/

Absurde Klangfundamente und eigenwillige Texte

Bühne | Konzert: Knorkator

»Widerstand ist zwecklos«, das neue Album von »Knorkator« ist seit September draußen und man hat den Eindruck, die »meiste Band der Welt« ist auch 25 Jahre nach ihrer Gründung beliebter denn je. So beliebt, dass die Columbiahalle in Berlin kurzerhand im Dezember 2019 in Knorkatorhalle umbenannt wurde.
ANNA NOAH ist gespannt auf ihre Bühnenshow.

Musikstil

Wer die Band nicht kennt und sich auch nie mit ihnen beschäftigt hat, ist schnell ziemlich überfordert mit den musikalischen und – vor allem – textlichen Ergüssen. Die Musik wird als Nonsens-Metal, oft auch Fun-Metal bezeichnet. Dies zeigt sich in so schönen Refrains wie »Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett« oder »Ich bin der Boss! Halt die Fresse! Leck mich am Arsch!«, unterlegt mit Power Metal Chords. Und doch scheinen die Musiker mit dem Großteil der aktuellen Metalszene mithalten zu können, vielleicht auch, weil Knorkator-Frontmann Stumpen ein ausgebildeter, klassischer Opern-Sänger ist. Im Opener »Absolution« zeigte er dieses Können auf meisterhafte Weise.

Knorkator

»Widerstand ist zwecklos« ist das zehnte Studio-Album der Band.
Der Sound klingt generell balanciert, dabei aber durchaus auch mal laut und extrem wuchtig.

Fragwürdige Texte aber coole Show

Eine Vorband? Gibt es! Die »Polkaholix« machen mit ihrer Mischung aus Polka und Rock mächtig Stimmung, bevor es dann fröhlich heißt: »Zweck ist widerstandslos«.

Während des Umbaus für den Hauptact wird ein Bildschirm auf die Bühne geschoben. Dieser zeigt fast eine Stunde lang ein Sammelsurium an originalen Musikvideos oder Bandauftritten, die extrem schief, vermutlich von der Band selbst, nachsynchronisiert wurden. Vermutlich ein Seitenhieb auf aktuelle »YouTube«-Trends. Ob das wirklich witzig oder doch nur überstrapaziert ist, muss der Zuschauer, wie bei allem, was »Knorkator« so an Kunst fabriziert, selbst entscheiden.

Knorkator

Das eigentliche Konzert beginnt mit »Absolution«, was schlau gewählt ist nach der »YouTube«-Sache, denn damit gibt es gleich zu Beginn einen Song, der das Stimmvolumen von Stumpen in vollem Umfang darstellt. Später benutzt er seine ausdrucksstarke Countertenor-Stimme in Kombination mit der von Alf Ator bei »Am Arsch«, »Weg nach unten« sowie dem Anita Ward-Cover »Ring My Bell«. Die Band brilliert mit starken Gitarren-Riffs und äußerst erfinderischen Textsalven.

Gleich beim zweiten Lied »Du nicht« kann der Zuschauer seinen Horizont erweitern: Arme in die Luft, Headbangen und gleichzeitig springen – das geht und das sieht bei Stumpen noch dazu äußerst gekonnt aus.

Es verwunderte nicht, dass fast alle auf der Bühne Glitzeranzüge und eher auffällige Kleidung tragen. Doch kurz nach Konzertbeginn steht Stumpen bereits oben ohne auf der Bühne, wohl auch, um sein exorbitantes Tattoo zur Geltung zu bringen.
So arbeitete sich die Band durch ihr Programm.

Ein Überraschungsgast in der Mitte und noch mal kurz vor Ende der Show ist Hans Werner Olm. Er trat in seiner Paraderolle als »Luise Koschinsky« auf und sang im sexy Rentierpulli für die Fans den Kultsong »Böse«.

Knorkator live

Insgesamt 130 Minuten spielen »Knorkator« für die Berliner Fans Hits aus 25 Jahren Bandgeschichte. Auf dem Plan stehen 21 Lieder plus vier Zugaben, davon einige neue Werke, wie »Ein Wunsch«, »Buchstabensuppe« oder – überraschenderweise – das Ace of Base-Cover »All that she wants«.

Das Publikum kann nicht genug bekommen, jubelt, tanzt auf Kommando von Stumpen Polonaisen durch die Halle. Es gibt zwei bis drei Stagediver, während sich der Frontmann immer mehr Kleidungsstücken entledigt. Nachdem Alf Ator ein Keybord mit einem Vorschlaghammer zerstörte, dürfen zwei junge Damen als Klavierständer auf der Bühne fungieren. Sämtliche Pyrotechnik bekommt Stumpen selbst ab, teilweise badet er geradezu in Feuerwerk.

