Augen auf!

Kinderbuch | K.Laheyne, J. Till: Und was siehst du?

»Fantasie« kommt aus dem Griechischen. Es bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie »Erscheinung«, »Vorstellung« oder »Gespenst«. Und wie passend das ist, zeigt dieses Bilderbuch, findet ANDREA WANNER

Und was siehst Du»Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen«, sagt Thomas Mann. Und in diesem Sinne laden Kerstin Laheyne und Jochen Till zu einem Spaziergang ein, zu dem man ein bisschen Fantasie mitbringen sollte.

Laheyne fotografiert. Aber nicht die Dinge, die man so gemeinhin im Bild festhält. Ihr Blick ist meist nach unten gewandt, auf die Straße. Dort entdeckt sie Reste von Schnee, Blätter, weggeworfenes Papier oder zertretene Kaugummis. Dinge, die man als Müll abtun könnte und achtlos daran vorbeigehen. Sie genauer anschauen, sich inspirieren lassen und Neues daraus entstehen zu lassen: das ist, was sie macht. Und sie lädt zum Mitmachen ein.

Auf den rechten Buchseiten findet man ihr Originalfoto. Ihr Vorschlag: mit Filzstift oder Kugelschreiber oder was auch immer man zur Hand hat direkt im Buch daraus das zu machen, was man selbst darin sieht. Also Ohren dranmalen oder Augen, einen Schwanz ergänzen oder vier Beine. Ganz nach Belieben. Und dann erst umzublättern und zu schauen, zu was das Fragment Kerstin Laheyne inspiriert hat.

Bei manchen Objekten sieht man sicher etwas Ähnliches. Der Papiertaschentuchrest beispielsweise drängt sich geradezu als Meerjungfrau auf. Und die abgeblätterten Putzreste lassen bereits sehr deutlich die Konturen eines Elefanten erkennen, oder? Bei anderen Bildern wird man auf andere Ideen kommen. Fantasie ist eine kreative Fähigkeit des Menschen, sie lässt sich trainieren und man kann sich durchaus von der eigenen Fantasie überraschen lassen.

Jochen Till reimt dazu. Kurze Gedichtchen, Zweizeiler, die zeigen, wie man parallel dazu auch noch mit Sprache spielen kann.

Wer nicht ins Buch malen will – denn die meisten von uns haben ja mal gelernt, dass man das nicht macht – kann auf eine kostenlose App zurückgreifen. »Und was siehst du?“ heißt sie, lässt sich kostenlos aufs – elterliche – Handy laden und man kann damit kreativ Überraschungen erleben. Es gibt Beispiele – wie im Buch – vor allem aber die Möglichkeit, eigene Fotos mit einem kleinen Zeichenprogramm sofort umzugestalten. Kleiner Tipp: Spaziergehmuffel lassen sich damit durchaus zu einem Aufenthalt im Freien überreden.

Ein kleines Bilderbuch, das offen macht für spannende Entdeckungen.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Kerstin Laheyne und Jochen Till: Und was siehst du?
München: Tulipan 2018
36 Seiten, 12 Euro
Bilderbuch ab 6 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

True-Crime-Podcast

Nächster Artikel

Utopische Unschuld

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Liebe als Experiment

Jugendbuch | Vicki Grant: 36 Fragen an dich Liebe ist etwas Merkwürdiges, eigentlich Unerklärliches. Warum man sich in jemanden verliebt und warum nicht, entzieht sich der letzten Erklärung. Oder doch nicht. Von ANDREA WANNER

Ofenschlupfer bewirken Wunder

Kinderbuch | Julia Willmann: Rascha und die Tür zum Himmel

Veränderungen gehören zum Leben. Sie passieren, ob wir das wollen oder nicht. Auch Rafael macht in dieser Geschichte damit seine Erfahrungen. ANDREA WANNER war berührt von diesem einfühlsamen Kinderbuch.

Queste, absurd-verrückt und leicht geweihräuchert

Kinderbuch | Julie Berry: Eine verliebte Kuh, eine magische Karte und ein Strauß in geheimer Mission Unterwegs sein, ein Abenteuer nach dem anderen erlebend, eins fantastischer als das andere, ist ein unschlagbares Grundrezept für eine gute Geschichte. Hätte Julie Berry in diesem Kinderbuch auf die allzu weisen Sprüche verzichtet, wäre es sogar eine sehr gute geworden. Von MAGALI HEIẞLER

Wer passt zu mir?

Kinderbuch | Emilio Urberuaga: Ein kleine schwarze Dings Langeweile ist schrecklich. Aber es gibt ein Mittel dagegen, spielen. Allein macht das aber nicht immer Spaß. Also sucht man sich andere, mit denen man spielen kann. Das jedoch ist alles andere als einfach, schließlich muss man zusammenpassen. Die altvertraute Geschichte vom Töpfchen, das sein Deckelchen sucht und findet, hat Emilio Urberuaga in Ein kleines schwarzes Dings mit einfachsten Mitteln in herrlichsten Farben gesetzt und sogar eine neue kleine Variante dazu entwickelt. Von MAGALI HEISSLER

Wunschtraum

Kinderbuch | Ann Rand: Edward und das Pferd

Edward wünscht sich ein Pferd. Damit ist er vermutlich nicht allein, was die Erfüllung des Wunsches aber sehr schwierig macht: Edward lebt in New York im 21. Stock eines Hochhauses. »Also keine Chance?«, fragt sich ANDREA WANNER