Vielleicht ist dies ja ein Buch gerade für die grauen und oft düsteren Tage des Herbstes oder den weißen Schnee des Winters. Es ist, als stünden die Wintermonate diesem Buch geradezu Pate, denn wenn in der Natur die Farbe vorübergehend in den Winterschlaf fällt, werden andere Eindrücke lebendig, kommen andere Stimmungen auf, erhalten die Dinge eine andere Aussage. So auch im Bild, findet BARBARA WEGMANN
Man sollte sich bemühen, die Dinge des täglichen Lebens und der Politik nicht schwarz-weiß zu sehen. In der Fotografie ist das anders. Hier ist es manchmal sogar erwünscht: »In der heutigen Zeit haben wir es mit einer großen Sinnesüberflutung zu tun. Die Schwarz-Weiß-Fotografie ist geeignet, die Sinne wieder zu sensibilisieren.« So heißt es zu Beginn eines in der Tat tollen Buches. Sparsamer mit Reizen gehe es in Schwarz-Weiß zu, alles sei nicht so geschwätzig wie in Farbe getunkte Bilder, alles sei »auf das Wesentliche gerichtet«. Und schnell wird bei den über 300 Aufnahmen klar: hier wurde der Farb- Stecker gezogen und plötzlich erhalten Fotografien einen völlig anderen Ausdruck. Aber: »…sparsamer mit Reizen«? Stimmt das wirklich?
Ich finde, man wird man schnell eines Besseren belehrt: die Farben sind verschwunden, ja, aber gewachsen ist die Aussage, die Interpretation des Motivs. Da wird plötzlich etwas herausgestellt, etwas hervorgehoben, durch Weglassen von etwas, verändert sich die Aussage des Bildes. Und das Bild erhält eine ganz besondere Magie. Das sind doch enorme und extrem schöne Reize. »Schwarz-Weiß-Fotografie ist Abstraktion und Reduktion der manchmal vor Farben schreienden Wirklichkeit.« Zu lernen, von Beginn an in Schwarz-Weiß zu sehen und sich nicht von Farben ablenken zu lassen, das ist das Ziel dieses ausführlichen, gut gegliederten Buches, das sich an anspruchsvolle Amateure und Profis in der Fotografie wendet.
Das umfangreiche Buch gliedert sich in vier Teile, es beginnt mit den Erläuterungen, was die Schwarz-Weiß-Fotografie als Ausdrucksmittel überhaupt ausmacht. Teil 2 widmet sich den verschiedenen Genres, der Landschafts-, Architektur-, Streetfotografie. Aber natürlich geht es auch um Menschen, und der Autor macht deutlich, dass für ein aussagekräftiges Porträt »ein Lächeln weniger geeignet« ist. »Hier gilt es, einen Moment zu erwischen, der möglichst viel über die Geschichte eines Menschen erzählt, die wahre Geschichte mit ihren Widersprüchen und Abgründen.« In Schwarz-Weiß sind die Ergebnisse oft umwerfend, bilden nicht nur Gesicht oder Mensch ab, sondern gehen in die Tiefe, auf der Suche nach dem Charakter.
Letztlich geht es in Teil 3 und 4 um Komposition und die technischen Voraussetzungen.
Torsten Andreas Hoffmann ist Fotograf, Buchautor und er leitet Workshops. Und: Die Schwarz-Weiß-Fotografie ist sein Schwerpunkt. Kein Wunder, dass das Buch viel Leidenschaft für dieses Thema ausstrahlt, auf 412 Seiten eine Menge vermittelt und nahebringt. Manchmal hätte ich mir, einfach zur Dokumentation, den Vergleich gewünscht, Farbbild gegenüber Schwarz-Weiß-Bild.
Aber da unsere Fantasie lebhaft mitspielt, wir das farbliche Original, ob wir wollen oder nicht, vor Augen haben, ist schnell zu erkennen, welche Kraft ein Bild haben kann, wenn die Farbe fehlt. So wird das Buch zu einer Entdeckungsreise, neue Blickwinkel, neue Interpretationen, eine ganz besondere Ästhetik, nicht nur im Herbst und Winter.
Titelangaben
Torsten Andreas Hoffmann: Die Magie der Schwarzweiß- Fotografie
Schwarzweißmotive erkennen und stimmungsvolle Bilder gestalten
Heidelberg: dpunkt.verlag 2020
402 Seiten, 44,90 Euro
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