All dies läuft bei den meisten Fans unter: ganz normaler Wahnsinn.
Als i-Tüpfelchen gibt es kurz vor Schluss von Alf Ator und Stumpen noch ein medizinisch-anatomisch-korrektes Gedicht namens »Coming in« über Dinge, die nicht in den Darm gehören.

Knorkator

In Erinnerung bleibt ein merkwürdiger, aber unterhaltsamer Abend.

| ANNA NOAH
| FOTOS: Sanny Wildemann

Showangaben
Knorkator (Knorkator Music)
Gesang: Stumpen (Gero Ivers)
Keyboard: Alf Ator (Alexander Thomas)
Gitarre: Buzz Dee (Sebastian Baur)
Bass: Rajko Gohlke
Schlagzeug: Nick Aragua (Nicolaj Gogow)
Gast: Hans Werner Olm als Luise Koschinsky

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Die geheimnisvolle 36

Nächster Artikel

Fotografische Zeitreise

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Die »Magie einer unglaublichen Musik«

Interview | Bühne | Toby Gough: The Bar at Buena Vista ›Social Club‹ ist der Name eines kulturellen Zentrums in Buena Vista, einem Stadtteil in Havanna. Ob Rumba, Salsa oder Cha-Cha-Cha – die Tänze verändern sich so schnell wie die Stimmungen der Menschen. Theaterregisseur Toby Gough spricht über seine Show ›The Bar at Buena Vista‹, die uns mit spannenden und humorvollen Geschichten von Liebe, Eifersucht und Versöhnung im Kuba der 40er und 50er Jahre unterhält. ANNA NOAH freut sich darauf, herauszufinden, was das Publikum erwarten kann.

Takt zwischen Schrott und Mülltonnen

Live | Bühne: STOMP Es ist ein Rhythmusspektakel der besonderen Art, das seit mehr als fünfzehn Jahren für Furore sorgt! Die Macher von ›STOMP‹ erfinden für die Perkussions-Kunst eine völlig neue Identität. Dies schafft das Ensemble einzig und allein durch Fingerschnippen, Besenschwingen, Feuerzeugklicken und Mülltonnenklappern. Man kann sagen, dass die Darsteller neue Maßstäbe im Trommeln setzen. ANNA NOAH will wissen, ob Schrott allein wirklich für eine gelungene Abendunterhaltung taugt.

Zwischen Sein und Nicht-Sein, Wunsch und Wirklichkeit

Bühne | E.T.A. Hoffmann: ›Der goldne Topf‹

Die Frage nach den Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten, den Anforderungen der Gesellschaft und auch sich selbst gerecht zu werden, stellt sich dem Menschen nicht nur im noch recht jungen Jahr 2020. Bereits in der Romantik schuf E.T.A. Hoffmann (24. Januar 1776-25. Juni 1822) das Werk ›Der goldne Topf‹. Dieses trägt nicht umsonst den Untertitel ›Ein Märchen aus der neuen Zeit‹, spielen doch sowohl die Motive der Romantik wie die »Blaue Blume« als auch die Abwechslung von Mystik und Realität eine Rolle. Von JENNIFER WARZECHA

Die Qual der Wahl

Bühne | ›Suschi oder Currywurscht?‹ in Karlsruhe

Einen Ehemann, der den Hochzeitstag – in diesem Fall: vermeintlich – vergisst, den kennen sicherlich die meisten Ehefrauen. Ein solcher, bei dem sich das mit dem Vergessen als Missverständnis herausstellt und bei dem auf sympathische Art und Weise klar wird, wie er mittwochs am Abend seine Zeit verbringt, dürften weniger Frauen kennen. So aber ergeht es Doris mit ihrem Kurt in ›Suschi oder Currywurscht?‹, einer Komödie von Hannelore Kucich, auf der ›Badisch Bühn Mundart‹ in Karlsruhe. Von JENNIFER WARZECHA

Lehrstück ohne Lehre

Bühne | Max Frisch: Herr Biedermann und die Brandstifter Der andauernde Krieg in Syrien oder Donald Trumps Zölle auf außerhalb den USA stammende Waren zeigen es: Der Fall ›Herr Biedermann und die Brandstifter‹ ist aktueller denn je. In Pforzheim zeigt Max Frischs Parabel bzw. ›Lehrstück ohne Lehre‹ (Uraufführung 1956), wie es im Untertitel genannt wird, wie Gutmenschentum, Moral und Egoismus miteinander einhergehen. Von JENNIFER WARZECHA