Stell dir vor es ist Krieg…

Jugendbuch | William Sutcliffe: Wir sehen alles

Es herrscht Krieg. London ist eine zerstörte Stadt mit einer umzäunten Sperrzone. Für zwei junge Männer wird dieser Krieg zum Schicksal. Von ANDREA WANNER

Wir sehen allesLex ist 16 und an den Krieg gewöhnt. Auch an die Drohnen, die permanent über den Köpfen der Bewohner kreisen, alles immer im Blick haben. Alan ist Soldat und fliegt genau so eine Drohne. Hier kann er, der immer als chancenloser Loser abgestempelt wurde und seine Zeit mit Computerspielen verbrachte, zeigen, was in ihm steckt.

Als routinierter Gamer ist er prädestiniert für diese Aufgabe. Was Lex und Alan verbindet, ist der Vater von Lex. Er ist Teil einer Untergrundorganisation, die zurückschlägt. Und die im Visier des Militärs ist. Alan lenkt von seinem Platz aus die Drohne, die #K622 auf Schritt und Tritt folgt. Und #K622 ist kein anderer, als Lex’ Vater.

William Sutcliffe entwirft ein bedrückendes Szenarium. London ist zerstört, auf den Wegen durch den Schutt und die Ruinen tauchen einzelne ehemalige Monumente als zerfallende Ruinen auf. Angst und Misstrauen prägt das Leben der Bevölkerung. Junge Männer wie Lex und Alan haben nie etwas anderes kennengelernt.

Alan wittert darin eine Chance, seine Chance. Das Kriegführen mit Drohnen ist für ihn scheinbar nichts anderes als ein Spiel, den Unterschied, ob man Figuren, die aus Pixeln bestehen, vernichtet oder Menschen aus Fleisch und Blut, darf man sich einfach nicht klarmachen.

Zunächst sind es sowieso nur Aufklärungsflüge. Erst wenn man sich bewährt hat, kommt die wirkliche Aufgabe, das Töten. Lex dagegen versucht sich irgendwie aus den meisten Dingen, die mit dem Krieg zu tun haben, herauszuhalten. Aber das funktioniert nicht. Schließlich hat sein Vater eine Aufgabe für ihn. Und Lex lernt Zoe kennen und verliebt sich.

Zwei junge Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, werden mit schwierigen Situationen konfrontiert, in denen sie sich entscheiden müssen. Sutcliffe wechselt kapitelweise die Perspektive, folgt einmal Alan an seinen Arbeitsplatz, wo er hoch konzentriert seine Arbeit erledigt und nach Hause, wo die Mutter enttäuscht und entsetzt ist von dem, was ihr einziges Kind tut. Und er schildert Lex‘ Botengänge durch die Stadt, sein Stolz darauf, dass er plötzlich ernst genommen wird, und seine Fragen, als die Liebe wichtiger scheint als alles andere.

Wann tut man das Richtige? Wann lädt man Schuld auf sich? Welche Optionen lässt einem der Krieg? Die beklemmende Dystopie weicht keiner dieser Fragen aus und lässt einen mit dem dringlichen Wunsch »Nie wieder Krieg« zurück.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
William Sutcliffe: Wir sehen alles
(We See Everything, 2017)
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
Hamburg: Rowohlt 2019
288 Seiten, 15 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
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