Bühne | Theater: Schmetterlinge sind frei
»Schmetterlinge sind frei« entstand Ende der 60er Jahre am Broadway. Die Komödie zählt zu den bekanntesten von Leonard Gershe, war weit über tausendmal zu sehen und wurde auch erfolgreich verfilmt .
ANNA NOAH freut sich auf die aktuelle Bühnenadaption.
Ursprünge
Leonard Gershe verfasste mit diesem Stück ein künstlerisches Meisterwerk. Allein der Titel »Schmetterlinge sind frei« verweist auf eine gewisse Zwiespältigkeit: Freisein ja, aber zugleich ist ein Schmetterling eher fragil, unstet und hat keine Fixpunkte in seinem Dasein.
Somit wurde etwas Hochkomplexes geschaffen, das sich zwischen der gezeigten mütterlichen Härte, Dons Mut und Jills Bindungsangst innerhalb des Stückes offenbart.
Es geht um Unabhängigkeit sowie Verantwortungsübernahme und ganz nebenbei erfährt der Zuschauer einiges über den Umgang mit Behinderten sowie mit ihren oftmals durch die Umstände schwankendem Selbstwertgefühl.
1972 wurde das Stück mit Goldie Hawn, Edward Albert und Eileen Heckhart verfilmt. Goldie Hawn gewann damals den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle.
Wie gewonnen so zerronnen
Don Baker (Johannes Hallervorden), ein musikalischer, junger Mann aus gutem Hause befreit sich von der Bevormundung durch seine Helikoptermutter. Er will als Blinder endlich selbstständig leben und das inmitten von New York.
Eines Tages lernt er seine Nachbarin, Jill Tanner (Helen Barke), kennen. Sie ist impulsiv und chaotisch, hat aber jede Menge Herz. Anfangs bemerkt sie in ihrer temperamentvollen Art nicht einmal, dass Don blind ist. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden verlieben sich ineinander und damit nimmt die Komödie Fahrt auf.
Jill hat Abenteuer über Abenteuer, war bereits verheiratet, ist aber wieder geschieden – und das mit 24. Ein Mann mehr oder weniger … oder ist es bei Don anders?
Schließlich mischt sich auch Dons Mutter (Julia Biedermann) ein, die der Meinung ist, jeder Blindenhund sei allemal besser für ihn als dieses Flittchen.
Überzeugende Darsteller
Johannes Hallervorden bietet eine überzeugende Darstellung des blinden Don Baker, der seine Schritte zählt und gelegentlich tastet, um zu »sehen«, wo er sich gerade befindet. Als seine Beziehung zu Jill ins Wanken gerät, vermittelt er den Zuschauern eine nachvollziehbare Wut und Verletzlichkeit.
Helen Barke als Jill Tanner bringt einerseits die Flatterhaftigkeit der Figur mit der andererseits vorhandenen Fürsorge für ihren neuen Nachbarn etwas überspitzt auf den Punkt. Sie hat Charme, wirkt aber oftmals hektischer als nötig.
Julia Biedermann spielt eine herausragende Mutter. Sie ist fest entschlossen, die Romanze zu beenden, bevor ihr Sohn verletzt wird. Sie möchte ihn einfach nur nach Hause holen, wo er ihrer Meinung nach hingehört. Das kauft man ihr ab. Ihr Sinneswandel dazu kommt plötzlich, aber nicht überraschend, denn die beiden weiblichen Darstellerinnen reifen in ihren Streitszenen. Es gibt viel Platz für persönliches Wachstum.
Eher eine Nebenrolle spielt Fabian Stromberger, Jills Regisseur-Freund. Er tritt permanent ins Fettnäpfchen, macht sich aber nicht einen Deut daraus.
Regisseurin Irene Christ setzt auf Action, es werden Stühle hin und her geschoben, Hochbetten frequentiert (von allen Darstellern in mehreren Stimmungen benutzt) und Porzellan zerbrochen.
Die Stimmungen wechseln manchmal ein bisschen zu schnell.
Eine starke Liebesgeschichte
Auch Mutter und Sohn streiten sich mit reichlich Wortwitz.
»Du bist viel zu dünn, Junge!«
»Ich bin genau richtig für einen 1,85m – großen Elfjährigen.«
Und das Ende?
In diesem schön inszenierten Stück werden Humor und Verletzlichkeit in einer perfekten Mischung ausbalanciert. Die Hauptdarsteller schaffen eine Atmosphäre, die so locker ist, dass sich die Zuschauer fast wie Schaulustige fühlen, wenn die beiden flirten, »Sex haben« und sich verlieben.
»Schmetterlinge sind frei« ist eine Liebesgeschichte und gleichzeitig ein Stück über das große Thema Erwachsenwerden.
Ein interessanter, berührender Abend.
| ANNA NOAH
| FOTOS: DERDEHMEL/Urbschat
Titelangaben
Schmetterlinge sind frei
Schlosspark Theater Berlin
Schloßstraße 48
12165 Berlin
Cast
Johannes Hallervorden – Don, Helen Barke – Jill
Fabian Stromberger – Produzent des fiktiven Theaterstücks
Julia Biedermann – Mutter von Don
Nach einer Komödie von Leonard Gershe, deutsch von Otto Beckmann
Regie: Irene Christ
Bühne: Joachim Hamster Damm
Kostüm: Viola Matthies