Kinderbuch | Benjamin Tienti: Unterwegs mit Kaninchen
Viel Aufregung wegen eines Kaninchens. Das ist an allem schuld – an den schlimmen wie an den guten Dingen. Von ANDREA WANNER
Andrea ist kein einfacher Junge. Er zieht sich gern zurück, am liebsten in seinen Karton, wo er Kraft und Ruhe tankt, ehe er dann dem Leben wieder begegnet. Sein Leben besteht neben der Schule vor allem aus seinem Vater, einem Anästhesisten, dem Andrea beim Kochen nur die Hilfsdienste überlassen kann. Und Maikel, Andreas Kaninchen aus dem Tierheim. Genau das Tier, vor dem der Pfleger gewarnt hat, weil es ein alter, mürrischer Einzelgänger ist. Aber Maikel und Andrea passen gut zusammen. Das findet nicht nur Andrea, sondern auch Maikel, der in dieser Geschichte ab und zu das Wort ergreift und seine Version erzählt.
Alles passt soweit. Sogar die Tatsache, dass Andreas Mama die Familie zwecks Selbstverwirklichung verlassen hat und jetzt in der Nähe von Freiburg in einem Aussteigerdorf als Heilerin tätig ist. Aber dann lernt Papa in der Klinik eine Syrerin, Farah, kennen, und bietet ihr an, mit ihrer Tochter zu ihnen in die Wohnung zu ziehen. Schließlich haben sie ja Platz. Das allein ist noch nicht das Schrecklichste. Die wirkliche Katastrophe ist Fidaa, Farahs Tochter. Andrea und Fidaa, das ist Ablehnung auf den ersten Blick. Und es kommt noch schlimmer.
Benjamin Tientis Ausreißergeschichte strotzt vor subversiven Momenten. Denn eigentlich wäre Andreas Plan, von Berlin bis Freiburg zu seiner Mutter zu reisen zum Scheitern verurteilt gewesen. Wären da nicht Menschen gewesen wie Lars, der Klomann an der Raststätte, der nicht nur sein Zimmer, sondern auch seine Süßigkeitenvorräte zur Verfügung stellt. Oder Petra, der Fernfahrerin, die eiskalt die Polizei anlügt. Oder Schwester Brigitte, die Arzthelferin in der Tierklinik, die einen Streit mit ihrer Chefin riskiert. Oder andere, die sich unerwartet auf die Seite von Andrea schlagen. Wie zum Beispiel Fidaa.
Das Tableau enthält vielfältiges Personal, das immer wieder überraschend und anders als erwartet agiert. Quer über die Seiten hoppelt dazu Maikel, das Kaninchen, dem es zwischenzeitlich ziemlich mies geht. Anke Kuhl hat das Tier liebevoll in Szene gesetzt – mit all seinen Macken und Verrücktheiten. Und klar hat auch Maikel das letzte Wort in dieser gelungenen Abenteuergeschichte, die auch davon erzählt, wie man in Krisen über sich selbst hinauswachsen kann.
Titelangaben
Benjamin Tienti: Unterwegs mit Kaninchen
Mit Illustrationen von Anke Kuhl
Hamburg: Dressler 2019
208 Seiten. 13 Euro
Kinderbuch ab 10 Jahren
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