Wie viel Dinge braucht der Mensch?

Kinderbuch | Rosemarie Eichinger: Das unheimliche Haus der Herrn Pasternak

Anabel will Piratin werden. Dazu muss man mutig sein. Und wie groß ihr Mut tatsächlich ist, muss sie beweisen, als zunächst ihr Kater Oskar und dann ihr kleiner Bruder in dem grässlich Nachbarhaus verschwinden. Spannung pur, findet ANDREA WANNER.

Haus PasternakMan munkelt, dass es in dem alten Haus nicht mit rechten Dingen zugeht. Es kursieren Gerüchte, dass sein Bewohner, Herr Pasternak, schreckliche Dinge tut. Anabel stellt ihn sich als Vampir vor. Oder Zombie. Oder Serienmörder. Um das Haus macht sie, wie alle, einen Bogen. Aber was, wenn dieser gruselige Mann aus Katzen, die in seinem Haus landen, Gulasch macht? Anabel muss Oskar retten. Ihre Idee ist, Herrn Pasternak zum Tausch eine Salami anzubieten, die sie im Morgengrauen aus dem Kühlschrank stibitzt. Allerdings erwischt sie ihr kleiner Bruder Jonas. Jonas ist klein, nur halb so alt wie Anabel, die immerhin schon 9 ist. Aber es bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihn mit auf die gefährliche Mission zu nehmen. Und das erweist sich als eines von vielen Problemen.

Rosemarie Eichinger hat eine spannende Geschichte voller Gruselmomente geschrieben und sich viele amüsante Details dafür ausgedacht. Denn wenn man mal drin ist, ist das Spukhaus noch viel, viel merkwürdiger als von außen. Es lebt gewissermaßen. Ein sehr eigenwilliges Eigenleben, in dem Kirschbonbonbäume und Kekssträucher gedeihen, sich eine grüne Gießkanne in eine rosarote verliebt und mit ihre eine ganze Gießkannendynastie gründet und so viel Trödelkram und Krempel sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt das, dass ein Weg durch das labyrinthische Durcheinander ausweglos erscheint.

Die Spannung wird langsam aufgebaut, wächst Seite um Seite und nicht nur Anabel kann sich keinen rechten Reim auf den klapperdürren und leichenblassen Phileas Pasternak machen, dem sie schließlich in die Arme läuft und der in dem Haus lebt wie in einem Gefängnis. Ob er sie und Jonas am Ende doch mästen will, wie die Hexe bei Hänsel und Gretel, um sie dann zu verspeisen?

Für ein bisschen comic relief sorgen die herrlichen Illustrationen von Thomas Kriebaum, die in ihrem fantasievollen Einfallsreichtum das Innenleben der alten Villa einfangen und einen wundern und staunen lassen. So darf auch er das abschließende Bild liefern, okay, das sei verraten: ein glückliches Ende, wo die alte und die neue Welt zueinander in Einklang stehen. Dass man sich von Dingen trennen muss, ist nur eine kluge Erkenntnis dabei. Aber bis da ist es ein weiter, gruseliger, packender und überraschender Weg, auf dem man die kleine Piratin gern begleitet.

Titelangaben
Rosemarie Eichinger: Das unheimliche Haus der Herrn Pasternak
Mit Illustrationen von Thomas Kriebaum
Wien: Luftschacht Verlag 2020
144 Seiten, 16 Euro
Kinderbuch ab 8 Jahren

| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Flucht in den Norden

Nächster Artikel

Private Krise, politisches Drama

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Eine tröstende Geschichte

Kinderbuch | Peter Carnavas: Der Elefant

Geschichten können durch schwierige Zeiten helfen, indem sie Mut machen und Trost spenden. So auch das neue Kinderbuch von Peter Carnavas: ›Der Elefant – Eine Geschichte gegen die Traurigkeit‹. Ein berührendes Buch – findet ALEXA SPRAWE.

Mäuse statt Schnäppchen

Kinderbuch | Thilo Krapp: Émile in Berlin

Anfang des 19. Jahrhunderts ging es los: riesige überdachte Einkaufspassagen in den großen Städten, die Vorläufer der Warenhäuser. Die erlebten, in abgewandelter, weiter entwickelter Form wenige Jahre später einen regelrechten Boom. Das »moderne innerstädtische Warenhaus« hatte um 1900 eine wahre Blütezeit. Und als Maus kann man sich, wie das hübsche Kinderbuch zeigt, in diesen riesigen Hallen ganz gewaltig verlaufen. Von BARBARA WEGMANN

Killekille

Vorlesebuch | Jutta Bauer: Emma lacht

Emma ist ein überaus munterer kleiner Bär. Und wenn Emma lacht, dann muss man einfach mitlachen, findet ANDREA WANNER

Schwere Versuchung

Kinderbuch | Dorit Linke: Fett Kohle Wer träumt nicht davon, auf einen Schlag viel Geld zu haben? Mit Geld lassen sich Probleme spielend lösen. Das ist allerdings auch ein Traum. Hat man unvermutet viel Geld in der Hand, fangen die Probleme erst richtig an. Niklas kann ein Lied davon singen. Von MAGALI HEIẞLER

Ein Traum muss kein Traum bleiben

Kinderbuch | Lina Al-Hathloul & Uma Mishra-Newbery: Loujains Träume von den Sonnenblumen

Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung und Chancengleichheit, das alles kann man mit Blumensamen vergleichen, die muss man aussäen, damit sie wachsen, gedeihen, sich entfalten. Dann kann auch die nächste Generation über die weiten Felder der Sonnenblumen fliegen, um im Bild des berührenden Buches zu bleiben, freut sich BARBARA WEGMANN