/

Waldbrände Buschfeuer

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Waldbrände Buschfeuer

Die Buschfeuer in New South Wales sind mittlerweile keine Neuigkeit, ihr Sensationswert hat sich abgenutzt, der Qualm breitet sich über Sydney aus, auch das nichts Neues, während die regionalen Sender ununterbrochen ihre dramatischen Bilder verbreiten, du siehst gewaltig aufflackernde Feuersbrünste, wogende Flammenmeere, eben doch nie dagewesene Szenen, sie bilden das Feuer ab, wie auch das Leid nur in Bildern per Video mitgeteilt werden kann.

Und, Tilman? Wie denn anders? Hättest du einen Vorschlag?

Susanne verkneift sich ein genießerisches Lächeln und trinkt einen Schluck Tee, Kamillentee, sie hat ihr heißgeliebtes Ming-Porzellan aufgedeckt, die leichte Erkältung ist nicht vollständig kuriert.

Wie kommst du darauf? Es ist eben nicht anders möglich, Susanne, und exakt da liegt das Problem.

Was ist nicht anders möglich?

Die visuelle Wiedergabe berührt die Menschen nicht. Sie wissen ja von den verheerenden Bränden. Australien liegt am anderen Ende der Welt wie auch Kalifornien. Gut, sie können spenden.

Sie tun’s.

Sie tun’s. Doch letztlich sind sie erleichtert, selbst verschont geblieben zu sein. So meine ich es. Verstehst du? Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt – das trifft vermutlich auf den Feuerwehrmann zu, der das eigene Leben aufs Spiel setzt, ohne daß er darüber nachgedacht hätte. Er ist selbst beteiligt, er lebt dort, er ist in das Geschehen verstrickt, er sitzt nicht vor dem Bildschirm.

Wo wäre also das Problem, Tilman? Soll denn alle Welt Flüge buchen nach Sydney, um sich vor Ort ein Bild zu verschaffen?

Susanne blickt ihn verständnislos an und hält noch zögernd ihre zierliche Tasse mit dem rostroten Drachenmotiv. Dann setzt sie sie ab und schenkt Tilman aus der Kanne mit weißem Tee nach. Tilman lächelt und nimmt einen Marmorkeks.

Stimme, unterbrechend: Fires are threatening homes in the Bundaberg region QLD. Authorities are warning residents to prepare to leave, they say conditions could get worse quickly and that the fire could have a significant impact on the community. They may not be able to protect every property.

Die Nachricht kommt im Fernseher an, Susanne, nicht bei den Menschen.

Du sprichst in Rätseln, Tilman. Was willst du?

Wie nie zuvor stehen weite Regionen des Planeten in Flammen.

Ist das so ungewöhnlich neu?

Die Menschen müßten erschüttert sein, Susanne.

Sie sind erschüttert.

Sie nehmen Anteil, sie spenden Gelder.

Aber sind nicht erschüttert? Du sprichst in Rätseln.

Du wiederholst dich. Wären sie erschüttert, würden sie überlegen, verstehst du?

Sie überlegen nicht?

Nein, sie fangen nicht an, nachzudenken, sondern leben ihren Alltag unbekümmert wie gehabt.

Stimme, unterbrechend: The ongoing bushfire threat is coinciding with a dangerous heatwave forcing the rural fireservice to declare an unprecedented emergency situation with temperatures into the mid forties. Sydney will be blasted by the heatwave on Thursday with 39 in the city, and 44 in Penrith. It will be even hotter on Saturday, and the smoke will be back thicker than ever. The facts are that Australia is burning while we turn a blind eye to the driving force which is climate change and a warming planet.

| WOLF SENFF

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Wahrer Mut braucht kein Geschlecht

Nächster Artikel

Weihnachten für fast alle

Weitere Artikel der Kategorie »Prosa«

Alternativ

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Alternativ

Nein, ganz und gar nicht, null, wehrte Tilman ab, er werde keineswegs darauf verzichten, die Kultur des alten Ägypten heranzuziehen, weshalb, wir müßten lernen, die Gegenwart aus gebührender Distanz wahrzunehmen, Distanz sei hilfreich.

Anne schenkte Tee nach.

Farb griff zu einem Keks.

Sich ausschließlich mit dieser Kultur zu befassen, wandte Farb ein, das werde auf Dauer eintönig.

Die drei Jahrtausende seien in höchst verschiedene Abschnitte unterteilt, in drei Reiche mit jeweils Zwischenzeiten, einer Spätzeit und einigen Jahrzehnten, von denen wir heute wohl sagen würden, das Land habe unter fremder Herrschaft gestanden, es sei besetzt gewesen.

Klingt kompliziert und höchst lebendig.

Interessant, sagte Anne, und ob man daraus lernen könne.

Sprache

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Sprache

Du mußt ganz vorn anfangen, sofern du die Dinge sortieren möchtest, verstehst du, im Anfang war das Wort.

Wo ist das Problem.

Die Leute haben ihre Bodenhaftung verloren, sie sind hysterisch, doch so möchte man sie haben, leichtgewichtig, daß man ihnen allerlei püriertes Durcheinander andrehen kann, sie haben eine langjährig gezüchtete Kundenmentalität, man kann sie locker für dumm verkaufen, aber ab und zu doch auch wieder nicht, der Widerstandsgeist ist zäh, sie lassen sich glücklicherweise nicht über einen Kamm scheren.

Verstehe das, wer will, Farb.

Sie können störrisch sein wie Esel, ohne mich, sich auf die Hinterbeine stellen.

Komm, Gegenwart, erinnere dich

Prosa | Antònio Lobo Antunes: Zweites Buch der Chroniken

Wie schön, dass der Luchterhand Literatur-Verlag nun, in der mit seiner deutschen Präsenz innig verschwisterten Übersetzung von Maralde Meyer-Minnemann, auch den zweiten Band von Kolumnen veröffentlicht hat, die der portugiesische Epiker António Lobo Antunes zwischen 1993/2001 vierzehntäglich in einer portugiesischen Zeitung geschrieben und 2002 gesammelt publiziert hat. Von WOLFRAM SCHÜTTE

Im Lager

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Im Lager

Bei den zwei verkümmerten Azaleen ging Lassberg zwei Schritte hangauf. Die leichte Böschung strandseitig entlang der Sichtschutzplane war im Spätsommer aufgeschüttet worden. Der Lärm der Raupen klang ihm im Ohr. Ich komme darauf zurück. Ein Erzähler muß das Geschehen ordnen.

Weshalb Bäume gesetzt wurden, das verstehe, wer will. Als ob Wasser beliebig verfügbar wäre. Die ersten Setzlinge waren nach wenigen Wochen vertrocknet. Besser hätte man zusätzlich Sonnendächer installiert, am späten Vormittag wird es brütend heiß.

Federleichte Lebenskunst

Prosa | Hanns-Josef Ortheil: Was ich liebe und was nicht Ein großer Flaneur und Fabulierer öffnet sein Innenleben, gesteht seine Neigungen und Sympathien, sein Missfallen und Widerstreben. Hanns-Josef Ortheils vielgestaltiger Essayband ›Was ich liebe und was nicht‹ verbindet unterschiedliche Ausdrucksformen mit scheinbar alltäglichen Themen, leicht, schwebend, unterlegt mit einer guten Prise Selbstironie. Von INGEBORG JAISER