Eine Schlange mit bloßen Händen fangen

Jugendbuch | Kiera Stewart: Dumme Ideen für einen guten Sommer

Wie übersteht man einen Sommer mit seiner durchgeknallten Familie? Edie graust es jedenfalls davor. Und dann kommt alles ganz anders als gedacht. Von ANDREA WANNER

Vermeide die Dinge, die dir Angst machen, und schrumpfe – oder stelle dich ihnen und wachse daran

Dumme Ideen für einen guten SommerEdith ist zwölf und den Sommer hatte sie sich garantiert anders vorgestellt, als mit ihrer überbehütenden Mutter, dem ewig gut gelaunten Vater und den nervigen, megaintelligenten aber lebensuntüchtigen Zwillingen Beatrice und Henry das Haus der verstorbenen Großmutter Petunia zu räumen. Der Plan war eigentlich, ihre beste Freundin Taylor zurückzugewinnen. Und jetzt das: ein vollgestopftes Haus, Schlangen, ein Alligator… Edie ist am Ende. Und dann taucht auch noch ihre Cousine auf. Rae ist megacool, in den Social Media unterwegs, lebensklug, lustig. So, wie Edie gern wäre.

Als sich herausstellt, dass aus den versprochenen zwei Wochen sehr viele mehr werden, ist für die beiden Mädchen klar, dass sie zusammenhalten müssen, wenn sie das überstehen wollen. Und dann findet Edie eine Liste, die ihre Großmutter – die sie nie kennengelernt hat – für den Sommer 1962 zusammengestellt hat. Lauter Dinge, die sie sich vorgenommen hatte, in diesem Sommer zu erledigen.

„Eine Schlange mit bloßen Händen fangen“ lautet die erste Aufgabe. Oder „Flirten lernen“ die vierte. Neun Aufgaben – die zehnte fehlt – die alle „Nichts für Feiglinge!!!“ sind. Edie hat eine Idee: Wenn sie gemeinsam mit Rae die Liste abarbeitet, wird sie vielleicht das Mädchen, das sie gerne wäre. Ohne diesen Grund zu verraten, schlägt sie ihrer Cousine das Ganze als Sommerabenteuer vor. Und Rae stimmt zu.

Kiera Stewart schafft einen Mikrokosmos an Figuren, die sehr verschieden sind und dabei alle irgendwie auf der Suche. Es gelingt ihr, die auftretenden Personen von den neunmalklugen Zwillingen über die schüchterne Edie, die souveräne Rae, den liebenswürdigen Jungen von Nebenan, die Helikoptermutter oder die abenteuerlustige Großmutter Petunia überzeugend lebendig werden zu lassen. Was sind die Motive, die zu bestimmten Handlungen führen. Wem will man es recht machen? Den anderen? Oder vielleicht doch am besten sich selbst, um vor sich selbst zu bestehen?

Die Hitze Floridas mit tückischen Sümpfen und mehr oder weniger gefährlichen Tieren liefert den malerischen Hintergrund für diese Sommergeschichte. Das Cover fängt es wundervoll ein: zwei Mädchen in einem Ruderboot, nicht mehr als winzige Punkte in einer Landschaft voller üppiger Vegetation und wilden Tieren. Es geht eine Menge schief in dieser Geschichte, es gibt Missverständnisse, Streit und Versöhnungen. Und am Ende haben alle, allen voran Edie, viel gelernt. Eine wunderschöne, leichte Sommerlektüre!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Kiera Stewart: Dumme Ideen für einen guten Sommer
(Summer of Bad Ideas, 2017). Aus dem Englischen von Susanne Klein
Hamburg: Carlsen 2019
288 Seiten, 14,99 Euro
Jugendbuch ab 11 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Kein Ausweg

Nächster Artikel

Familiengeheimnisse

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Auf der Suche nach dem Verborgenen

Jugendbuch | Antje Wagner: Hyde Es gibt Erfahrungen, die Menschen machen müssen, an denen sie zerbrechen. Oder sie finden Wege, damit umzugehen. Die 18jährige Katrina steht an einem Scheideweg, der über ihr weiteres Leben entscheiden wird. Von ANDREA WANNER

Außer Atem

Jugendbuch | Tamara Bach: Vierzehn   Ein Tag ist nicht sehr lang, aber in den wenigen Stunden kann so viel passieren, dass man kaum Luft bekommt beim Erzählen. Auch die Leserin gerät außer Atem. Tamara Bach ganz groß. Von MAGALI HEISSLER

Ich bin nicht, wer ich bin

Jugendbuch | Alex Gino: George Ein Junge ist ein Junge, ein Mädchen ein Mädchen, das ist doch keine Frage. Schließlich sieht man es auf den ersten Blick, heißt es. Die Natur allerdings ist weit differenzierter, als dass ein Blick genügte, um ihre Facetten zu erfassen. Ein Junge kann durchaus ein Mädchen sein und ein Mädchen ein Junge. Was in so einem Fall alles passieren kann, erzählt Alex Gino speziell für ein recht junges Publikum. Von MAGALI HEISSLER

Planmäßige Zufälle

Jugendbuch | Nikola Yoon: The Sun ist also a Star. Ein einziger Tag für die Liebe Manchmal sollte man einem Buchcover besondere Aufmerksamkeit schenken, denn es verrät schon eine Menge. »Schicksalsfäden einer großen Liebe«? ANDREA WANNER war neugierig.

Wie es sich anfühlt, wenn man vor den Nazis gerettet werden muss

Jugendbuch | Peggy Parnass: Kindheit. Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete Man weiß es ja. Man hat davon gehört. Es gibt sogar ein paar Bücher darüber, dass jüdische Eltern ihre Kinder nach England oder Schweden schicken durften und ihnen dadurch das Leben retteten. Es kann einer insgeheim ganz wohlig werden bei dem Gedanken, geht es doch ums Gerettet werden. Gut, dass es Peggy Parnass gibt. Sie war eines dieser Kinder und erzählt, wie es sich wirklich anfühlt, wenn man von den Eltern derart gerettet werden muss. Von MAGALI HEISSLER