Kinderbuch | Willy Puchners Fabelhaftes Meer
Die ratlose Frage des Ringelnatzschen Meerschweinchens lässt ein bisschen von der Sehnsucht erahnen, die uns Landratten und Binnenländer vom Meer träumen lässt. Willy Puchner ist dem Geheimnis des Meeres auf der Spur. Von ANDREA WANNER
Man riecht die salzige Luft, spürt die frische Brise, schaut in die unendliche Weite, wo das Blau des Himmels und das Blau des Meeres irgendwo in weiter Ferne begegnen, hört das Kreischen er Möwen über dem Wasser. Puchner verfremdet sein Coveridyll mit einer ironischen Brechung: einer roten, altmodischen Badewanne, die mit Wasser gefüllt im Meer treibt oder steht, mit einer schwimmenden Möwe darin. Mit dieser kleinen Szene zerstört er die Illusion, mit ihm ans Meer zu reisen. Bereitet uns auf das Meer als Ort vor, von dem wir träumen können, den er uns auf vielfältige Weise auf den folgenden Seiten näherbringen wird – ohne dass wir dort ankommen.
Seine Wege sind mannigfaltig. Eine Farbskala mit Farbtönen von Türkis, Hellblau, Ultramarin über Jadegrün, Smaragdgrün, Sepia und Grau bis Schwarz, die das Meer annehmen kann. Briefmarken mit Booten, Wellen, Vögeln, Krabben aus einem Land namens Fantasia. Eine Flaschenpost mit einer geheimnisvollen Botschaft – begleitet von Fischen, die statt mit Schuppen mit Texten bedeckt sind. Ein dicker Zitatefisch, der Weisheiten über das Meer von Gottfried Keller, Heinrich Heine, Friedrich Nietzsche bis Jacques-Yves Cousteau ins Nass blubbert. Eine Sammlung skurriler Unterwassergenossen vom Federfisch über den Ökofisch und den Sportfisch bis zum Lesefisch. Eine ganze Doppelseite für eine Gischt spritzende, hohe Welle. Eine Seite für Meeresvögel, eine für einen Tauchgang und eine für einen schwimmenden Elefanten.
Zarte Pastelltöne, lichte Wasserfarben, leuchtende Fische, bunte Segel und sattes Pflanzengrün, weiße Gischtspritzer, goldgelber Sand, dunkle Holzbalken und tintiges, undurchdringliches Dunkel: Die Farbpalette, die Puchner für das Thema Meer ausbreitet, spiegelt den Facettenreichtum der Ozeane wieder. Mal mit schwungvollem Pinselduktus, dann wieder das kleinste Detail sorgfältig ausgestaltend spielt er mit den Möglichkeiten, zeigt uns die Wasseroberfläche ruhig und glatt oder wild bewegt, überlässt dem Meer die Hauptrolle oder lässt es Hintergrund und Kulisse sein, für alles, was sich in und auf ihm ereignet. Er zeigt sich als akribischer Beobachter, als satirischer Kundschafter, als souveräner Begleiter und versierter Reisender. Wir lassen uns treiben, überlassen uns dem Meer, dem was es an Schätzen freigibt.
Persönliche Worte begleiten die Illustrationen, verraten etwas von der Faszination, die das Meer auf den Ich-Erzähler, den man vielleicht tatsächlich mit Puchner gleichsetzen darf, ausübt. Schwärmen von besonderen Momenten, weisen auf Ungewöhnliches hin, sammeln Eindrücke und Souvenirs. Das Meer, das letztlich die Heimat alles Lebens ist, wird seiner Geheimnisse nicht beraubt. Es bleibt mystisch, unergründlich und im wunderbar doppelten Wortsinn fabelhaft.
Puchner zeigt, ohne zu viel zu verraten. Er füttert unsere Fantasie mit Meeresungeheuern und versunkenen Schätzen, lässt uns einen Blick auf die sich weithin ausdehnenden Wassermassen werfen, arrangiert Amüsantes, Spannendes, Unheimliches auf, im und unter Wasser und nimmt uns am Ende mit in ein trockenes Zuhause, ein Wohnzimmer weit weg vom Meer, wo neben Fossilien, Papierbooten nur Delfin aus Plastik bleibt und die Frage, ob sein Kater auch einmal ans Meer reisen wird.
So bleiben wir zurück, mit einem wunderschönen Buch zum Anschauen und Träumen und einer großen Portion Fernweh.
Titelangaben
Willy Puchners Fabelhaftes Meer
Wien: Nilpferd 2017
48 Seiten, 19,95 Euro
Bilderbuch für alle
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