Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Wassermaler

Gleich kippt die Welle
und schwappt ins Zimmer,
flutet es mit grünlicher
Bläue und schlägt Gischt
an die Decke, brandet
ins Auge des Betrachters.

Ein Kraftakt des Malers,
der seine Pinsel austobt,
bis sich die Wogen
zu Gebirgen türmen,
das Wasser zur Wand wird
und aus der Leinwand wuchtet.

Dieser gezielte Anschlag
auf die Einbildungskraft
sprengt fast den Rahmen:
Wasser als Urgewalt,
aber gebändigt mit Öl.

 
 

Damit sein Stern leuchtet

So ein handfester Name,
mit beiden Beinen im Leben
und den Kopf in den Wolken,
was darin steckt, wirft er mit
wenigen Strichen aufs Papier,
es ist geradezu wunderbar.

Als er zurückkehrt ins Land
heißt er der Neapolitaner,
ist sein berühmtestes Bild
mit dem bedeutenden Schlapphut
noch nicht zu Ende gemalt,
der Dargestellte sieht es nie.

Nichts wird aus der Akademie,
der Herr Direktor ohne Stelle,
aber er porträtiert sich durch
und findet seinen Herzog,
läßt seine Geschichten schreiben
und ist doch ihr Verfasser.

Ein unbekannter Bekannter,
nicht einmal seine Gemälde
sind richtig aufgelistet,
fast alles noch immer zu tun,
damit sein Stern heller leuchtet,
dies ist nur ein hinweisender Strahl.

 
 

November November

Seine Blätter hat er verstreut,
die restlichen von den Ästen
gerissen, die braune Ernte
eines sehr durchwachsenen Jahres,
grau ist der Himmel, grau der Tag,
November November.

Was ist denn wirklich gereift,
hat ein Frühlingsgedanke
angesetzt und ist fruchtig
geworden bis heute hin?
Oder längst wieder verwelkt?
November November.

Was kam ins Haus außer Flecken
von schlecht abgetretenen Schuhen?
Hat sich in meinen Räumen
eine Idee eingenistet,
die heimisch werden möchte?
November November.

Auf welchem Stuhl saß ein Anflug
von so etwas Rarem wie Glück?
In welchen Winkel hat sich
eine Zufriedenheit geflüchtet?
Aus welchem Bild lacht was hervor?
November November.

Die Gewohnheiten sind noch
älter geworden und fester,
angewachsen wie ein Schmutzrand,
meine Schritte füllen die Zimmer
und mein Schweigen stapelt sich an,
November November.

| PETER ENGEL

Peter Engel, 1940 in Eutin/Holst. geboren, lebt als freier Schriftsteller, Kritiker und Kunstsammler in Hamburg, er veröffentlichte Lyrik, Kurzprosa, Aufsätze und Rezensionen in Zeitschriften und Anthologien sowie mehrere Lyrikbände; die abgedruckten Gedichte sind dem dieser Tage in der ›Edition Hammer und Veilchen‹ erscheinenden Band ›In Erwartung der Zeichen. Neue Gedichte‹ entnommen.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Dystopische Dominanz: literarische Elemente

Nächster Artikel

Ein gemaltes Leben

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Das Glück liegt in blauen Kleidern

Lyrik | Sophie Reyer: Fünf Gedichte dein Geruch schläft neben mir rahmen laufende Streifen den Horizont ein: Sonnenflut die Gelenke der Erinnerungen ineinander geschoben sind wir wieder Kind: Wirklichkeiten

Völlig inkorrekter Wunsch

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Völlig inkorrekter Wunsch

Mit einem Hauch deines Atems
und mit deiner warmen Hand,
mit der Ausstrahlung deiner Augen
und einem ganz tiefen Blick,
steck mich an mit dir.

Wir träumten der Welt einen Hafen

Lyrik | Stefan Heuer: Herzstück Stefan Heuers Gedichtband herzstück geht den tieferen Bedeutungsschichten von Sprichwörtern, Sprüchen, den Versatzstücken der Sprache nach. Von HARTWIG MAURITZ

Immer nach Hause

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer  Folgen Sie dem kleinen Licht dort in das Reich der Poesie

Konstanten (1)

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer  Wer dreht schon früh am Tage die Dusche ganz weit auf?