Manchmal machen Kraken ja Schlagzeilen, wenn sie zum Beispiel Fußballergebnisse vorhersagen, oder die Hauptrolle in einem Oscar-prämierten Dokumentationsfilm spielen. Spätestens seit diesem Film, ›Mein Lehrer, der Krake‹, gehören diese – zugegeben erst auf den zweiten Blick – wunderschönen Tiere zu meinen Favoriten. Im vorliegenden Buch kann man eine ganze Menge über die geheimnisvollen Tiere lernen, findet BARBARA WEGMANN .
Das ist ein in mehrerlei Hinsicht fantastisches Buch, Aufmachung, Illustration, Text, Inhalt, das wertige Papier, das Format, die Komposition, einfach alles. Da sind Autor und Illustratorin mit viel, viel Lust und Liebe herangegangen. Nicht einfach also nur ein Buch für Kinder und Jugendliche, dazu ist es auch rein von der künstlerischen Gestaltung her auch für Erwachsene viel zu attraktiv. Und Krakenfreunde findet man schließlich in jedem Alter. So ist dieses Buch eigentlich zeitlos, ohne Altersangabe, einfach nur eine überaus charmante Liebeserklärung an diese Tiere, an die Oktopoden, die Achtfüßigen, Weichtiere mit acht Tentakeln, und mit denen leisten sie Erstaunliches!
Nicht verwechseln darf man sie mit den Kalmaren oder Sepien, in Bildern liefern sich hier im Buch alle Arten geradezu einen Schönheitswettbewerb, wobei man eigentlich gar nicht so recht weiß, ob die kunstfertigen Zeichnungen oder die außergewöhnlichen Tiere mehr begeistern. Ein Buch zum Lernen, zum unterhaltsamen Lernen und zum Lernen mit großem Spaß!
»Ein Krake fand im Supermarkt kein Regal nach Krakenart, er ging lieber ins Kino und trank dort Cappuccino.« Eines gibt es in diesem Buch überhaupt nicht: einen durchgehenden Text, der bei Seite 1 beginnt und bei Seite 144 endet, der vielleicht Kapitel hat, einen Aufbau, eine Struktur. Nein, hier ist einfach alles anders, und genauso wie der Krake ganz urplötzlich sich aus dem Staub machen kann, so überrascht und jongliert der Autor mit Wissen, Humor, Weisheiten, Sprüchen und mit von weit Hergeholtem, aber doch zum Thema Gehörenden. Es ist eine bunte Mischung. Ein Überraschungsei als hinreißendes Buch.
Kraken haben Superkräfte, schnell reißen sie sich schon mal ein Stückchen von ihren filigranen Armen ab, kein Problem: »… spätestens in 100 Tagen ist der Arm komplett nachgewachsen.« Kraken können blitzschnell sein, zwängen sich in engste Verstecke und ernähren sich von Krabben, Garnelen und anderen Schalentieren. »Für den Verzehr einer mittelgroßen Krabbe braucht der Krake eine halbe Stunde- also ungefähr so lange, wie ich für eine Pizza benötige, aber das interessiert nun wirklich niemanden.«
Da gibt es Rätsel, Fragespiele, Suchaufgaben, da soll man auflisten, was man gerne später werden möchte und man kann einen großen Kraken ausschneiden. Da gibt es kleine Kästen mit Wissen für »Schlauköpfe« und diverse Ausflüge in ganz andere Wissensbereiche, die aber immer irgendwie etwas mit dem Kraken zu tun haben. So auch das Universum und das tiefe Meer und vielleicht, wer weiß, ist das Universum ja im tiefen Meer.
Stavaričs Sprache ist gut verständlich, einfach, und oft den Leser ansprechend, Fragen stellt er dem Leser, stellt Aufgaben, spornt an, und er lässt es nie langweilig werden. Da doziert niemand, sondern da ist ein Autor, der selbst noch wie ein nicht erwachsen werden wollender Junge wirkt, verspielt, neugierig, voller Wissen. Wie ein guter Kumpel, der mir etwas erklärt und dem ich gebannt zuhöre, während die erstklassigen Zeichnungen meine Fantasie zusätzlich ganz schön anregen. Er erzählt von Kraken in Schauergeschichten, »die sich an Schiffe klammern, um diese in dunkle Tiefen zu ziehen.« Kraken sollen für das Ertrinken von Menschen verantwortlich sein, in alten Geschichten wachsen sie geradezu auf Monstergröße heran. Sie haben einen »überaus schlechten Ruf«, so Stavaričs Bilanz, aber völlig zu Unrecht, denn: »Tatsächlich sind sie mit die intelligentesten Wesen auf diesem Planeten, neben Delfinen, Affen, Raben, Elefanten und Hunden. Wir sollten sie nicht fürchten, sondern ihnen Respekt zollen und versuchen, uns in Kraken hineinzuversetzen.«
Stavarič lebt in Wien, Preise hat er schon viele bekommen, aber die können ihn nicht so faszinieren wie sein größter Wunsch: »einmal durchs ganze Universum zu reisen. Und außerdem würde er gerne unter Wasser atmen können.«
Na, und wenn dann eine Illustratorin dazu kommt, die am liebsten Science-Fiction-Romane liest, die gerne mit ihren Illustrationen neue Welten erschaffen möchte und die jeden Planetennamen rückwärts aussprechen kann, dann haben sich da ganz sicher die zwei Richtigen für dieses Buch gefunden.
Titelangaben
Michael Stavarič: Faszination Krake
Wesen einer unbekannten Welt
Illustriert von Michèle Ganser
Graz: Leykam 2021
144 Seiten, 25 Euro
Kinderbuch ab 9 Jahren
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