Woher nehmen Schriftstellerinnen und Schriftsteller ihre Ideen? Wie kommt es zu einer Geschichte? Der wunderbaren Nähkästchenplauderei hat ANDREA WANNER gerne gelauscht.
Klar, es gibt sehr ernstzunehmende Schriften darüber, wie ein Text entsteht. Autorinnen und Autoren berichten vom Eigenleben ihrer Figuren, die teilweise ungeplant handeln und ein verblüffendes Eigenleben entwickeln. Jede und jeder hat davon gehört, auch wenn es für uns Leserinnen und Leser manchmal nur bedingt nachvollziehbar ist. Und jetzt wählt die aus dem Libanon stammende Autorin Nabiha Mheidly genau dieses Problem für ein Bilderbuch.
Der Schriftsteller ist ein gemütlich aussehender älterer Mann, rundlich, mit wenigen Haaren auf dem Kopf und einer Brille auf der Nase, der in seinem Zimmer an seinem Stift nagt und nachdenkt. Er ist auf der Suche nach einer guten Idee. Und tatsächlich, seine Ideen nehmen – ganz wörtlich genommen – Gestalt an. Plötzlich tauchen in dem Raum eine fliegende Maus, ein Huhn, ein Esel, ein kleiner Hund, ein Elefant und andere Tiere auf. Er entscheidet sich für eine Katze. Er beobachtet sie, schreibt auf was sie tut, überlässt sie in gefährlichen Situationen, in denen sie sich bissigen Hunden und Fischen stellen muss, sich selbst. Zittert mit, ist erleichtert, wenn sie die Lage in den Griff bekommt. Und schreibt dabei seine Geschichte.
Ja, das ist eigentlich ganz schön komplex, denn es geht ja um Ausgedachtes, Fantasiertes, das es im echten Leben gar nicht gibt, sondern erst auf dem Papier zum Leben erwacht. Die wunderbaren Illustrationen Walid Taher sorgen dafür, dass die Geschichte mit traumwandlerischer Leichtigkeit funktioniert. Der aus Kairo stammende Bilderbuchkünstler gehört zu den namhaftesten – und besten – der arabischen Welt. Und wer genau hinschaut, sieht auch, dass der Schriftsteller von recht nach links schreibt, arabisch eben.Die Bilder nehmen sich den Raum, den sie brauchen, schieben den Text beiseite, wenn es sein muss. In schattierten Grautönen sorgen nur wenige rote und grüne Striche und Schraffuren für Farbe. Auch das reicht vollkommen. Das Wesentliche findet innerhalb großer grauer Blasen, die aus dem Comicmetier zu stammen scheinen, statt. Sie lassen sich als Denkblasen oder Fantasieräume verstehen, die sich öffnen und schließen können, Realität und Vorstellung verbinden und ineinander übergehen lassen. Ist die Katze echt? Ist sie ausgedacht? Was unterscheidet eine echte Katze von einer ausgedachten? Und wie kann einem etwas ans Herz wachsen, das gar nicht echt ist? Und wenn die Katze nur eine ausgedachte Katze ist, dann ist doch klar, dass der Schriftsteller auch nur ein ersonnener Dichter und Denker ist …
Es lässt sich trefflich philosophieren über diese Geschichte, die voller Kraft und Witz steckt und ihren Figuren genau das zugesteht, was das Besondere an Büchern ausmacht. Ich habe jedenfalls selten eine lebendigere Katze getroffen als diese.
Titelangaben
Nabiha Mheidly: Der Schriftsteller und die Katze
(Al katib, 2018). Aus dem Arabischen von Petra Dünges
Mit Illustrationen von Walid Taher
München: Rieder 2020
32 Seiten, 14 Euro
Bilderbuch ab 7 Jahren
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