantwortet.

Man muss die BKA-Allstars einfach mögen, weil deren Witze an keiner Stelle flacher als nötig waren oder gar … »nüchtern«. Wie ein guter Architekt das tun würde, wurde hier etwas Funktionales aus verschieden-spitzen Elementen erschaffen. Berlin lässt grüßen – mit allen Ecken und Kanten.

Das BKA besitzt ihn, diesen rätselhaften Charme; ein Fluidum des Burlesken, gepaart mit viel Gefühl. Es sind die Zwischentöne, kreierte Emotionen, die jeden Besucher auf einer persönlichen Ebene fassen und nicht mehr loslassen.

| ANNA NOAH
| FOTO: BKA / JÖRN HARTMANN

Showangaben
31. Geburtstag der Berliner Kabarett Anstalt
BKA – Berliner Kabarett Anstalt
Darsteller: various

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Folkdays… Klangwege ins Baltikum

Nächster Artikel

Goldgräber, Walfänger, indigene Stämme I

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Bis auf die Haut geschorene Schafe

Theater | Oliver Bukowski: Ich habe Bryan Adams geschreddert – Deutsches Theater Göttingen Ein Abend mit dem  Deutschen Theater. Da sag ich nicht nein. Pünktlich auf die Minute stand ich vor dem fein angeleuchteten Gebäude und drängte mich an der Schlange kartenkaufwilliger Menschen vorbei. Ein paar kleine Smalltalks am Pressestehtisch später hatte ich meine Karte und von mir aus konnte die Show losgehen. Von SVEN GERNAND

Please no unnecessary drama, baby!

Bühne | Im Porträt: Die Hamburger Regisseurin Denise Stellmann

Die Hamburger Jung-Regisseurin Denise Stellmann ist klein und süß – auf den ersten Blick. Denn sie spricht aus, was viele nicht einmal zu denken wagen. Ein Porträt über ein junges, (bühnen)reifes Leben voller Emotionen jenseits bekannter Künstlerklischees und -attitüden. Denn die Bühnenkunst soll in ihrer Vorstellung vor allem eins: Bewegen. Von MONA KAMPE

Endlich wieder Kultur!

Bühne | Hannes Wittmer: Das Ende der Geschichte

Nach langer Corona-Zwangspause organisiert die Stadt Würzburg vom 16. Juli bis 02. August die erste kleine Open-Air-Veranstaltungsreihe »Kulturpicknick« und lässt damit nicht nur die Herzen der regionalen Künstler*innen höherschlagen. Musiker Hannes Wittmer (früher: Spaceman Spiff) nutze sein Konzert am 24.07 direkt für ein weiteres Highlight und präsentierte mit ›Das Ende der Geschichte‹ seine neuste EP. SARAH SCHMITTINGER war beim Release auf dem alten Landesgartenschaugelände dabei.

Man(n) ist sprachlos

Bühne | Bodyrule im Hamburger Sprechwerk Übergriffigkeit, Schweigen, Schuld. Die MeToo-Debatte hat viel aufgewirbelt – doch nicht genug. Das weiß man(n), wenn man das neue Stück von Denise Stellmann sieht. Ein persönlicher Eindruck von MONA KAMPE

Das sind die Bretter, die die Welt bedeuten!

Bühne | Mikro-Musical am Altonaer Theater Hamburg »Und nimm‘ jetzt auch mal bitte die Hand von meinem Knie, ich bin zweimal so alt und stehe nicht auf Päderastie!« »Madame, was die Zahl der Jahre angeht, das sag‘ ich einfach mal, das ist mir so was von schnurzpiepscheißegal!« Als Delio bei einem Casting auf seine frühere Lehrerin trifft, flammen nicht nur alte Gefühle wieder auf. Ein hochamüsantes Duett über die Liebe zum Leben und zur Bühne. Aber Vorsicht: Hier bleibt kein lachendes Auge trocken. Von MONA KAMPE